Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Sechstes Buch. Drittes Capitel.

Eben so wenig aber wollte auch er nun die Meinung
zugeben, die man lutherischer Seits hegte, daß von den
Oberländern nichts als Brod und Wein im Abendmahl
angenommen werde. Auf dem Reichstag von Augsburg
sahen sich die vier Städte, wie wir wissen, genöthigt, da
man ihre Mitunterzeichnung der sächsischen Confession ab-
schlug, ein eignes Bekenntniß einzugeben. Butzer, der an
der Abfassung desselben den vornehmsten Antheil hatte,
wählte solche Ausdrücke, welche jenen Vorwurf ferner un-
möglich machten. In dem 18ten Artikel der "Bekenntniß
der vier Frei- und Reichsstädte, Strasburg, Constanz,
Memmingen und Lindau," oder der sogenannten Tetrapo-
litana, heißt es: "der Herr gebe in dem Sacrament seinen
wahren Leib und sein wahres Blut wahrlich zu essen und
zu trinken zur Speise der Seelen, zum ewigen Leben." 2
Man sieht, das Wort "wahr" ist recht mit Absicht wie-
derholt, ohne daß man doch darum die geistige Bedeutung
des Genusses fallen ließe.

Denn eben darauf beruhte die Vermittelungsidee Bu-
tzers, daß auch Luther den Leib nicht räumlich in das Brot
einschließen wolle, sondern nur eine sacramentale Einheit
des Leibes und Blutes Christi mit dem Brot und Wein
annehme; und daß hinwieder der geistige Genuß die wahr-
hafte Anwesenheit des Leibes Christi nicht aufhebe. In so
fern als Luther dem Leibe Christi eine geistigere Wesenheit
1

2 Zuerst gedruckt 1531; mit einer Apologie Bucers, in wel-
cher Hospinian, ein eifriger Zwinglianer, die vera et orthodoxa sen-
tentia de coena domini
findet. Historia sacramentaria II, 221.
1 Vergleichung Doctor Luthers und seines Gegentheyls -- Dia-
logus 1528.
Sechstes Buch. Drittes Capitel.

Eben ſo wenig aber wollte auch er nun die Meinung
zugeben, die man lutheriſcher Seits hegte, daß von den
Oberländern nichts als Brod und Wein im Abendmahl
angenommen werde. Auf dem Reichstag von Augsburg
ſahen ſich die vier Städte, wie wir wiſſen, genöthigt, da
man ihre Mitunterzeichnung der ſächſiſchen Confeſſion ab-
ſchlug, ein eignes Bekenntniß einzugeben. Butzer, der an
der Abfaſſung deſſelben den vornehmſten Antheil hatte,
wählte ſolche Ausdrücke, welche jenen Vorwurf ferner un-
möglich machten. In dem 18ten Artikel der „Bekenntniß
der vier Frei- und Reichsſtädte, Strasburg, Conſtanz,
Memmingen und Lindau,“ oder der ſogenannten Tetrapo-
litana, heißt es: „der Herr gebe in dem Sacrament ſeinen
wahren Leib und ſein wahres Blut wahrlich zu eſſen und
zu trinken zur Speiſe der Seelen, zum ewigen Leben.“ 2
Man ſieht, das Wort „wahr“ iſt recht mit Abſicht wie-
derholt, ohne daß man doch darum die geiſtige Bedeutung
des Genuſſes fallen ließe.

Denn eben darauf beruhte die Vermittelungsidee Bu-
tzers, daß auch Luther den Leib nicht räumlich in das Brot
einſchließen wolle, ſondern nur eine ſacramentale Einheit
des Leibes und Blutes Chriſti mit dem Brot und Wein
annehme; und daß hinwieder der geiſtige Genuß die wahr-
hafte Anweſenheit des Leibes Chriſti nicht aufhebe. In ſo
fern als Luther dem Leibe Chriſti eine geiſtigere Weſenheit
1

