den verschiedenen Pfarren aufgestellt, welche die Sache durch- setzten; in Göttingen kam es zu einem Aufruhr, da die Vorsteher der Gemeinde ihr anfangs selbst Widerpart hiel- ten; in Eimbeck bequemte sich der Rath auf Andringen der Gemeinde eben die Prediger wieder zu berufen, welche er auf Bitte der Chorherrn vor kurzem entfernt hatte.
Wir erinnern uns der heftigen Bewegungen, welche 1510--16 in allen Städten, auch in den niederdeutschen ausgebrochen waren. Jetzt entstand die Frage, in wie fern der religiöse Impuls sich mit dieser demokratischen Regung vereinigen, ob nicht alsdann eine vorzugsweise politische Tendenz die Oberherrschaft bekommen werde.
In dieser Hinsicht finden wir nun einen großen Un- terschied unter den Städten.
Es gab solche, wo sich Rath und Gemeinde noch zur rechten Zeit vereinigten. Da wurden die Städtever- fassungen erst während der Bewegungen wahrhaft stark. Denn nicht allein, daß sie sich des Einflusses der fremden Prälaten, der ihnen immer beschwerlich gewesen, entledigten, sondern durch die Verwaltung der Kirchenangelegenheiten und der Kirchengüter, die ihnen zufiel, bekamen sie auch ein gemeinschaftliches Interesse, das sie noch enger verei- nigte. In Magdeburg bildeten sich aus Mitgliedern des bisherigen Rathes und den neugewählten Vorstehern der Gemeinden die Kirchencollegien aus, 1 welche der ohnehin etwas demokratischen Stadtverfassung noch eine neue Stärke verliehen. Ohne Zweifel am merkwürdigsten ist in dieser Hinsicht Hamburg. Man folgte auch hier dem Rathe Lu-
1 Vgl. Rathmann IV, II, 28.
Ref. in d. niederdeutſch. Staͤdten. Hamburg.
den verſchiedenen Pfarren aufgeſtellt, welche die Sache durch- ſetzten; in Göttingen kam es zu einem Aufruhr, da die Vorſteher der Gemeinde ihr anfangs ſelbſt Widerpart hiel- ten; in Eimbeck bequemte ſich der Rath auf Andringen der Gemeinde eben die Prediger wieder zu berufen, welche er auf Bitte der Chorherrn vor kurzem entfernt hatte.
Wir erinnern uns der heftigen Bewegungen, welche 1510—16 in allen Städten, auch in den niederdeutſchen ausgebrochen waren. Jetzt entſtand die Frage, in wie fern der religiöſe Impuls ſich mit dieſer demokratiſchen Regung vereinigen, ob nicht alsdann eine vorzugsweiſe politiſche Tendenz die Oberherrſchaft bekommen werde.
In dieſer Hinſicht finden wir nun einen großen Un- terſchied unter den Städten.
Es gab ſolche, wo ſich Rath und Gemeinde noch zur rechten Zeit vereinigten. Da wurden die Städtever- faſſungen erſt während der Bewegungen wahrhaft ſtark. Denn nicht allein, daß ſie ſich des Einfluſſes der fremden Prälaten, der ihnen immer beſchwerlich geweſen, entledigten, ſondern durch die Verwaltung der Kirchenangelegenheiten und der Kirchengüter, die ihnen zufiel, bekamen ſie auch ein gemeinſchaftliches Intereſſe, das ſie noch enger verei- nigte. In Magdeburg bildeten ſich aus Mitgliedern des bisherigen Rathes und den neugewählten Vorſtehern der Gemeinden die Kirchencollegien aus, 1 welche der ohnehin etwas demokratiſchen Stadtverfaſſung noch eine neue Stärke verliehen. Ohne Zweifel am merkwürdigſten iſt in dieſer Hinſicht Hamburg. Man folgte auch hier dem Rathe Lu-
1 Vgl. Rathmann IV, II, 28.
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Ref. in d. niederdeutſch. Staͤdten. Hamburg.
den verſchiedenen Pfarren aufgeſtellt, welche die Sache durch-
ſetzten; in Göttingen kam es zu einem Aufruhr, da die
Vorſteher der Gemeinde ihr anfangs ſelbſt Widerpart hiel-
ten; in Eimbeck bequemte ſich der Rath auf Andringen der
Gemeinde eben die Prediger wieder zu berufen, welche er
auf Bitte der Chorherrn vor kurzem entfernt hatte.
Wir erinnern uns der heftigen Bewegungen, welche
1510—16 in allen Städten, auch in den niederdeutſchen
ausgebrochen waren. Jetzt entſtand die Frage, in wie fern
der religiöſe Impuls ſich mit dieſer demokratiſchen Regung
vereinigen, ob nicht alsdann eine vorzugsweiſe politiſche
Tendenz die Oberherrſchaft bekommen werde.
In dieſer Hinſicht finden wir nun einen großen Un-
terſchied unter den Städten.
Es gab ſolche, wo ſich Rath und Gemeinde noch
zur rechten Zeit vereinigten. Da wurden die Städtever-
faſſungen erſt während der Bewegungen wahrhaft ſtark.
Denn nicht allein, daß ſie ſich des Einfluſſes der fremden
Prälaten, der ihnen immer beſchwerlich geweſen, entledigten,
ſondern durch die Verwaltung der Kirchenangelegenheiten
und der Kirchengüter, die ihnen zufiel, bekamen ſie auch
ein gemeinſchaftliches Intereſſe, das ſie noch enger verei-
nigte. In Magdeburg bildeten ſich aus Mitgliedern des
bisherigen Rathes und den neugewählten Vorſtehern der
Gemeinden die Kirchencollegien aus, 1 welche der ohnehin
etwas demokratiſchen Stadtverfaſſung noch eine neue Stärke
verliehen. Ohne Zweifel am merkwürdigſten iſt in dieſer
Hinſicht Hamburg. Man folgte auch hier dem Rathe Lu-
1 Vgl. Rathmann IV, II, 28.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/397>, abgerufen am 24.11.2024.
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