Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Fünftes Buch. Erstes Capitel. Natur; er wollte nur die Mißbräuche der Verwaltung ab-gestellt wissen: wie das frühere Könige und Kaiser so oft verlangt, Glapio noch zuletzt in Worms gerathen: aber au- genscheinlich ist doch, daß die beiden Gedanken sich gegen- seitig unterstützen. Ueberdieß aber, welch eine neue Aussicht für die weltliche Macht des Kaisers, wenn er den Kirchen- staat bis auf ein so fernes unbestimmtes Ziel in Händen be- hielt! So hatte Ferdinand vor Kurzem das Bisthum Brixen bis auf eine künftige Vereinbarung besetzt und die Meinung erweckt, er wolle es auf immer behalten. So überließ in eben diesem Jahr der Bischof von Utrecht, durch seinen kriegerischen Nachbar von Geldern verjagt, alle Rechte der weltlichen Herrschaft über sein Bisthum gegen eine jähr- liche Geldzahlung an die niederländische Regierung des Kaisers. 1 Nicht anders schien es jetzt der größten geist- lichen Pfründe dem Kirchenstaat selbst gehn zu müssen. Man glaubte, der Kaiser werde seinen Sitz in Rom nehmen, die Weltlichkeit des Kirchenstaats für sich behalten und den Papst absetzen oder wegführen. Was sollte man auch denken, wenn der Kaiser den Herzog von Ferrara einmal ohne Rückhalt aufforderte die Herstellung der verjagten Dy- nasten im Kirchenstaat zu unternehmen, der Sassatelli in Imola, der Bentivogli in Bologna. Der Vicekönig von Neapel hat wirklich dem spanischen Obersten Alarcon, dem die Hut des Papstes in der Engelsburg übertragen war, den Vorschlag gemacht, denselben nach Gaeta zu bringen. Alarcon schlug es jedoch ab, "nicht aus bösem Willen", 1 Die Unterhandlungen von Schoonhoven (October 1527)
erhellen aus dem Vortrag in der Versammlung der holländischen Stände bei Wagenaar II, 349. Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel. Natur; er wollte nur die Mißbräuche der Verwaltung ab-geſtellt wiſſen: wie das frühere Könige und Kaiſer ſo oft verlangt, Glapio noch zuletzt in Worms gerathen: aber au- genſcheinlich iſt doch, daß die beiden Gedanken ſich gegen- ſeitig unterſtützen. Ueberdieß aber, welch eine neue Ausſicht für die weltliche Macht des Kaiſers, wenn er den Kirchen- ſtaat bis auf ein ſo fernes unbeſtimmtes Ziel in Händen be- hielt! So hatte Ferdinand vor Kurzem das Bisthum Brixen bis auf eine künftige Vereinbarung beſetzt und die Meinung erweckt, er wolle es auf immer behalten. So überließ in eben dieſem Jahr der Biſchof von Utrecht, durch ſeinen kriegeriſchen Nachbar von Geldern verjagt, alle Rechte der weltlichen Herrſchaft über ſein Bisthum gegen eine jähr- liche Geldzahlung an die niederländiſche Regierung des Kaiſers. 1 Nicht anders ſchien es jetzt der größten geiſt- lichen Pfründe dem Kirchenſtaat ſelbſt gehn zu müſſen. Man glaubte, der Kaiſer werde ſeinen Sitz in Rom nehmen, die Weltlichkeit des Kirchenſtaats für ſich behalten und den Papſt abſetzen oder wegführen. Was ſollte man auch denken, wenn der Kaiſer den Herzog von Ferrara einmal ohne Rückhalt aufforderte die Herſtellung der verjagten Dy- naſten im Kirchenſtaat zu unternehmen, der Saſſatelli in Imola, der Bentivogli in Bologna. Der Vicekönig von Neapel hat wirklich dem ſpaniſchen Oberſten Alarcon, dem die Hut des Papſtes in der Engelsburg übertragen war, den Vorſchlag gemacht, denſelben nach Gaëta zu bringen. Alarcon ſchlug es jedoch ab, „nicht aus böſem Willen“, 1 Die Unterhandlungen von Schoonhoven (October 1527)
erhellen aus dem Vortrag in der Verſammlung der hollaͤndiſchen Staͤnde bei Wagenaar II, 349. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> Natur; er wollte nur die Mißbräuche der Verwaltung ab-<lb/> geſtellt wiſſen: wie das frühere Könige und Kaiſer ſo oft<lb/> verlangt, Glapio noch zuletzt in Worms gerathen: aber au-<lb/> genſcheinlich iſt doch, daß die beiden Gedanken ſich gegen-<lb/> ſeitig unterſtützen. Ueberdieß aber, welch eine neue Ausſicht<lb/> für die weltliche Macht des Kaiſers, wenn er den Kirchen-<lb/> ſtaat bis auf ein ſo fernes unbeſtimmtes Ziel in Händen be-<lb/> hielt! So hatte Ferdinand vor Kurzem das Bisthum Brixen<lb/> bis auf eine künftige Vereinbarung beſetzt und die Meinung<lb/> erweckt, er wolle es auf immer behalten. So überließ in<lb/> eben dieſem Jahr der Biſchof von Utrecht, durch ſeinen<lb/> kriegeriſchen Nachbar von Geldern verjagt, alle Rechte der<lb/> weltlichen Herrſchaft über ſein Bisthum gegen eine jähr-<lb/> liche Geldzahlung an die niederländiſche Regierung des<lb/> Kaiſers. <note place="foot" n="1">Die Unterhandlungen von Schoonhoven (October 1527)<lb/> erhellen aus dem Vortrag in der Verſammlung der hollaͤndiſchen<lb/> Staͤnde bei Wagenaar <hi rendition="#aq">II,</hi> 349.</note> Nicht anders ſchien es jetzt der größten geiſt-<lb/> lichen Pfründe dem Kirchenſtaat ſelbſt gehn zu müſſen. Man<lb/> glaubte, der Kaiſer werde ſeinen Sitz in Rom nehmen, die<lb/> Weltlichkeit des Kirchenſtaats für ſich behalten und den<lb/> Papſt abſetzen oder wegführen. Was ſollte man auch<lb/> denken, wenn der Kaiſer den Herzog von Ferrara einmal<lb/> ohne Rückhalt aufforderte die Herſtellung der verjagten Dy-<lb/> naſten im Kirchenſtaat zu unternehmen, der Saſſatelli in<lb/> Imola, der Bentivogli in Bologna. Der Vicekönig von<lb/> Neapel hat wirklich dem ſpaniſchen Oberſten Alarcon, dem<lb/> die Hut des Papſtes in der Engelsburg übertragen war,<lb/> den Vorſchlag gemacht, denſelben nach Ga<hi rendition="#aq">ë</hi>ta zu bringen.<lb/> Alarcon ſchlug es jedoch ab, „nicht aus böſem Willen“,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0028]
Fuͤnftes Buch. Erſtes Capitel.
Natur; er wollte nur die Mißbräuche der Verwaltung ab-
geſtellt wiſſen: wie das frühere Könige und Kaiſer ſo oft
verlangt, Glapio noch zuletzt in Worms gerathen: aber au-
genſcheinlich iſt doch, daß die beiden Gedanken ſich gegen-
ſeitig unterſtützen. Ueberdieß aber, welch eine neue Ausſicht
für die weltliche Macht des Kaiſers, wenn er den Kirchen-
ſtaat bis auf ein ſo fernes unbeſtimmtes Ziel in Händen be-
hielt! So hatte Ferdinand vor Kurzem das Bisthum Brixen
bis auf eine künftige Vereinbarung beſetzt und die Meinung
erweckt, er wolle es auf immer behalten. So überließ in
eben dieſem Jahr der Biſchof von Utrecht, durch ſeinen
kriegeriſchen Nachbar von Geldern verjagt, alle Rechte der
weltlichen Herrſchaft über ſein Bisthum gegen eine jähr-
liche Geldzahlung an die niederländiſche Regierung des
Kaiſers. 1 Nicht anders ſchien es jetzt der größten geiſt-
lichen Pfründe dem Kirchenſtaat ſelbſt gehn zu müſſen. Man
glaubte, der Kaiſer werde ſeinen Sitz in Rom nehmen, die
Weltlichkeit des Kirchenſtaats für ſich behalten und den
Papſt abſetzen oder wegführen. Was ſollte man auch
denken, wenn der Kaiſer den Herzog von Ferrara einmal
ohne Rückhalt aufforderte die Herſtellung der verjagten Dy-
naſten im Kirchenſtaat zu unternehmen, der Saſſatelli in
Imola, der Bentivogli in Bologna. Der Vicekönig von
Neapel hat wirklich dem ſpaniſchen Oberſten Alarcon, dem
die Hut des Papſtes in der Engelsburg übertragen war,
den Vorſchlag gemacht, denſelben nach Gaëta zu bringen.
Alarcon ſchlug es jedoch ab, „nicht aus böſem Willen“,
1 Die Unterhandlungen von Schoonhoven (October 1527)
erhellen aus dem Vortrag in der Verſammlung der hollaͤndiſchen
Staͤnde bei Wagenaar II, 349.
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