2 Zuerſt gedruckt 1531; mit einer Apologie Bucers, in wel-
cher Hospinian, ein eifriger Zwinglianer, die vera et orthodoxa sen-
tentia de coena domini
findet. Historia sacramentaria II, 221.
1 Vergleichung Doctor Luthers und ſeines Gegentheyls — Dia-
logus 1528.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0360" n="344"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
          <p>Eben &#x017F;o wenig aber wollte auch er nun die Meinung<lb/>
zugeben, die man lutheri&#x017F;cher Seits hegte, daß von den<lb/>
Oberländern nichts als Brod und Wein im Abendmahl<lb/>
angenommen werde. Auf dem Reichstag von Augsburg<lb/>
&#x017F;ahen &#x017F;ich die vier Städte, wie wir wi&#x017F;&#x017F;en, genöthigt, da<lb/>
man ihre Mitunterzeichnung der &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen Confe&#x017F;&#x017F;ion ab-<lb/>
&#x017F;chlug, ein eignes Bekenntniß einzugeben. Butzer, der an<lb/>
der Abfa&#x017F;&#x017F;ung de&#x017F;&#x017F;elben den vornehm&#x017F;ten Antheil hatte,<lb/>
wählte &#x017F;olche Ausdrücke, welche jenen Vorwurf ferner un-<lb/>
möglich machten. In dem 18ten Artikel der &#x201E;Bekenntniß<lb/>
der vier Frei- und Reichs&#x017F;tädte, Strasburg, Con&#x017F;tanz,<lb/>
Memmingen und Lindau,&#x201C; oder der &#x017F;ogenannten Tetrapo-<lb/>
litana, heißt es: &#x201E;der Herr gebe in dem Sacrament &#x017F;einen<lb/>
wahren Leib und &#x017F;ein wahres Blut wahrlich zu e&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
zu trinken zur Spei&#x017F;e der Seelen, zum ewigen Leben.&#x201C; <note place="foot" n="2">Zuer&#x017F;t gedruckt 1531; mit einer Apologie Bucers, in wel-<lb/>
cher Hospinian, ein eifriger Zwinglianer, die <hi rendition="#aq">vera et orthodoxa sen-<lb/>
tentia de coena domini</hi> findet. <hi rendition="#aq">Historia sacramentaria II,</hi> 221.</note><lb/>
Man &#x017F;ieht, das Wort &#x201E;wahr&#x201C; i&#x017F;t recht mit Ab&#x017F;icht wie-<lb/>
derholt, ohne daß man doch darum die gei&#x017F;tige Bedeutung<lb/>
des Genu&#x017F;&#x017F;es fallen ließe.</p><lb/>
          <p>Denn eben darauf beruhte die Vermittelungsidee Bu-<lb/>
tzers, daß auch Luther den Leib nicht räumlich in das Brot<lb/>
ein&#x017F;chließen wolle, &#x017F;ondern nur eine &#x017F;acramentale Einheit<lb/>
des Leibes und Blutes Chri&#x017F;ti mit dem Brot und Wein<lb/>
annehme; und daß hinwieder der gei&#x017F;tige Genuß die wahr-<lb/>
hafte Anwe&#x017F;enheit des Leibes Chri&#x017F;ti nicht aufhebe. In &#x017F;o<lb/>
fern als Luther dem Leibe Chri&#x017F;ti eine gei&#x017F;tigere We&#x017F;enheit<lb/><note place="foot" n="1">Vergleichung Doctor Luthers und &#x017F;eines Gegentheyls &#x2014; Dia-<lb/>
logus 1528.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0360] Sechstes Buch. Drittes Capitel. Eben ſo wenig aber wollte auch er nun die Meinung zugeben, die man lutheriſcher Seits hegte, daß von den Oberländern nichts als Brod und Wein im Abendmahl angenommen werde. Auf dem Reichstag von Augsburg ſahen ſich die vier Städte, wie wir wiſſen, genöthigt, da man ihre Mitunterzeichnung der ſächſiſchen Confeſſion ab- ſchlug, ein eignes Bekenntniß einzugeben. Butzer, der an der Abfaſſung deſſelben den vornehmſten Antheil hatte, wählte ſolche Ausdrücke, welche jenen Vorwurf ferner un- möglich machten. In dem 18ten Artikel der „Bekenntniß der vier Frei- und Reichsſtädte, Strasburg, Conſtanz, Memmingen und Lindau,“ oder der ſogenannten Tetrapo- litana, heißt es: „der Herr gebe in dem Sacrament ſeinen wahren Leib und ſein wahres Blut wahrlich zu eſſen und zu trinken zur Speiſe der Seelen, zum ewigen Leben.“ 2 Man ſieht, das Wort „wahr“ iſt recht mit Abſicht wie- derholt, ohne daß man doch darum die geiſtige Bedeutung des Genuſſes fallen ließe. Denn eben darauf beruhte die Vermittelungsidee Bu- tzers, daß auch Luther den Leib nicht räumlich in das Brot einſchließen wolle, ſondern nur eine ſacramentale Einheit des Leibes und Blutes Chriſti mit dem Brot und Wein annehme; und daß hinwieder der geiſtige Genuß die wahr- hafte Anweſenheit des Leibes Chriſti nicht aufhebe. In ſo fern als Luther dem Leibe Chriſti eine geiſtigere Weſenheit 1 2 Zuerſt gedruckt 1531; mit einer Apologie Bucers, in wel- cher Hospinian, ein eifriger Zwinglianer, die vera et orthodoxa sen- tentia de coena domini findet. Historia sacramentaria II, 221. 1 Vergleichung Doctor Luthers und ſeines Gegentheyls — Dia- logus 1528.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/360
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/360>, abgerufen am 16.06.2024.