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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reichstag zu Augsburg. Erste Irrung.
rathsam scheinen, den ersten Moment seiner Anwesenheit,
den Eindruck seiner Ankunft zu benutzen, um sie zu einer
wesentlichen Nachgiebigkeit zu vermögen.

Indem die übrigen Fürsten sich entfernten, ließ der
Kaiser den Churfürsten von Sachsen, den Markgrafen Georg
von Brandenburg, den Herzog Franz von Lüneburg und
Landgraf Philipp in ein besonderes Zimmer rufen, und sie
durch seinen Bruder auffordern, die Predigten nunmehr
abzustellen. Die älteren Fürsten erschraken und schwiegen.
Der Landgraf ergriff das Wort und suchte die Weigerung
darauf zu begründen, daß ja in den Predigten nichts an-
deres vorkomme, als das reine Gotteswort, wie es auch
S. Augustinus gefaßt habe. Argumente, die dem Kaiser
höchst widerwärtig waren. Das Blut stieg ihm darüber
ins Gesicht, und er wiederholte seine Forderung um so stär-
ker. Allein er stieß hier auf einen Widerstand ganz an-
derer Art, als ihm jene italienischen Mächte leisteten, die
nur Interessen eines schon sehr zweifelhaft gewordenen Be-
sitzes verfochten. Herr, sagte jetzt der alte Markgraf Ge-
org, ehe ich von Gottes Worte abstünde, wollte ich lieber auf
dieser Stelle niederknien, und mir den Kopf abhauen las-
sen. Der Kaiser, der nichts als Worte der Milde von
sich hören lassen wollte, und von Natur wohlwollend war,
erschrak selbst über die Möglichkeit, die ihm hier aus frem-
dem Munde entgegentrat. Lieber Fürst, erwiederte er dem
Markgrafen in seinem gebrochenen Niederdeutsch, nicht
Köpfe ab. 1


1 Eine sehr glaubwürdige Nachricht hierüber in dem Schrei-
ben des nürnbergischen Gesandten, die der Landgraf in derselben Nacht

Reichstag zu Augsburg. Erſte Irrung.
rathſam ſcheinen, den erſten Moment ſeiner Anweſenheit,
den Eindruck ſeiner Ankunft zu benutzen, um ſie zu einer
weſentlichen Nachgiebigkeit zu vermögen.

Indem die übrigen Fürſten ſich entfernten, ließ der
Kaiſer den Churfürſten von Sachſen, den Markgrafen Georg
von Brandenburg, den Herzog Franz von Lüneburg und
Landgraf Philipp in ein beſonderes Zimmer rufen, und ſie
durch ſeinen Bruder auffordern, die Predigten nunmehr
abzuſtellen. Die älteren Fürſten erſchraken und ſchwiegen.
Der Landgraf ergriff das Wort und ſuchte die Weigerung
darauf zu begründen, daß ja in den Predigten nichts an-
deres vorkomme, als das reine Gotteswort, wie es auch
S. Auguſtinus gefaßt habe. Argumente, die dem Kaiſer
höchſt widerwärtig waren. Das Blut ſtieg ihm darüber
ins Geſicht, und er wiederholte ſeine Forderung um ſo ſtär-
ker. Allein er ſtieß hier auf einen Widerſtand ganz an-
derer Art, als ihm jene italieniſchen Mächte leiſteten, die
nur Intereſſen eines ſchon ſehr zweifelhaft gewordenen Be-
ſitzes verfochten. Herr, ſagte jetzt der alte Markgraf Ge-
org, ehe ich von Gottes Worte abſtünde, wollte ich lieber auf
dieſer Stelle niederknien, und mir den Kopf abhauen laſ-
ſen. Der Kaiſer, der nichts als Worte der Milde von
ſich hören laſſen wollte, und von Natur wohlwollend war,
erſchrak ſelbſt über die Möglichkeit, die ihm hier aus frem-
dem Munde entgegentrat. Lieber Fürſt, erwiederte er dem
Markgrafen in ſeinem gebrochenen Niederdeutſch, nicht
Köpfe ab. 1


1 Eine ſehr glaubwuͤrdige Nachricht hieruͤber in dem Schrei-
ben des nuͤrnbergiſchen Geſandten, die der Landgraf in derſelben Nacht
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[239/0255] Reichstag zu Augsburg. Erſte Irrung. rathſam ſcheinen, den erſten Moment ſeiner Anweſenheit, den Eindruck ſeiner Ankunft zu benutzen, um ſie zu einer weſentlichen Nachgiebigkeit zu vermögen. Indem die übrigen Fürſten ſich entfernten, ließ der Kaiſer den Churfürſten von Sachſen, den Markgrafen Georg von Brandenburg, den Herzog Franz von Lüneburg und Landgraf Philipp in ein beſonderes Zimmer rufen, und ſie durch ſeinen Bruder auffordern, die Predigten nunmehr abzuſtellen. Die älteren Fürſten erſchraken und ſchwiegen. Der Landgraf ergriff das Wort und ſuchte die Weigerung darauf zu begründen, daß ja in den Predigten nichts an- deres vorkomme, als das reine Gotteswort, wie es auch S. Auguſtinus gefaßt habe. Argumente, die dem Kaiſer höchſt widerwärtig waren. Das Blut ſtieg ihm darüber ins Geſicht, und er wiederholte ſeine Forderung um ſo ſtär- ker. Allein er ſtieß hier auf einen Widerſtand ganz an- derer Art, als ihm jene italieniſchen Mächte leiſteten, die nur Intereſſen eines ſchon ſehr zweifelhaft gewordenen Be- ſitzes verfochten. Herr, ſagte jetzt der alte Markgraf Ge- org, ehe ich von Gottes Worte abſtünde, wollte ich lieber auf dieſer Stelle niederknien, und mir den Kopf abhauen laſ- ſen. Der Kaiſer, der nichts als Worte der Milde von ſich hören laſſen wollte, und von Natur wohlwollend war, erſchrak ſelbſt über die Möglichkeit, die ihm hier aus frem- dem Munde entgegentrat. Lieber Fürſt, erwiederte er dem Markgrafen in ſeinem gebrochenen Niederdeutſch, nicht Köpfe ab. 1 1 Eine ſehr glaubwuͤrdige Nachricht hieruͤber in dem Schrei- ben des nuͤrnbergiſchen Geſandten, die der Landgraf in derſelben Nacht

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/255>, abgerufen am 22.11.2024.