Ferdinand betrug sich mit alle der Klugheit und Ener- gie, welche dieses Haus in schwierigen Augenblicken so oft bewährt hat.
Zunächst kam ihm alles auf die Krone von Böhmen an.
Sein Verhältniß als Gemahl der böhmisch-ungrischen Prinzessin, als Bruder der verwitweten Königin, setzte ihn in vielfache persönliche Beziehungen zu den mächtigsten Gro- ßen. Er verstand es vollkommen, die Geneigtheiten die sich hieran knüpften festzuhalten und für sich zu verwenden, jede keimende Antipathie durch Gnadenerweisungen zu be- seitigen. Der einflußreiche Oberstburggraf Löw von Roz- mital erhielt die Versicherung, daß man ihm die Rech- nungslegung, zu der er verpflichtet gewesen wäre, entwe- der erlassen, oder doch sehr erleichtern werde: auch den Schwanberg, Schlick, Pflug, dem Herzog von Münster- berg geschahen erhebliche Zugeständnisse: der Canzler Adam von Neuhaus war im Geleite der östreichischen Gesandtschaft herbeigeeilt, um sein Ansehen zu Gunsten Ferdinands geltend zu machen. Indem es hiedurch gar bald dahin kam, daß sich eine Anzahl böhmischer Großen vereinigte, keinen andern Herrn anzunehmen als den Erz- herzog, 1 wurde nichts versäumt, auch der Menge genug zu thun. So sehr Ferdinand überzeugt war, daß seiner Gemahlin und deshalb auch ihm ein unzweifelhaftes Erb- recht zustehe, so hütete er sich doch, den Ehrgeiz, welchen die Nation darin suchte, daß sie für einen Fall wie dieser, im Be- sitz einer unbedingten Wahlfreiheit sey, zu beleidigen: er
1 Auszug aus einem Schreiben Weissenfelders bei Stumpf: Baierns pol. Gesch. I, p. 39.
Ranke d. Gesch. II. 27
Boͤhmiſche Koͤnigswahl.
Ferdinand betrug ſich mit alle der Klugheit und Ener- gie, welche dieſes Haus in ſchwierigen Augenblicken ſo oft bewährt hat.
Zunächſt kam ihm alles auf die Krone von Böhmen an.
Sein Verhältniß als Gemahl der böhmiſch-ungriſchen Prinzeſſin, als Bruder der verwitweten Königin, ſetzte ihn in vielfache perſönliche Beziehungen zu den mächtigſten Gro- ßen. Er verſtand es vollkommen, die Geneigtheiten die ſich hieran knüpften feſtzuhalten und für ſich zu verwenden, jede keimende Antipathie durch Gnadenerweiſungen zu be- ſeitigen. Der einflußreiche Oberſtburggraf Löw von Roz- mital erhielt die Verſicherung, daß man ihm die Rech- nungslegung, zu der er verpflichtet geweſen wäre, entwe- der erlaſſen, oder doch ſehr erleichtern werde: auch den Schwanberg, Schlick, Pflug, dem Herzog von Münſter- berg geſchahen erhebliche Zugeſtändniſſe: der Canzler Adam von Neuhaus war im Geleite der öſtreichiſchen Geſandtſchaft herbeigeeilt, um ſein Anſehen zu Gunſten Ferdinands geltend zu machen. Indem es hiedurch gar bald dahin kam, daß ſich eine Anzahl böhmiſcher Großen vereinigte, keinen andern Herrn anzunehmen als den Erz- herzog, 1 wurde nichts verſäumt, auch der Menge genug zu thun. So ſehr Ferdinand überzeugt war, daß ſeiner Gemahlin und deshalb auch ihm ein unzweifelhaftes Erb- recht zuſtehe, ſo hütete er ſich doch, den Ehrgeiz, welchen die Nation darin ſuchte, daß ſie für einen Fall wie dieſer, im Be- ſitz einer unbedingten Wahlfreiheit ſey, zu beleidigen: er
1 Auszug aus einem Schreiben Weiſſenfelders bei Stumpf: Baierns pol. Geſch. I, p. 39.
Ranke d. Geſch. II. 27
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Boͤhmiſche Koͤnigswahl.
Ferdinand betrug ſich mit alle der Klugheit und Ener-
gie, welche dieſes Haus in ſchwierigen Augenblicken ſo oft
bewährt hat.
Zunächſt kam ihm alles auf die Krone von Böhmen an.
Sein Verhältniß als Gemahl der böhmiſch-ungriſchen
Prinzeſſin, als Bruder der verwitweten Königin, ſetzte ihn
in vielfache perſönliche Beziehungen zu den mächtigſten Gro-
ßen. Er verſtand es vollkommen, die Geneigtheiten die
ſich hieran knüpften feſtzuhalten und für ſich zu verwenden,
jede keimende Antipathie durch Gnadenerweiſungen zu be-
ſeitigen. Der einflußreiche Oberſtburggraf Löw von Roz-
mital erhielt die Verſicherung, daß man ihm die Rech-
nungslegung, zu der er verpflichtet geweſen wäre, entwe-
der erlaſſen, oder doch ſehr erleichtern werde: auch den
Schwanberg, Schlick, Pflug, dem Herzog von Münſter-
berg geſchahen erhebliche Zugeſtändniſſe: der Canzler
Adam von Neuhaus war im Geleite der öſtreichiſchen
Geſandtſchaft herbeigeeilt, um ſein Anſehen zu Gunſten
Ferdinands geltend zu machen. Indem es hiedurch gar
bald dahin kam, daß ſich eine Anzahl böhmiſcher Großen
vereinigte, keinen andern Herrn anzunehmen als den Erz-
herzog, 1 wurde nichts verſäumt, auch der Menge genug
zu thun. So ſehr Ferdinand überzeugt war, daß ſeiner
Gemahlin und deshalb auch ihm ein unzweifelhaftes Erb-
recht zuſtehe, ſo hütete er ſich doch, den Ehrgeiz, welchen die
Nation darin ſuchte, daß ſie für einen Fall wie dieſer, im Be-
ſitz einer unbedingten Wahlfreiheit ſey, zu beleidigen: er
1 Auszug aus einem Schreiben Weiſſenfelders bei Stumpf:
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/427>, abgerufen am 27.11.2024.
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