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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Drittes Capitel.
nichts als der Mensch selbst, und er gedenkt an nichts,
als was ihm zu Nutzen und Wollust dient." Es ist ganz
die höhere Moral, die zugleich Mystik und Religion ist, und
seine Ideen überhaupt belebt, was ihn auch zu seiner po-
litischen Tendenz führt. In Schwytz, wo er eine Anzahl
persönlicher Freunde hatte, machte sein Schreiben so viel
Eindruck, daß die Landsgemeinde am 18. Mai 1522 den
französischen Bund abkündigte und auch Andere davon ab-
zustehn mahnte, "alle die, welche es zu mahnen habe."
Es war sehr zu erwarten, daß Schwytz, wo Geroldseck
und Zwingli und Leo Judä so lange gewirkt, nun auch in
den eigentlich religiösen Angelegenheiten dem Beispiele von
Zürich folgen werde.

Es liegt jedoch am Tage und kein Mensch konnte
sich verbergen, daß diese politische Richtung, so vernünftig
sie auch an sich war, doch zunächst dem Fortgange der reli-
giösen Bewegung wieder hinderlich werden mußte. Allent-
halben hatten sich aus den Vorstehern der Gemeinden, welche
die Pensionen empfingen, und den Hauptleuten, welche die
kriegslustige Jugend ins Feld führten, Factionen gebildet,
die ihren Vortheil nicht so leicht fahren zu lassen gemeint
waren: -- Oligarchien die dann vereinigt die Tagsatzungen be-
herrschten. Zwingli fand, es sey ein neuer Adel so gefährlich
wie der alte. Und allerdings waren diese Machthaber stark ge-
nug, um zunächst die Schwytzer dahin zu bringen, daß sie ih-
ren wider die fremden Dienste gefaßten Beschluß zurücknahmen.
Besonders der Einfluß des Schultheißen Hans Hug in Lucern,
hielt die bisherige Politik in den Waldcantonen aufrecht. 1 Auf

1 Klagen Zwingli's 19. Febr. 1523 an Steiner. Epp. I, p. 275.

Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel.
nichts als der Menſch ſelbſt, und er gedenkt an nichts,
als was ihm zu Nutzen und Wolluſt dient.“ Es iſt ganz
die höhere Moral, die zugleich Myſtik und Religion iſt, und
ſeine Ideen überhaupt belebt, was ihn auch zu ſeiner po-
litiſchen Tendenz führt. In Schwytz, wo er eine Anzahl
perſönlicher Freunde hatte, machte ſein Schreiben ſo viel
Eindruck, daß die Landsgemeinde am 18. Mai 1522 den
franzöſiſchen Bund abkündigte und auch Andere davon ab-
zuſtehn mahnte, „alle die, welche es zu mahnen habe.“
Es war ſehr zu erwarten, daß Schwytz, wo Geroldseck
und Zwingli und Leo Judä ſo lange gewirkt, nun auch in
den eigentlich religiöſen Angelegenheiten dem Beiſpiele von
Zürich folgen werde.

Es liegt jedoch am Tage und kein Menſch konnte
ſich verbergen, daß dieſe politiſche Richtung, ſo vernünftig
ſie auch an ſich war, doch zunächſt dem Fortgange der reli-
giöſen Bewegung wieder hinderlich werden mußte. Allent-
halben hatten ſich aus den Vorſtehern der Gemeinden, welche
die Penſionen empfingen, und den Hauptleuten, welche die
kriegsluſtige Jugend ins Feld führten, Factionen gebildet,
die ihren Vortheil nicht ſo leicht fahren zu laſſen gemeint
waren: — Oligarchien die dann vereinigt die Tagſatzungen be-
herrſchten. Zwingli fand, es ſey ein neuer Adel ſo gefährlich
wie der alte. Und allerdings waren dieſe Machthaber ſtark ge-
nug, um zunächſt die Schwytzer dahin zu bringen, daß ſie ih-
ren wider die fremden Dienſte gefaßten Beſchluß zurücknahmen.
Beſonders der Einfluß des Schultheißen Hans Hug in Lucern,
hielt die bisherige Politik in den Waldcantonen aufrecht. 1 Auf

1 Klagen Zwingli’s 19. Febr. 1523 an Steiner. Epp. I, p. 275.
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[94/0110] Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel. nichts als der Menſch ſelbſt, und er gedenkt an nichts, als was ihm zu Nutzen und Wolluſt dient.“ Es iſt ganz die höhere Moral, die zugleich Myſtik und Religion iſt, und ſeine Ideen überhaupt belebt, was ihn auch zu ſeiner po- litiſchen Tendenz führt. In Schwytz, wo er eine Anzahl perſönlicher Freunde hatte, machte ſein Schreiben ſo viel Eindruck, daß die Landsgemeinde am 18. Mai 1522 den franzöſiſchen Bund abkündigte und auch Andere davon ab- zuſtehn mahnte, „alle die, welche es zu mahnen habe.“ Es war ſehr zu erwarten, daß Schwytz, wo Geroldseck und Zwingli und Leo Judä ſo lange gewirkt, nun auch in den eigentlich religiöſen Angelegenheiten dem Beiſpiele von Zürich folgen werde. Es liegt jedoch am Tage und kein Menſch konnte ſich verbergen, daß dieſe politiſche Richtung, ſo vernünftig ſie auch an ſich war, doch zunächſt dem Fortgange der reli- giöſen Bewegung wieder hinderlich werden mußte. Allent- halben hatten ſich aus den Vorſtehern der Gemeinden, welche die Penſionen empfingen, und den Hauptleuten, welche die kriegsluſtige Jugend ins Feld führten, Factionen gebildet, die ihren Vortheil nicht ſo leicht fahren zu laſſen gemeint waren: — Oligarchien die dann vereinigt die Tagſatzungen be- herrſchten. Zwingli fand, es ſey ein neuer Adel ſo gefährlich wie der alte. Und allerdings waren dieſe Machthaber ſtark ge- nug, um zunächſt die Schwytzer dahin zu bringen, daß ſie ih- ren wider die fremden Dienſte gefaßten Beſchluß zurücknahmen. Beſonders der Einfluß des Schultheißen Hans Hug in Lucern, hielt die bisherige Politik in den Waldcantonen aufrecht. 1 Auf 1 Klagen Zwingli’s 19. Febr. 1523 an Steiner. Epp. I, p. 275.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/110>, abgerufen am 21.11.2024.