jorität gegenüber, ohne durch einen haltbaren Bund auch nur unter einander gesichert zu seyn, ihre Ueberzeugung mit der nöthigen Festigkeit zu behaupten.
Zunächst kam es hiebei auf den vornehmsten von ihnen an, auf welchen die Andern blickten, und den auch der Kaiser am härtesten anging, den Churfürsten Johann von Sachsen.
Churfürst Johann von Sachsen, der letzte von den vier trefflichen Söhnen des Churfürsten Ernst, die einst zu Grimma mit großer Sorgfalt zu geistlichen oder weltlichen Reichswürden erzogen worden, der Stammvater des noch heute in mannichfaltigen Zweigen blühenden ernestinischen Hauses, besaß nicht die politische Genialität seines Bruders Friedrich, dessen feinen durchdringenden Geist; dagegen zeigte er sich von Jugend auf gutmüthig und treuherzig, ohne alles Falsch -- wie Luther sagt, ohne Galle, aber dabei erfüllt von dem sittlichen Ernst, der einer so einfachen Seele erst ihren Werth verleiht. Man weiß nicht an- ders, als daß er bis zu seiner Vermählung in seinem 32sten Lebensjahre vollkommen keusch gelebt hat. 1 Die rauschenden ritterlichen Festlichkeiten, an denen er zuwei- len am Hofe Maximilians Theil nahm, obwohl auch er sich dabei hervorthat, befriedigten ihn doch nicht; er meinte später, von diesen Tagen sey doch auch keiner ohne irgend ein Herzeleid vergangen. 2 Man sieht, für Vergnügun-
1 Spalatin von Herzog Hansen zu Sachsen Churfürsten in Struve's neu eröffnetem Archiv III, 16, leider weit unergiebiger, als desselben Verfassers Nachricht über Friedrich d. W.
2 Eine Aeußerung von ihm in Beckmanns Anhaltischer Ge- schichte II, V, p. 140.
17*
Widerſtand.
jorität gegenüber, ohne durch einen haltbaren Bund auch nur unter einander geſichert zu ſeyn, ihre Ueberzeugung mit der nöthigen Feſtigkeit zu behaupten.
Zunächſt kam es hiebei auf den vornehmſten von ihnen an, auf welchen die Andern blickten, und den auch der Kaiſer am härteſten anging, den Churfürſten Johann von Sachſen.
Churfürſt Johann von Sachſen, der letzte von den vier trefflichen Söhnen des Churfürſten Ernſt, die einſt zu Grimma mit großer Sorgfalt zu geiſtlichen oder weltlichen Reichswürden erzogen worden, der Stammvater des noch heute in mannichfaltigen Zweigen blühenden erneſtiniſchen Hauſes, beſaß nicht die politiſche Genialität ſeines Bruders Friedrich, deſſen feinen durchdringenden Geiſt; dagegen zeigte er ſich von Jugend auf gutmüthig und treuherzig, ohne alles Falſch — wie Luther ſagt, ohne Galle, aber dabei erfüllt von dem ſittlichen Ernſt, der einer ſo einfachen Seele erſt ihren Werth verleiht. Man weiß nicht an- ders, als daß er bis zu ſeiner Vermählung in ſeinem 32ſten Lebensjahre vollkommen keuſch gelebt hat. 1 Die rauſchenden ritterlichen Feſtlichkeiten, an denen er zuwei- len am Hofe Maximilians Theil nahm, obwohl auch er ſich dabei hervorthat, befriedigten ihn doch nicht; er meinte ſpäter, von dieſen Tagen ſey doch auch keiner ohne irgend ein Herzeleid vergangen. 2 Man ſieht, für Vergnügun-
1 Spalatin von Herzog Hanſen zu Sachſen Churfuͤrſten in Struve’s neu eroͤffnetem Archiv III, 16, leider weit unergiebiger, als deſſelben Verfaſſers Nachricht uͤber Friedrich d. W.
