Spruchs, verlaßt Euch auf mich, ich habe die Welt über- wunden."
"Der Herr wohnt im Nebel; im Dunkel hat er seine Zuflucht. Man sieht nicht wer er ist, aber er wirds seyn, so werden wirs sehen."
"Und sollten wir ja nicht würdig seyn, so wird es durch Andre geschehen. -- Haben etwa unsre Vorfahren gemacht, daß wir sind, was wir sind. Gott allein macht es, wel- cher der Schöpfer seyn wird nach uns wie vor uns, wie er es mit uns ist. Denn nicht mit uns wird er sterben, der Gott, der die Gedanken regiert. Werden die Feinde mich umbringen, so werde ich schon besser gerächt werden als ich wünschte; es wird Einer seyn, der da spricht: wo ist Abel dein Bruder."
In dieser Stimmung sind alle seine Briefe in diesen Tagen geschrieben. Nie war ein Mensch von dem Gefühl der Unmittelbarkeit des göttlichen Wesens lebendiger durch- drungen. Er kannte die ewigen, siegreichen Mächte, in deren Dienst er stand, er kannte sie, wie sie sich geoffen- bart und rief sie bei ihren Namen. Er trotzte auf das Wort, das sie in den Psalmen oder in dem Evangelium dem menschlichen Geschlechte gegeben.
Er sprach mit Gott, wie mit einem gegenwärtigen Herrn und Vater. Sein Amanuensis in Coburg hörte ihn einst unbemerkt, als er einsam betete. "Ich weiß daß du unser Gott bist, daß du die Verfolger der Deinen zer- stören wirst; thätest du es nicht, so gäbst du deine eigene Sache auf; sie ist nicht unser, wir sind nur gezwungen dazu getreten; du mußt sie auch vertheidigen." Er betete
Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
Spruchs, verlaßt Euch auf mich, ich habe die Welt über- wunden.“
„Der Herr wohnt im Nebel; im Dunkel hat er ſeine Zuflucht. Man ſieht nicht wer er iſt, aber er wirds ſeyn, ſo werden wirs ſehen.“
„Und ſollten wir ja nicht würdig ſeyn, ſo wird es durch Andre geſchehen. — Haben etwa unſre Vorfahren gemacht, daß wir ſind, was wir ſind. Gott allein macht es, wel- cher der Schöpfer ſeyn wird nach uns wie vor uns, wie er es mit uns iſt. Denn nicht mit uns wird er ſterben, der Gott, der die Gedanken regiert. Werden die Feinde mich umbringen, ſo werde ich ſchon beſſer gerächt werden als ich wünſchte; es wird Einer ſeyn, der da ſpricht: wo iſt Abel dein Bruder.“
In dieſer Stimmung ſind alle ſeine Briefe in dieſen Tagen geſchrieben. Nie war ein Menſch von dem Gefühl der Unmittelbarkeit des göttlichen Weſens lebendiger durch- drungen. Er kannte die ewigen, ſiegreichen Mächte, in deren Dienſt er ſtand, er kannte ſie, wie ſie ſich geoffen- bart und rief ſie bei ihren Namen. Er trotzte auf das Wort, das ſie in den Pſalmen oder in dem Evangelium dem menſchlichen Geſchlechte gegeben.
Er ſprach mit Gott, wie mit einem gegenwärtigen Herrn und Vater. Sein Amanuenſis in Coburg hörte ihn einſt unbemerkt, als er einſam betete. „Ich weiß daß du unſer Gott biſt, daß du die Verfolger der Deinen zer- ſtören wirſt; thäteſt du es nicht, ſo gäbſt du deine eigene Sache auf; ſie iſt nicht unſer, wir ſind nur gezwungen dazu getreten; du mußt ſie auch vertheidigen.“ Er betete
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Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
Spruchs, verlaßt Euch auf mich, ich habe die Welt über-
wunden.“
„Der Herr wohnt im Nebel; im Dunkel hat er ſeine
Zuflucht. Man ſieht nicht wer er iſt, aber er wirds ſeyn,
ſo werden wirs ſehen.“
„Und ſollten wir ja nicht würdig ſeyn, ſo wird es durch
Andre geſchehen. — Haben etwa unſre Vorfahren gemacht,
daß wir ſind, was wir ſind. Gott allein macht es, wel-
cher der Schöpfer ſeyn wird nach uns wie vor uns, wie
er es mit uns iſt. Denn nicht mit uns wird er ſterben,
der Gott, der die Gedanken regiert. Werden die Feinde
mich umbringen, ſo werde ich ſchon beſſer gerächt werden
als ich wünſchte; es wird Einer ſeyn, der da ſpricht: wo
iſt Abel dein Bruder.“
In dieſer Stimmung ſind alle ſeine Briefe in dieſen
Tagen geſchrieben. Nie war ein Menſch von dem Gefühl
der Unmittelbarkeit des göttlichen Weſens lebendiger durch-
drungen. Er kannte die ewigen, ſiegreichen Mächte, in
deren Dienſt er ſtand, er kannte ſie, wie ſie ſich geoffen-
bart und rief ſie bei ihren Namen. Er trotzte auf das
Wort, das ſie in den Pſalmen oder in dem Evangelium
dem menſchlichen Geſchlechte gegeben.
Er ſprach mit Gott, wie mit einem gegenwärtigen
Herrn und Vater. Sein Amanuenſis in Coburg hörte ihn
einſt unbemerkt, als er einſam betete. „Ich weiß daß
du unſer Gott biſt, daß du die Verfolger der Deinen zer-
ſtören wirſt; thäteſt du es nicht, ſo gäbſt du deine eigene
Sache auf; ſie iſt nicht unſer, wir ſind nur gezwungen
dazu getreten; du mußt ſie auch vertheidigen.“ Er betete
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/284>, abgerufen am 24.11.2024.
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