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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Viertes Capitel.
wurde gleich damals das Verhältniß der beiden Bekenntnisse
im Ganzen so festgestellt, wie es dann die folgenden Jahr-
hunderte ausgehalten.

Selbst auf die evangelischen Cantone wirkten die Ideen
der Restauration zurück. Die Constafel in Zürich trat wie-
der in die verlornen Rechte ein. Man war schon zufrie-
den, wenn nur der Katholicismus sich nicht wieder regte.
Der große Rath mußte der Landschaft Versicherungen ge-
ben, durch die er sich nicht wenig beschränkte.

Der Krieg hatte nur anderthalb Monate gedauert, aber
er hatte die Zukunft der Schweiz vollkommen umgewan-
delt. In Bullingers Chronik findet sich am Schluß eine
kurze Zusammenstellung dessen, was beabsichtigt worden,
und dessen was wirklich eingetreten war. Gewollt hatte
man die einhellige Einführung des Evangeliums, die Er-
niedrigung der Oligarchen, die Abschaffung der Mehrheit
der fünf Orte; der Erfolg war, daß die neue Lehre in
vielen Gegenden, wo sie schon herrschte, ausgerottet, das
Papstthum dagegen wieder hergestellt wurde, daß die fünf
Orte nunmehr erst zu einem vollen Uebergewicht gelang-
ten, die Oligarchen mehr vermochten als jemals. 1 "Die
Ehrbarkeit ist zerrüttet, ein muthwillig Regiment ist ange-
richtet worden," sagt Bullinger: -- "des Herrn Rath-
schläge sind wunderbar."


1 Bullinger III, 353. Den Zustand schildert besonders ein
Aufsatz, den Leo Judä zu seiner Rechtfertigung verfaßte. "Es sind
zwo große Parteien in Zürich, die eine wil Gottes wort schirmen und
aller Gerechtigkeit wieder herfür helfen, die andere wil alle unerbar-
keit pflantzen und das Wort Gottes ußrüthen, das Bapstthum wie-
der aufrichten, wieder kriegen und pensionen nemen. Da wil nun die
Frommen bedunken, daß die Partei allweg mehr Gunst und Förde-
rung habe denn sie."

Sechstes Buch. Viertes Capitel.
wurde gleich damals das Verhältniß der beiden Bekenntniſſe
im Ganzen ſo feſtgeſtellt, wie es dann die folgenden Jahr-
hunderte ausgehalten.

Selbſt auf die evangeliſchen Cantone wirkten die Ideen
der Reſtauration zurück. Die Conſtafel in Zürich trat wie-
der in die verlornen Rechte ein. Man war ſchon zufrie-
den, wenn nur der Katholicismus ſich nicht wieder regte.
Der große Rath mußte der Landſchaft Verſicherungen ge-
ben, durch die er ſich nicht wenig beſchränkte.

Der Krieg hatte nur anderthalb Monate gedauert, aber
er hatte die Zukunft der Schweiz vollkommen umgewan-
delt. In Bullingers Chronik findet ſich am Schluß eine
kurze Zuſammenſtellung deſſen, was beabſichtigt worden,
und deſſen was wirklich eingetreten war. Gewollt hatte
man die einhellige Einführung des Evangeliums, die Er-
niedrigung der Oligarchen, die Abſchaffung der Mehrheit
der fünf Orte; der Erfolg war, daß die neue Lehre in
vielen Gegenden, wo ſie ſchon herrſchte, ausgerottet, das
Papſtthum dagegen wieder hergeſtellt wurde, daß die fünf
Orte nunmehr erſt zu einem vollen Uebergewicht gelang-
ten, die Oligarchen mehr vermochten als jemals. 1 „Die
Ehrbarkeit iſt zerrüttet, ein muthwillig Regiment iſt ange-
richtet worden,“ ſagt Bullinger: — „des Herrn Rath-
ſchläge ſind wunderbar.“


1 Bullinger III, 353. Den Zuſtand ſchildert beſonders ein
Aufſatz, den Leo Judaͤ zu ſeiner Rechtfertigung verfaßte. „Es ſind
zwo große Parteien in Zuͤrich, die eine wil Gottes wort ſchirmen und
aller Gerechtigkeit wieder herfuͤr helfen, die andere wil alle unerbar-
keit pflantzen und das Wort Gottes ußruͤthen, das Bapſtthum wie-
der aufrichten, wieder kriegen und penſionen nemen. Da wil nun die
Frommen bedunken, daß die Partei allweg mehr Gunſt und Foͤrde-
rung habe denn ſie.“
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[374/0390] Sechstes Buch. Viertes Capitel. wurde gleich damals das Verhältniß der beiden Bekenntniſſe im Ganzen ſo feſtgeſtellt, wie es dann die folgenden Jahr- hunderte ausgehalten. Selbſt auf die evangeliſchen Cantone wirkten die Ideen der Reſtauration zurück. Die Conſtafel in Zürich trat wie- der in die verlornen Rechte ein. Man war ſchon zufrie- den, wenn nur der Katholicismus ſich nicht wieder regte. Der große Rath mußte der Landſchaft Verſicherungen ge- ben, durch die er ſich nicht wenig beſchränkte. Der Krieg hatte nur anderthalb Monate gedauert, aber er hatte die Zukunft der Schweiz vollkommen umgewan- delt. In Bullingers Chronik findet ſich am Schluß eine kurze Zuſammenſtellung deſſen, was beabſichtigt worden, und deſſen was wirklich eingetreten war. Gewollt hatte man die einhellige Einführung des Evangeliums, die Er- niedrigung der Oligarchen, die Abſchaffung der Mehrheit der fünf Orte; der Erfolg war, daß die neue Lehre in vielen Gegenden, wo ſie ſchon herrſchte, ausgerottet, das Papſtthum dagegen wieder hergeſtellt wurde, daß die fünf Orte nunmehr erſt zu einem vollen Uebergewicht gelang- ten, die Oligarchen mehr vermochten als jemals. 1 „Die Ehrbarkeit iſt zerrüttet, ein muthwillig Regiment iſt ange- richtet worden,“ ſagt Bullinger: — „des Herrn Rath- ſchläge ſind wunderbar.“ 1 Bullinger III, 353. Den Zuſtand ſchildert beſonders ein Aufſatz, den Leo Judaͤ zu ſeiner Rechtfertigung verfaßte. „Es ſind zwo große Parteien in Zuͤrich, die eine wil Gottes wort ſchirmen und aller Gerechtigkeit wieder herfuͤr helfen, die andere wil alle unerbar- keit pflantzen und das Wort Gottes ußruͤthen, das Bapſtthum wie- der aufrichten, wieder kriegen und penſionen nemen. Da wil nun die Frommen bedunken, daß die Partei allweg mehr Gunſt und Foͤrde- rung habe denn ſie.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/390>, abgerufen am 24.11.2024.