2 Eine Aeußerung von ihm in Beckmanns Anhaltiſcher Ge- ſchichte II, V, p. 140.
17*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0275"n="259"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Widerſtand</hi>.</fw><lb/>
jorität gegenüber, ohne durch einen haltbaren Bund auch<lb/>
nur unter einander geſichert zu ſeyn, ihre Ueberzeugung mit<lb/>
der nöthigen Feſtigkeit zu behaupten.</p><lb/><p>Zunächſt kam es hiebei auf den vornehmſten von<lb/>
ihnen an, auf welchen die Andern blickten, und den auch<lb/>
der Kaiſer am härteſten anging, den Churfürſten Johann<lb/>
von Sachſen.</p><lb/><p>Churfürſt Johann von Sachſen, der letzte von den<lb/>
vier trefflichen Söhnen des Churfürſten Ernſt, die einſt zu<lb/>
Grimma mit großer Sorgfalt zu geiſtlichen oder weltlichen<lb/>
Reichswürden erzogen worden, der Stammvater des noch<lb/>
heute in mannichfaltigen Zweigen blühenden erneſtiniſchen<lb/>
Hauſes, beſaß nicht die politiſche Genialität ſeines Bruders<lb/>
Friedrich, deſſen feinen durchdringenden Geiſt; dagegen zeigte<lb/>
er ſich von Jugend auf gutmüthig und treuherzig, ohne<lb/>
alles Falſch — wie Luther ſagt, ohne Galle, aber dabei<lb/>
erfüllt von dem ſittlichen Ernſt, der einer ſo einfachen<lb/>
Seele erſt ihren Werth verleiht. Man weiß nicht an-<lb/>
ders, als daß er bis zu ſeiner Vermählung in ſeinem<lb/>
32ſten Lebensjahre vollkommen keuſch gelebt hat. <noteplace="foot"n="1">Spalatin von Herzog Hanſen zu Sachſen Churfuͤrſten in<lb/>
Struve’s neu eroͤffnetem Archiv <hirendition="#aq">III,</hi> 16, leider weit unergiebiger, als<lb/>
deſſelben Verfaſſers Nachricht uͤber Friedrich d. W.</note> Die<lb/>
rauſchenden ritterlichen Feſtlichkeiten, an denen er zuwei-<lb/>
len am Hofe Maximilians Theil nahm, obwohl auch er<lb/>ſich dabei hervorthat, befriedigten ihn doch nicht; er meinte<lb/>ſpäter, von dieſen Tagen ſey doch auch keiner ohne irgend<lb/>
ein Herzeleid vergangen. <noteplace="foot"n="2">Eine Aeußerung von ihm in Beckmanns Anhaltiſcher Ge-<lb/>ſchichte <hirendition="#aq">II, V, p.</hi> 140.</note> Man ſieht, für Vergnügun-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">17*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[259/0275]
Widerſtand.
jorität gegenüber, ohne durch einen haltbaren Bund auch
nur unter einander geſichert zu ſeyn, ihre Ueberzeugung mit
der nöthigen Feſtigkeit zu behaupten.
Zunächſt kam es hiebei auf den vornehmſten von
ihnen an, auf welchen die Andern blickten, und den auch
der Kaiſer am härteſten anging, den Churfürſten Johann
von Sachſen.
Churfürſt Johann von Sachſen, der letzte von den
vier trefflichen Söhnen des Churfürſten Ernſt, die einſt zu
Grimma mit großer Sorgfalt zu geiſtlichen oder weltlichen
Reichswürden erzogen worden, der Stammvater des noch
heute in mannichfaltigen Zweigen blühenden erneſtiniſchen
Hauſes, beſaß nicht die politiſche Genialität ſeines Bruders
Friedrich, deſſen feinen durchdringenden Geiſt; dagegen zeigte
er ſich von Jugend auf gutmüthig und treuherzig, ohne
alles Falſch — wie Luther ſagt, ohne Galle, aber dabei
erfüllt von dem ſittlichen Ernſt, der einer ſo einfachen
Seele erſt ihren Werth verleiht. Man weiß nicht an-
ders, als daß er bis zu ſeiner Vermählung in ſeinem
32ſten Lebensjahre vollkommen keuſch gelebt hat. 1 Die
rauſchenden ritterlichen Feſtlichkeiten, an denen er zuwei-
len am Hofe Maximilians Theil nahm, obwohl auch er
ſich dabei hervorthat, befriedigten ihn doch nicht; er meinte
ſpäter, von dieſen Tagen ſey doch auch keiner ohne irgend
ein Herzeleid vergangen. 2 Man ſieht, für Vergnügun-
1 Spalatin von Herzog Hanſen zu Sachſen Churfuͤrſten in
Struve’s neu eroͤffnetem Archiv III, 16, leider weit unergiebiger, als
deſſelben Verfaſſers Nachricht uͤber Friedrich d. W.
2 Eine Aeußerung von ihm in Beckmanns Anhaltiſcher Ge-
ſchichte II, V, p. 140.
17*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/275>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.