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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Achtes Capitel.
gen und Weltlust war er nicht geboren; das Unangenehme,
das dabei nicht zu vermeiden ist, ging ihm allzutief, und
quälte ihn mehr, als ihn der leichte Genuß erfreute. Mit
seinem Bruder, dessen Mitregent er war, hat er sich nie
entzweit; nie hat Einer einen Diener angenommen, ohne
daß der Andere damit einverstanden gewesen wäre. Vom
ersten Aufgang Luthers an, widmete er der Lehre desselben
die freudigste Theilnahme; sein von Natur ernstes und in
der Tiefe religiöses Gemüth ward von derselben allmählig
ganz durchdrungen. Es war ihm Vergnügen und Genug-
thuung, sich die h. Schrift, die ihm nun erst bekannt ward,
in den Abendstunden vorlesen zu lassen. Er schlief darüber
zuweilen ein, denn schon war er bejahrt; wenn er auf-
wachte, wiederholte er den letzten Spruch, der ihm im Ge-
dächtniß geblieben. Die Predigten Luthers schrieb er zu-
weilen nach: man hat ein von seiner Hand geschriebenes
Exemplar des kleinen Catechismus Lutheri. 1 Früher und
später hat es Fürsten gegeben, die durch eine Hingebung
dieser Art in ihrer Thatkraft gelähmt worden; bei ihm war
das nicht der Fall. Bei aller Einfachheit entwickelte seine
Seele doch auch Schwung und Willen. Als in dem Bauern-
kriege die Sache der Fürsten so schwankend stand, verbarg
er sich nicht, daß es zu einem völligen Umschlag kommen
könne; er war sogar darauf gefaßt und man hörte ihn sa-
gen, auch er könne sich am Ende mit ein paar Pferden be-
gnügen und ein Mann seyn wie ein anderer Mann, aber
das hielt ihn nicht ab, sein gutes Recht doch so tapfer
zu vertheidigen wie irgend ein Andrer; nur in dem Siege

1 Cyprian Geschichte der Augsburgischen Confession p. 184.

Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
gen und Weltluſt war er nicht geboren; das Unangenehme,
das dabei nicht zu vermeiden iſt, ging ihm allzutief, und
quälte ihn mehr, als ihn der leichte Genuß erfreute. Mit
ſeinem Bruder, deſſen Mitregent er war, hat er ſich nie
entzweit; nie hat Einer einen Diener angenommen, ohne
daß der Andere damit einverſtanden geweſen wäre. Vom
erſten Aufgang Luthers an, widmete er der Lehre deſſelben
die freudigſte Theilnahme; ſein von Natur ernſtes und in
der Tiefe religiöſes Gemüth ward von derſelben allmählig
ganz durchdrungen. Es war ihm Vergnügen und Genug-
thuung, ſich die h. Schrift, die ihm nun erſt bekannt ward,
in den Abendſtunden vorleſen zu laſſen. Er ſchlief darüber
zuweilen ein, denn ſchon war er bejahrt; wenn er auf-
wachte, wiederholte er den letzten Spruch, der ihm im Ge-
dächtniß geblieben. Die Predigten Luthers ſchrieb er zu-
weilen nach: man hat ein von ſeiner Hand geſchriebenes
Exemplar des kleinen Catechismus Lutheri. 1 Früher und
ſpäter hat es Fürſten gegeben, die durch eine Hingebung
dieſer Art in ihrer Thatkraft gelähmt worden; bei ihm war
das nicht der Fall. Bei aller Einfachheit entwickelte ſeine
Seele doch auch Schwung und Willen. Als in dem Bauern-
kriege die Sache der Fürſten ſo ſchwankend ſtand, verbarg
er ſich nicht, daß es zu einem völligen Umſchlag kommen
könne; er war ſogar darauf gefaßt und man hörte ihn ſa-
gen, auch er könne ſich am Ende mit ein paar Pferden be-
gnügen und ein Mann ſeyn wie ein anderer Mann, aber
das hielt ihn nicht ab, ſein gutes Recht doch ſo tapfer
zu vertheidigen wie irgend ein Andrer; nur in dem Siege

1 Cyprian Geſchichte der Augsburgiſchen Confeſſion p. 184.
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[260/0276] Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. gen und Weltluſt war er nicht geboren; das Unangenehme, das dabei nicht zu vermeiden iſt, ging ihm allzutief, und quälte ihn mehr, als ihn der leichte Genuß erfreute. Mit ſeinem Bruder, deſſen Mitregent er war, hat er ſich nie entzweit; nie hat Einer einen Diener angenommen, ohne daß der Andere damit einverſtanden geweſen wäre. Vom erſten Aufgang Luthers an, widmete er der Lehre deſſelben die freudigſte Theilnahme; ſein von Natur ernſtes und in der Tiefe religiöſes Gemüth ward von derſelben allmählig ganz durchdrungen. Es war ihm Vergnügen und Genug- thuung, ſich die h. Schrift, die ihm nun erſt bekannt ward, in den Abendſtunden vorleſen zu laſſen. Er ſchlief darüber zuweilen ein, denn ſchon war er bejahrt; wenn er auf- wachte, wiederholte er den letzten Spruch, der ihm im Ge- dächtniß geblieben. Die Predigten Luthers ſchrieb er zu- weilen nach: man hat ein von ſeiner Hand geſchriebenes Exemplar des kleinen Catechismus Lutheri. 1 Früher und ſpäter hat es Fürſten gegeben, die durch eine Hingebung dieſer Art in ihrer Thatkraft gelähmt worden; bei ihm war das nicht der Fall. Bei aller Einfachheit entwickelte ſeine Seele doch auch Schwung und Willen. Als in dem Bauern- kriege die Sache der Fürſten ſo ſchwankend ſtand, verbarg er ſich nicht, daß es zu einem völligen Umſchlag kommen könne; er war ſogar darauf gefaßt und man hörte ihn ſa- gen, auch er könne ſich am Ende mit ein paar Pferden be- gnügen und ein Mann ſeyn wie ein anderer Mann, aber das hielt ihn nicht ab, ſein gutes Recht doch ſo tapfer zu vertheidigen wie irgend ein Andrer; nur in dem Siege 1 Cyprian Geſchichte der Augsburgiſchen Confeſſion p. 184.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/276>, abgerufen am 24.11.2024.