Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Fünftes Buch. Achtes Capitel. Er versäumte nicht, die Uebergriffe seines Adels zu verhin-dern: so mild und gutmüthig er war, so ließ er sich doch keine ungerechte Begünstigung abgewinnen; er tadelte an sei- nem Sohn, daß derselbe seiner Umgebung wohl mehr als billig Gehör gebe. In alle dem hatte nun Luther den größ- ten Einfluß auf ihn: Luther wußte die inneren Motive, welche diese Seele beherrschten, zur rechten Zeit in Anre- gung zu bringen, und in frischem Bewußtseyn zu erhalten. So geschah denn auch unter Johanns Vortritt die Pro- testation, die der ganzen Partei Namen und Weltstellung gegeben hat. Denn wo Recht und Religion auf seiner Seite war, da hatte er kein Bedenken. Da führte auch er wohl das Sprichwort: "gradaus giebt einen guten Ren- ner." -- Eine zur Zurückgezogenheit geneigte, friedfertige, anspruchlose Natur, in der aber durch ein großes Vorha- ben eine Entschlossenheit und Thatkraft geweckt waren, die sich demselben vollkommen gewachsen zeigten. Hier zu Augsburg hatte nun Churfürst Johann die Er fühlte eine natürliche reichsfürstliche Verehrung für Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. Er verſäumte nicht, die Uebergriffe ſeines Adels zu verhin-dern: ſo mild und gutmüthig er war, ſo ließ er ſich doch keine ungerechte Begünſtigung abgewinnen; er tadelte an ſei- nem Sohn, daß derſelbe ſeiner Umgebung wohl mehr als billig Gehör gebe. In alle dem hatte nun Luther den größ- ten Einfluß auf ihn: Luther wußte die inneren Motive, welche dieſe Seele beherrſchten, zur rechten Zeit in Anre- gung zu bringen, und in friſchem Bewußtſeyn zu erhalten. So geſchah denn auch unter Johanns Vortritt die Pro- teſtation, die der ganzen Partei Namen und Weltſtellung gegeben hat. Denn wo Recht und Religion auf ſeiner Seite war, da hatte er kein Bedenken. Da führte auch er wohl das Sprichwort: „gradaus giebt einen guten Ren- ner.“ — Eine zur Zurückgezogenheit geneigte, friedfertige, anſpruchloſe Natur, in der aber durch ein großes Vorha- ben eine Entſchloſſenheit und Thatkraft geweckt waren, die ſich demſelben vollkommen gewachſen zeigten. Hier zu Augsburg hatte nun Churfürſt Johann die Er fühlte eine natürliche reichsfürſtliche Verehrung für <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0278" n="262"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel</hi>.</fw><lb/> Er verſäumte nicht, die Uebergriffe ſeines Adels zu verhin-<lb/> dern: ſo mild und gutmüthig er war, ſo ließ er ſich doch<lb/> keine ungerechte Begünſtigung abgewinnen; er tadelte an ſei-<lb/> nem Sohn, daß derſelbe ſeiner Umgebung wohl mehr als<lb/> billig Gehör gebe. In alle dem hatte nun Luther den größ-<lb/> ten Einfluß auf ihn: Luther wußte die inneren Motive,<lb/> welche dieſe Seele beherrſchten, zur rechten Zeit in Anre-<lb/> gung zu bringen, und in friſchem Bewußtſeyn zu erhalten.<lb/> So geſchah denn auch unter Johanns Vortritt die Pro-<lb/> teſtation, die der ganzen Partei Namen und Weltſtellung<lb/> gegeben hat. Denn wo Recht und Religion auf ſeiner<lb/> Seite war, da hatte er kein Bedenken. Da führte auch<lb/> er wohl das Sprichwort: „gradaus giebt einen guten Ren-<lb/> ner.“ — Eine zur Zurückgezogenheit geneigte, friedfertige,<lb/> anſpruchloſe Natur, in der aber durch ein großes Vorha-<lb/> ben eine Entſchloſſenheit und Thatkraft geweckt waren, die<lb/> ſich demſelben vollkommen gewachſen zeigten.</p><lb/> <p>Hier zu Augsburg hatte nun Churfürſt Johann die<lb/> Prüfung zu beſtehen, ob dieſe Geſinnung wahres gediegenes<lb/> Gold ſey, oder auch mit Schlacken vermiſcht.</p><lb/> <p>Er fühlte eine natürliche reichsfürſtliche Verehrung für<lb/> den Kaiſer, nnd anfangs zweifelte er nicht, dieſe mit ſeiner<lb/> religiöſen Ueberzeugung ohne Schwierigkeit vereinigen zu<lb/> können. Sehr bald aber ſah man ein, daß das unmöglich<lb/> ſeyn werde, und um die Gefahr wenigſtens zunächſt von<lb/> dem Haupte des Fürſten abzuwenden, kamen einige ſeiner<lb/> Gelehrten auf den alten Gedanken zurück, daß er ſich<lb/> ihrer nicht annehmen, ſie für ſich ſelbſt ſtehen laſſen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [262/0278]
Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
Er verſäumte nicht, die Uebergriffe ſeines Adels zu verhin-
dern: ſo mild und gutmüthig er war, ſo ließ er ſich doch
keine ungerechte Begünſtigung abgewinnen; er tadelte an ſei-
nem Sohn, daß derſelbe ſeiner Umgebung wohl mehr als
billig Gehör gebe. In alle dem hatte nun Luther den größ-
ten Einfluß auf ihn: Luther wußte die inneren Motive,
welche dieſe Seele beherrſchten, zur rechten Zeit in Anre-
gung zu bringen, und in friſchem Bewußtſeyn zu erhalten.
So geſchah denn auch unter Johanns Vortritt die Pro-
teſtation, die der ganzen Partei Namen und Weltſtellung
gegeben hat. Denn wo Recht und Religion auf ſeiner
Seite war, da hatte er kein Bedenken. Da führte auch
er wohl das Sprichwort: „gradaus giebt einen guten Ren-
ner.“ — Eine zur Zurückgezogenheit geneigte, friedfertige,
anſpruchloſe Natur, in der aber durch ein großes Vorha-
ben eine Entſchloſſenheit und Thatkraft geweckt waren, die
ſich demſelben vollkommen gewachſen zeigten.
Hier zu Augsburg hatte nun Churfürſt Johann die
Prüfung zu beſtehen, ob dieſe Geſinnung wahres gediegenes
Gold ſey, oder auch mit Schlacken vermiſcht.
Er fühlte eine natürliche reichsfürſtliche Verehrung für
den Kaiſer, nnd anfangs zweifelte er nicht, dieſe mit ſeiner
religiöſen Ueberzeugung ohne Schwierigkeit vereinigen zu
können. Sehr bald aber ſah man ein, daß das unmöglich
ſeyn werde, und um die Gefahr wenigſtens zunächſt von
dem Haupte des Fürſten abzuwenden, kamen einige ſeiner
Gelehrten auf den alten Gedanken zurück, daß er ſich
ihrer nicht annehmen, ſie für ſich ſelbſt ſtehen laſſen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |