wieder die Oberhand behielt, und in der That die Majo- rität constituirte. Wunderbarer Wechsel! Nachdem der Kaiser 1521 Luthern in die Acht erklärt, nahm die Be- hörde welche die kaiserliche Gewalt repräsentirte, 1522, 23, den Geächteten in Schutz und näherte sich seinen Tenden- zen. Politischen Combinationen wie sie auf den Kaiser ein- gewirkt, war sie natürlich unzugänglich.
Und um so mehr hatte das zu bedeuten, da in den letzten Monaten des einen, den ersten des andern Jahres die Stände beisammen waren, und nun, auf Anregung des neuen Papstes, Adrian VI, einen Beschluß in der lu- therischen Sache fassen sollten.
Gewiß war Adrian VI ein überaus wohlgesinnter Mann. Er war früher Professor in Löwen gewesen und schon damals hatte er gegen den Übermuth der Geistlichen, gegen die Verschwendung der kirchlichen Güter geeifert; 1 dann war er Lehrer Carls V geworden; man hatte ihn zur Verwaltung von Spanien gezogen: da hatte er die Dinge der Welt noch mehr in der Nähe gesehen, und sich mit Widerwillen gegen die weltlichen Tendenzen des Papst- thums durchdrungen. Eine Reform zu versuchen war er daher sehr geneigt. Er erklärte, er habe seinen Nacken nur darum in das Joch der päpstlichen Würde gebeugt, um die verunstaltete Braut Christi in ihrer Reinheit wieder her- zustellen. Aber dabei war er doch auch ein entschied- ner Gegner Luthers. Er gehörte mit zu jenen Magistri
1 Excerpte aus seinem Commentar in quartum sententiarum in dem Schreiben von Joh. Lanoy an Heinr. Barillon bei Burmann Vita Adriani p. 360.
Drittes Buch. Zweites Capitel.
wieder die Oberhand behielt, und in der That die Majo- rität conſtituirte. Wunderbarer Wechſel! Nachdem der Kaiſer 1521 Luthern in die Acht erklärt, nahm die Be- hörde welche die kaiſerliche Gewalt repräſentirte, 1522, 23, den Geächteten in Schutz und näherte ſich ſeinen Tenden- zen. Politiſchen Combinationen wie ſie auf den Kaiſer ein- gewirkt, war ſie natürlich unzugänglich.
Und um ſo mehr hatte das zu bedeuten, da in den letzten Monaten des einen, den erſten des andern Jahres die Stände beiſammen waren, und nun, auf Anregung des neuen Papſtes, Adrian VI, einen Beſchluß in der lu- theriſchen Sache faſſen ſollten.
Gewiß war Adrian VI ein überaus wohlgeſinnter Mann. Er war früher Profeſſor in Löwen geweſen und ſchon damals hatte er gegen den Übermuth der Geiſtlichen, gegen die Verſchwendung der kirchlichen Güter geeifert; 1 dann war er Lehrer Carls V geworden; man hatte ihn zur Verwaltung von Spanien gezogen: da hatte er die Dinge der Welt noch mehr in der Nähe geſehen, und ſich mit Widerwillen gegen die weltlichen Tendenzen des Papſt- thums durchdrungen. Eine Reform zu verſuchen war er daher ſehr geneigt. Er erklärte, er habe ſeinen Nacken nur darum in das Joch der päpſtlichen Würde gebeugt, um die verunſtaltete Braut Chriſti in ihrer Reinheit wieder her- zuſtellen. Aber dabei war er doch auch ein entſchied- ner Gegner Luthers. Er gehörte mit zu jenen Magiſtri
1 Excerpte aus ſeinem Commentar in quartum sententiarum in dem Schreiben von Joh. Lanoy an Heinr. Barillon bei Burmann Vita Adriani p. 360.
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Drittes Buch. Zweites Capitel.
wieder die Oberhand behielt, und in der That die Majo-
rität conſtituirte. Wunderbarer Wechſel! Nachdem der
Kaiſer 1521 Luthern in die Acht erklärt, nahm die Be-
hörde welche die kaiſerliche Gewalt repräſentirte, 1522, 23,
den Geächteten in Schutz und näherte ſich ſeinen Tenden-
zen. Politiſchen Combinationen wie ſie auf den Kaiſer ein-
gewirkt, war ſie natürlich unzugänglich.
Und um ſo mehr hatte das zu bedeuten, da in den
letzten Monaten des einen, den erſten des andern Jahres
die Stände beiſammen waren, und nun, auf Anregung
des neuen Papſtes, Adrian VI, einen Beſchluß in der lu-
theriſchen Sache faſſen ſollten.
Gewiß war Adrian VI ein überaus wohlgeſinnter
Mann. Er war früher Profeſſor in Löwen geweſen und
ſchon damals hatte er gegen den Übermuth der Geiſtlichen,
gegen die Verſchwendung der kirchlichen Güter geeifert; 1
dann war er Lehrer Carls V geworden; man hatte ihn
zur Verwaltung von Spanien gezogen: da hatte er die
Dinge der Welt noch mehr in der Nähe geſehen, und ſich
mit Widerwillen gegen die weltlichen Tendenzen des Papſt-
thums durchdrungen. Eine Reform zu verſuchen war er
daher ſehr geneigt. Er erklärte, er habe ſeinen Nacken nur
darum in das Joch der päpſtlichen Würde gebeugt, um
die verunſtaltete Braut Chriſti in ihrer Reinheit wieder her-
zuſtellen. Aber dabei war er doch auch ein entſchied-
ner Gegner Luthers. Er gehörte mit zu jenen Magiſtri
1 Excerpte aus ſeinem Commentar in quartum sententiarum
in dem Schreiben von Joh. Lanoy an Heinr. Barillon bei Burmann
Vita Adriani p. 360.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/62>, abgerufen am 16.02.2025.
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