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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Fünftes Capitel.

So überwiegend auch die Majorität seyn mochte, so
schien es ihr doch nicht gut, sich um einen so starken Wi-
derspruch ganz und gar nicht zu kümmern. Besonders hat-
ten sich die Städte bei dem Artikel von der geistlichen Ge-
walt wider das Wort Obrigkeit gesetzt, das im Abschied
von 1526 sorgfältig vermieden worden. Auch der Ma-
jorität schien es am Ende besser, dieses Wort wegzulas-
sen, und wie früher nichts als die Entziehung der Renten
Zinsen und Güter zu verbieten. Doch fügte sie hinzu, daß
Niemand eines andern Standes Verwandte und Untertha-
nen wider denselben in Schutz nehmen solle. 1 Allein auch
diese Fassung schien der evangelischen Minorität unzulässig.
Sie fürchtete, wenn man die Worte genau nehme, werde
ein Bischof die Prediger als seine Untergebenen und Ver-
wandten betrachten dürfen; man werde sie dem Reichsab-
schied zufolge ihm ausliefern müssen, eine Pflicht, die man
lange vor diesen Neuerungen verweigert habe; schon vor
40 Jahren habe das Frankfurt dem Erzbischof Berthold
abgeschlagen. Ueberdieß war dieß nur ein einziger Punkt,
und sie hatten sich über so viele andre zu beschweren.

Da aber die Majorität unerschütterlich blieb, sollte nun
wohl die evangelische Partei einen Beschluß zu gesetzlicher Kraft
gelangen lassen, der sie mit dem Verderben bedrohte?

Schon am 12. April erklärte der sächsische Gesandte
Minkwitz in voller Reichsversammlung, daß sie das nicht

serlich Maj. begeren halber wiren sie urbittig, weß sie zu der ere
Gottes, auch frieden und ruhe dienlich gehelfen mochten, sollt man
sie allerunterthänig gehorsam spüren.
1 So ist es in den Abschied gekommen § 10. Unterthanen und
Verwandte.
Fuͤnftes Buch. Fuͤnftes Capitel.

So überwiegend auch die Majorität ſeyn mochte, ſo
ſchien es ihr doch nicht gut, ſich um einen ſo ſtarken Wi-
derſpruch ganz und gar nicht zu kümmern. Beſonders hat-
ten ſich die Städte bei dem Artikel von der geiſtlichen Ge-
walt wider das Wort Obrigkeit geſetzt, das im Abſchied
von 1526 ſorgfältig vermieden worden. Auch der Ma-
jorität ſchien es am Ende beſſer, dieſes Wort wegzulaſ-
ſen, und wie früher nichts als die Entziehung der Renten
Zinſen und Güter zu verbieten. Doch fügte ſie hinzu, daß
Niemand eines andern Standes Verwandte und Untertha-
nen wider denſelben in Schutz nehmen ſolle. 1 Allein auch
dieſe Faſſung ſchien der evangeliſchen Minorität unzuläſſig.
Sie fürchtete, wenn man die Worte genau nehme, werde
ein Biſchof die Prediger als ſeine Untergebenen und Ver-
wandten betrachten dürfen; man werde ſie dem Reichsab-
ſchied zufolge ihm ausliefern müſſen, eine Pflicht, die man
lange vor dieſen Neuerungen verweigert habe; ſchon vor
40 Jahren habe das Frankfurt dem Erzbiſchof Berthold
abgeſchlagen. Ueberdieß war dieß nur ein einziger Punkt,
und ſie hatten ſich über ſo viele andre zu beſchweren.

Da aber die Majorität unerſchütterlich blieb, ſollte nun
wohl die evangeliſche Partei einen Beſchluß zu geſetzlicher Kraft
gelangen laſſen, der ſie mit dem Verderben bedrohte?

Schon am 12. April erklärte der ſächſiſche Geſandte
Minkwitz in voller Reichsverſammlung, daß ſie das nicht

ſerlich Maj. begeren halber wiren ſie urbittig, weß ſie zu der ere
Gottes, auch frieden und ruhe dienlich gehelfen mochten, ſollt man
ſie allerunterthaͤnig gehorſam ſpuͤren.
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Verwandte.
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[152/0168] Fuͤnftes Buch. Fuͤnftes Capitel. So überwiegend auch die Majorität ſeyn mochte, ſo ſchien es ihr doch nicht gut, ſich um einen ſo ſtarken Wi- derſpruch ganz und gar nicht zu kümmern. Beſonders hat- ten ſich die Städte bei dem Artikel von der geiſtlichen Ge- walt wider das Wort Obrigkeit geſetzt, das im Abſchied von 1526 ſorgfältig vermieden worden. Auch der Ma- jorität ſchien es am Ende beſſer, dieſes Wort wegzulaſ- ſen, und wie früher nichts als die Entziehung der Renten Zinſen und Güter zu verbieten. Doch fügte ſie hinzu, daß Niemand eines andern Standes Verwandte und Untertha- nen wider denſelben in Schutz nehmen ſolle. 1 Allein auch dieſe Faſſung ſchien der evangeliſchen Minorität unzuläſſig. Sie fürchtete, wenn man die Worte genau nehme, werde ein Biſchof die Prediger als ſeine Untergebenen und Ver- wandten betrachten dürfen; man werde ſie dem Reichsab- ſchied zufolge ihm ausliefern müſſen, eine Pflicht, die man lange vor dieſen Neuerungen verweigert habe; ſchon vor 40 Jahren habe das Frankfurt dem Erzbiſchof Berthold abgeſchlagen. Ueberdieß war dieß nur ein einziger Punkt, und ſie hatten ſich über ſo viele andre zu beſchweren. Da aber die Majorität unerſchütterlich blieb, ſollte nun wohl die evangeliſche Partei einen Beſchluß zu geſetzlicher Kraft gelangen laſſen, der ſie mit dem Verderben bedrohte? Schon am 12. April erklärte der ſächſiſche Geſandte Minkwitz in voller Reichsverſammlung, daß ſie das nicht 3 1 So iſt es in den Abſchied gekommen § 10. Unterthanen und Verwandte. 3 ſerlich Maj. begeren halber wiren ſie urbittig, weß ſie zu der ere Gottes, auch frieden und ruhe dienlich gehelfen mochten, ſollt man ſie allerunterthaͤnig gehorſam ſpuͤren.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/168>, abgerufen am 25.11.2024.