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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Sechstes Capitel.
Mysteriums auf die ursprünglichen, historisch überlieferten
Momente der Einsetzung eine so unermeßliche Bedeutung
für die ganze Auffassung des Christenthums außerhalb
der constituirten Kirchlichkeit in sich schloß, aufgegeben
hätte. In den übrigen Punkten, wo er nachgab, war
er noch nicht so sicher, so fest geworden; diesen aber
hatte er nach allen Seiten durchdacht; hier war er sei-
nes Gegenstandes Meister, er enthielt sein Prinzip; den
ließ er sich nicht entreißen.

Eben so wenig wäre es aber auch von Luther zu er-
warten, oder gar zu fordern gewesen, daß er der andern
Erklärung beigetreten wäre. Sein Standpunkt ist überhaupt,
daß er ein Inwohnen des göttlichen Elementes in der christ-
lichen Kirche festhält, wie die Katholischen. Er sieht es nur
nicht in den mancherlei Zufälligkeiten, welche phantastische
und sophistisirende Jahrhunderte überliefert hatten. Da diese
ihm die Gewißheit nicht gewähren, deren er bedarf, so geht
er auf die ursprünglichen Quellen zurück, auf welche auch
sie sich beziehen; und nur das nimmt er an, was er da
findet. Von den sieben Sacramenten hält er nur die zwei
fest, von denen das neue Testament unläugbare Meldung
thut. Aber diese will er sich nun auch um keinen Preis
entwinden, oder in ihrer geheimnißvollen Bedeutung schmä-
lern lassen.

Es sind, wie gesagt, zwei von verschiedenen Gesichts-
punkten, aber mit gleicher Nothwendigkeit entstandene Auf-
fassungen.

Gewinn genug, wenn man nun aufhörte, sich ge-
genseitig zu verketzern. Luther hatte gefunden, daß die
Gegner es nicht so böse meinten, wie er geglaubt. Auch

Fuͤnftes Buch. Sechstes Capitel.
Myſteriums auf die urſprünglichen, hiſtoriſch überlieferten
Momente der Einſetzung eine ſo unermeßliche Bedeutung
für die ganze Auffaſſung des Chriſtenthums außerhalb
der conſtituirten Kirchlichkeit in ſich ſchloß, aufgegeben
hätte. In den übrigen Punkten, wo er nachgab, war
er noch nicht ſo ſicher, ſo feſt geworden; dieſen aber
hatte er nach allen Seiten durchdacht; hier war er ſei-
nes Gegenſtandes Meiſter, er enthielt ſein Prinzip; den
ließ er ſich nicht entreißen.

Eben ſo wenig wäre es aber auch von Luther zu er-
warten, oder gar zu fordern geweſen, daß er der andern
Erklärung beigetreten wäre. Sein Standpunkt iſt überhaupt,
daß er ein Inwohnen des göttlichen Elementes in der chriſt-
lichen Kirche feſthält, wie die Katholiſchen. Er ſieht es nur
nicht in den mancherlei Zufälligkeiten, welche phantaſtiſche
und ſophiſtiſirende Jahrhunderte überliefert hatten. Da dieſe
ihm die Gewißheit nicht gewähren, deren er bedarf, ſo geht
er auf die urſprünglichen Quellen zurück, auf welche auch
ſie ſich beziehen; und nur das nimmt er an, was er da
findet. Von den ſieben Sacramenten hält er nur die zwei
feſt, von denen das neue Teſtament unläugbare Meldung
thut. Aber dieſe will er ſich nun auch um keinen Preis
entwinden, oder in ihrer geheimnißvollen Bedeutung ſchmä-
lern laſſen.

Es ſind, wie geſagt, zwei von verſchiedenen Geſichts-
punkten, aber mit gleicher Nothwendigkeit entſtandene Auf-
faſſungen.

Gewinn genug, wenn man nun aufhörte, ſich ge-
genſeitig zu verketzern. Luther hatte gefunden, daß die
Gegner es nicht ſo böſe meinten, wie er geglaubt. Auch

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[174/0190] Fuͤnftes Buch. Sechstes Capitel. Myſteriums auf die urſprünglichen, hiſtoriſch überlieferten Momente der Einſetzung eine ſo unermeßliche Bedeutung für die ganze Auffaſſung des Chriſtenthums außerhalb der conſtituirten Kirchlichkeit in ſich ſchloß, aufgegeben hätte. In den übrigen Punkten, wo er nachgab, war er noch nicht ſo ſicher, ſo feſt geworden; dieſen aber hatte er nach allen Seiten durchdacht; hier war er ſei- nes Gegenſtandes Meiſter, er enthielt ſein Prinzip; den ließ er ſich nicht entreißen. Eben ſo wenig wäre es aber auch von Luther zu er- warten, oder gar zu fordern geweſen, daß er der andern Erklärung beigetreten wäre. Sein Standpunkt iſt überhaupt, daß er ein Inwohnen des göttlichen Elementes in der chriſt- lichen Kirche feſthält, wie die Katholiſchen. Er ſieht es nur nicht in den mancherlei Zufälligkeiten, welche phantaſtiſche und ſophiſtiſirende Jahrhunderte überliefert hatten. Da dieſe ihm die Gewißheit nicht gewähren, deren er bedarf, ſo geht er auf die urſprünglichen Quellen zurück, auf welche auch ſie ſich beziehen; und nur das nimmt er an, was er da findet. Von den ſieben Sacramenten hält er nur die zwei feſt, von denen das neue Teſtament unläugbare Meldung thut. Aber dieſe will er ſich nun auch um keinen Preis entwinden, oder in ihrer geheimnißvollen Bedeutung ſchmä- lern laſſen. Es ſind, wie geſagt, zwei von verſchiedenen Geſichts- punkten, aber mit gleicher Nothwendigkeit entſtandene Auf- faſſungen. Gewinn genug, wenn man nun aufhörte, ſich ge- genſeitig zu verketzern. Luther hatte gefunden, daß die Gegner es nicht ſo böſe meinten, wie er geglaubt. Auch

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/190>, abgerufen am 27.11.2024.