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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Drittes Capitel.
Wiedertaufe trat auch in Zürich sehr stark auf. Der Ritus
der Wiedertaufe ist nur das Wahrzeichen jener Lehre, die
zur Bildung der Gemeinde volle Gleichheit der Gesinnung,
wahrhafte Christlichkeit fordert. Allein da die Gemeinschaft
der Wiedertäufer zugleich ihr Staat war, so geriethen sie mit
den bestehenden Gewalten in unmittelbaren Gegensatz. Wur-
den sie vor Gericht gestellt, so erklärten sie wohl, sie seyen der
irdischen Macht nicht unterthan: Gott allein sey ihr Oberer.
Sie behaupteten vielleicht nicht geradezu, daß man keine
Obrigkeit dulden solle, aber sie lehrten, ein Christ könne
solch ein Amt nicht verwalten, das Schwerd nicht führen;
so daß sie die Christlichkeit der weltlichen Gewalt nicht mehr
anerkannten. Als das Ideal alles irdischen Zustandes, nach
welchem man trachten müsse, stellten sie die Gemeinschaft
der Güter dar. 1 Da nun Ideen dieser Art eben in dem
Bauernaufruhr so furchtbare Wirkungen geäußert, und auch
hier die Wiedertäufer, wie wenigstens Zwingli genau zu wissen
behauptet, mit der Lehre hervortraten, daß man tödten dürfe,
die Pfaffen tödten müsse, so erhob sich endlich, mit den
Predigern einverstanden, die ganze Gewalt der bestehenden
Ordnung der Dinge, um sich ihrer zu entledigen. Einige
wurden verbannt, andere entflohen; einer und der andere
der Hauptanführer wurde ohne Erbarmen ertränkt. 2 Die

1 Bekenntnisse und Actenstücke in Füßli's Beiträgen I. 229,
246, 258. II, 263.
2 In Rodolphi Gualtheri Epistola ad lectorem, vor dem
zweiten Theile der Werke 1544 wird protestirt, daß Zwingli dieß
nicht gewünscht. Quod homines vaesani, non jam infideles modo,
verum etiam seditiosi, reipublicae turbatores, magistratuum ho-
stes justa senatus sententia damnati sunt, num id Zwinglio fraudi
esse poterit?

Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel.
Wiedertaufe trat auch in Zürich ſehr ſtark auf. Der Ritus
der Wiedertaufe iſt nur das Wahrzeichen jener Lehre, die
zur Bildung der Gemeinde volle Gleichheit der Geſinnung,
wahrhafte Chriſtlichkeit fordert. Allein da die Gemeinſchaft
der Wiedertäufer zugleich ihr Staat war, ſo geriethen ſie mit
den beſtehenden Gewalten in unmittelbaren Gegenſatz. Wur-
den ſie vor Gericht geſtellt, ſo erklärten ſie wohl, ſie ſeyen der
irdiſchen Macht nicht unterthan: Gott allein ſey ihr Oberer.
Sie behaupteten vielleicht nicht geradezu, daß man keine
Obrigkeit dulden ſolle, aber ſie lehrten, ein Chriſt könne
ſolch ein Amt nicht verwalten, das Schwerd nicht führen;
ſo daß ſie die Chriſtlichkeit der weltlichen Gewalt nicht mehr
anerkannten. Als das Ideal alles irdiſchen Zuſtandes, nach
welchem man trachten müſſe, ſtellten ſie die Gemeinſchaft
der Güter dar. 1 Da nun Ideen dieſer Art eben in dem
Bauernaufruhr ſo furchtbare Wirkungen geäußert, und auch
hier die Wiedertäufer, wie wenigſtens Zwingli genau zu wiſſen
behauptet, mit der Lehre hervortraten, daß man tödten dürfe,
die Pfaffen tödten müſſe, ſo erhob ſich endlich, mit den
Predigern einverſtanden, die ganze Gewalt der beſtehenden
Ordnung der Dinge, um ſich ihrer zu entledigen. Einige
wurden verbannt, andere entflohen; einer und der andere
der Hauptanführer wurde ohne Erbarmen ertränkt. 2 Die

1 Bekenntniſſe und Actenſtuͤcke in Fuͤßli’s Beitraͤgen I. 229,
246, 258. II, 263.
2 In Rodolphi Gualtheri Epistola ad lectorem, vor dem
zweiten Theile der Werke 1544 wird proteſtirt, daß Zwingli dieß
nicht gewuͤnſcht. Quod homines vaesani, non jam infideles modo,
verum etiam seditiosi, reipublicae turbatores, magistratuum ho-
stes justa senatus sententia damnati sunt, num id Zwinglio fraudi
esse poterit?
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[92/0108] Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel. Wiedertaufe trat auch in Zürich ſehr ſtark auf. Der Ritus der Wiedertaufe iſt nur das Wahrzeichen jener Lehre, die zur Bildung der Gemeinde volle Gleichheit der Geſinnung, wahrhafte Chriſtlichkeit fordert. Allein da die Gemeinſchaft der Wiedertäufer zugleich ihr Staat war, ſo geriethen ſie mit den beſtehenden Gewalten in unmittelbaren Gegenſatz. Wur- den ſie vor Gericht geſtellt, ſo erklärten ſie wohl, ſie ſeyen der irdiſchen Macht nicht unterthan: Gott allein ſey ihr Oberer. Sie behaupteten vielleicht nicht geradezu, daß man keine Obrigkeit dulden ſolle, aber ſie lehrten, ein Chriſt könne ſolch ein Amt nicht verwalten, das Schwerd nicht führen; ſo daß ſie die Chriſtlichkeit der weltlichen Gewalt nicht mehr anerkannten. Als das Ideal alles irdiſchen Zuſtandes, nach welchem man trachten müſſe, ſtellten ſie die Gemeinſchaft der Güter dar. 1 Da nun Ideen dieſer Art eben in dem Bauernaufruhr ſo furchtbare Wirkungen geäußert, und auch hier die Wiedertäufer, wie wenigſtens Zwingli genau zu wiſſen behauptet, mit der Lehre hervortraten, daß man tödten dürfe, die Pfaffen tödten müſſe, ſo erhob ſich endlich, mit den Predigern einverſtanden, die ganze Gewalt der beſtehenden Ordnung der Dinge, um ſich ihrer zu entledigen. Einige wurden verbannt, andere entflohen; einer und der andere der Hauptanführer wurde ohne Erbarmen ertränkt. 2 Die 1 Bekenntniſſe und Actenſtuͤcke in Fuͤßli’s Beitraͤgen I. 229, 246, 258. II, 263. 2 In Rodolphi Gualtheri Epistola ad lectorem, vor dem zweiten Theile der Werke 1544 wird proteſtirt, daß Zwingli dieß nicht gewuͤnſcht. Quod homines vaesani, non jam infideles modo, verum etiam seditiosi, reipublicae turbatores, magistratuum ho- stes justa senatus sententia damnati sunt, num id Zwinglio fraudi esse poterit?

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/108>, abgerufen am 24.11.2024.