Der Unwürdige werde schuldig an Christi Leib und Blut. Er erlebte die Freude zu sehen, daß sein Ritus und diese seine Ansicht zur Beilegung alter und verhärteter Feindschaf- ten beitrugen. 1
Obgleich Zwingli gern das Uebernatürliche hervorhebt, das seine Auffassung noch darbot, so ist doch klar, daß dieß nicht das Mysterium war, welches bisher den Mittelpunkt des Cultus in der lateinischen Kirche gebildet hatte. Man kann begreifen, welchen Eindruck es auf den gemeinen Mann machte, daß man ihm die sinnliche Gegenwart Christi entreißen wollte; es gehörte ein gewisser Muth dazu, sich dazu zu entschließen; als das aber einmal geschehen, so zeigte sich, wie wenigstens Oekolampadius sagt, eine weit größere Empfänglichkeit dafür, als man hätte vermuthen sollen. Auch dieß ist auf der andern Seite wohl zu erklä- ren. Da man sich einmal im Abfall von der römischen Kirche begriffen sah, so gewährte es eine gewisse Befriedi- gung des Selbstgefühles, welches sich dabei entwickelte, daß dieß so vollständig wie möglich geschah, daß man in einen vollkommenen Gegensatz trat.
Luther war von dem römischen Hofe vom ersten Au- genblicke an mit großer Härte, Zwingli dagegen mit äußer- ster Schonung behandelt worden; noch im Jahr 1523 em- pfing er ein überaus gnädiges Breve Adrians VI, in wel- chem alle seine Neuerungen ignorirt wurden. Dessenun- geachtet liegt am Tage, daß Zwingli dem bisherigen Kir- chenwesen bei weitem schärfer und unversöhnlicher entgegen- trat als Luther. Auf ihn machten Dienst und Dogma, wie
1Expositio fidei Werke II, II, 241.
Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel.
Der Unwürdige werde ſchuldig an Chriſti Leib und Blut. Er erlebte die Freude zu ſehen, daß ſein Ritus und dieſe ſeine Anſicht zur Beilegung alter und verhärteter Feindſchaf- ten beitrugen. 1
Obgleich Zwingli gern das Uebernatürliche hervorhebt, das ſeine Auffaſſung noch darbot, ſo iſt doch klar, daß dieß nicht das Myſterium war, welches bisher den Mittelpunkt des Cultus in der lateiniſchen Kirche gebildet hatte. Man kann begreifen, welchen Eindruck es auf den gemeinen Mann machte, daß man ihm die ſinnliche Gegenwart Chriſti entreißen wollte; es gehörte ein gewiſſer Muth dazu, ſich dazu zu entſchließen; als das aber einmal geſchehen, ſo zeigte ſich, wie wenigſtens Oekolampadius ſagt, eine weit größere Empfänglichkeit dafür, als man hätte vermuthen ſollen. Auch dieß iſt auf der andern Seite wohl zu erklä- ren. Da man ſich einmal im Abfall von der römiſchen Kirche begriffen ſah, ſo gewährte es eine gewiſſe Befriedi- gung des Selbſtgefühles, welches ſich dabei entwickelte, daß dieß ſo vollſtändig wie möglich geſchah, daß man in einen vollkommenen Gegenſatz trat.
Luther war von dem römiſchen Hofe vom erſten Au- genblicke an mit großer Härte, Zwingli dagegen mit äußer- ſter Schonung behandelt worden; noch im Jahr 1523 em- pfing er ein überaus gnädiges Breve Adrians VI, in wel- chem alle ſeine Neuerungen ignorirt wurden. Deſſenun- geachtet liegt am Tage, daß Zwingli dem bisherigen Kir- chenweſen bei weitem ſchärfer und unverſöhnlicher entgegen- trat als Luther. Auf ihn machten Dienſt und Dogma, wie
1Expositio fidei Werke II, II, 241.
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Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel.
Der Unwürdige werde ſchuldig an Chriſti Leib und Blut.
Er erlebte die Freude zu ſehen, daß ſein Ritus und dieſe
ſeine Anſicht zur Beilegung alter und verhärteter Feindſchaf-
ten beitrugen. 1
Obgleich Zwingli gern das Uebernatürliche hervorhebt,
das ſeine Auffaſſung noch darbot, ſo iſt doch klar, daß dieß
nicht das Myſterium war, welches bisher den Mittelpunkt
des Cultus in der lateiniſchen Kirche gebildet hatte. Man
kann begreifen, welchen Eindruck es auf den gemeinen
Mann machte, daß man ihm die ſinnliche Gegenwart Chriſti
entreißen wollte; es gehörte ein gewiſſer Muth dazu, ſich
dazu zu entſchließen; als das aber einmal geſchehen, ſo
zeigte ſich, wie wenigſtens Oekolampadius ſagt, eine weit
größere Empfänglichkeit dafür, als man hätte vermuthen
ſollen. Auch dieß iſt auf der andern Seite wohl zu erklä-
ren. Da man ſich einmal im Abfall von der römiſchen
Kirche begriffen ſah, ſo gewährte es eine gewiſſe Befriedi-
gung des Selbſtgefühles, welches ſich dabei entwickelte, daß
dieß ſo vollſtändig wie möglich geſchah, daß man in einen
vollkommenen Gegenſatz trat.
Luther war von dem römiſchen Hofe vom erſten Au-
genblicke an mit großer Härte, Zwingli dagegen mit äußer-
ſter Schonung behandelt worden; noch im Jahr 1523 em-
pfing er ein überaus gnädiges Breve Adrians VI, in wel-
chem alle ſeine Neuerungen ignorirt wurden. Deſſenun-
geachtet liegt am Tage, daß Zwingli dem bisherigen Kir-
chenweſen bei weitem ſchärfer und unverſöhnlicher entgegen-
trat als Luther. Auf ihn machten Dienſt und Dogma, wie
1 Expositio fidei Werke II, II, 241.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/104>, abgerufen am 21.11.2024.
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