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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Sechstes Capitel.
noch auf Erden hatte, den Kaiser Carl, in dem sich, so weit
dieß noch möglich, die Kraft des Abendlandes darstellte.

Ein Venezianischer Chronist hat uns eine Beschreibung
dieses Auszugs hinterlassen, die noch an den Pomp der
ältesten orientalischen Herrscher erinnert. 1

Hundertundzwanzig Stücke Geschütz eröffneten ihn;
dann folgten 8000 Janitscharen, denen man das Vergnügen
ansah, das es ihnen machte, gegen die Deutschen geführt
zu werden; 2 hinter denen trugen Schaaren von Cameelen
ein unermeßliches Gepäck. Hierauf kamen die Sipahi der
Pforte, 2000 Pferde stark; ihnen war die heilige Fahne
anvertraut, der Adler des Propheten, die schon bei der
Eroberung von Rhodus geweht, mit Edelsteinen und Per-
len auf das reichste geschmückt. An diese schlossen sich
die jungen Knaben an, die eben als ein Tribut der unter-
worfenen christlichen Bevölkerung ausgehoben worden, und
an der Pforte ihre Erziehung bekamen; in Goldstoff ge-
kleidet, mit langen Locken wie die Frauen, rothe Hüte
mit weißen Federbüschen auf dem Kopf, alle mit gleichen,
auf die Weise von Damascus künstlich gearbeiteten Lan-
zen. Hinter denen ward die Krone des Sultans getragen,
die vor Kurzem ein Sanuto von S. Canzian zu Venedig
für 120000 Ducaten nach Constantinopel gebracht hatte.
Dann erblickte man das unmittelbare Hofgesinde des Sul-
tans, tausend Männer, die schönsten Leute die man hatte
finden können, von gigantischer Gestalt; die Einen hat-

1 Avviso venuto di Ragusi di un nuovo esercito messo
da Solimano per ritornar una secunda volta alla citta di Vienna
l'anno nuovo
1532 in der Chronica Ven. welche Guazzo benutzt, aber
doch sehr frei.
2 marchiando con gran solazzo verso Vienna.

Sechstes Buch. Sechstes Capitel.
noch auf Erden hatte, den Kaiſer Carl, in dem ſich, ſo weit
dieß noch möglich, die Kraft des Abendlandes darſtellte.

Ein Venezianiſcher Chroniſt hat uns eine Beſchreibung
dieſes Auszugs hinterlaſſen, die noch an den Pomp der
älteſten orientaliſchen Herrſcher erinnert. 1

Hundertundzwanzig Stücke Geſchütz eröffneten ihn;
dann folgten 8000 Janitſcharen, denen man das Vergnügen
anſah, das es ihnen machte, gegen die Deutſchen geführt
zu werden; 2 hinter denen trugen Schaaren von Cameelen
ein unermeßliches Gepäck. Hierauf kamen die Sipahi der
Pforte, 2000 Pferde ſtark; ihnen war die heilige Fahne
anvertraut, der Adler des Propheten, die ſchon bei der
Eroberung von Rhodus geweht, mit Edelſteinen und Per-
len auf das reichſte geſchmückt. An dieſe ſchloſſen ſich
die jungen Knaben an, die eben als ein Tribut der unter-
worfenen chriſtlichen Bevölkerung ausgehoben worden, und
an der Pforte ihre Erziehung bekamen; in Goldſtoff ge-
kleidet, mit langen Locken wie die Frauen, rothe Hüte
mit weißen Federbüſchen auf dem Kopf, alle mit gleichen,
auf die Weiſe von Damascus künſtlich gearbeiteten Lan-
zen. Hinter denen ward die Krone des Sultans getragen,
die vor Kurzem ein Sanuto von S. Canzian zu Venedig
für 120000 Ducaten nach Conſtantinopel gebracht hatte.
Dann erblickte man das unmittelbare Hofgeſinde des Sul-
tans, tauſend Männer, die ſchönſten Leute die man hatte
finden können, von gigantiſcher Geſtalt; die Einen hat-

1 Avviso venuto di Ragusi di un nuovo esercito messo
da Solimano per ritornar una secunda volta alla citta di Vienna
l’anno nuovo
1532 in der Chronica Ven. welche Guazzo benutzt, aber
doch ſehr frei.
2 marchiando con gran solazzo verso Vienna.
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[408/0424] Sechstes Buch. Sechstes Capitel. noch auf Erden hatte, den Kaiſer Carl, in dem ſich, ſo weit dieß noch möglich, die Kraft des Abendlandes darſtellte. Ein Venezianiſcher Chroniſt hat uns eine Beſchreibung dieſes Auszugs hinterlaſſen, die noch an den Pomp der älteſten orientaliſchen Herrſcher erinnert. 1 Hundertundzwanzig Stücke Geſchütz eröffneten ihn; dann folgten 8000 Janitſcharen, denen man das Vergnügen anſah, das es ihnen machte, gegen die Deutſchen geführt zu werden; 2 hinter denen trugen Schaaren von Cameelen ein unermeßliches Gepäck. Hierauf kamen die Sipahi der Pforte, 2000 Pferde ſtark; ihnen war die heilige Fahne anvertraut, der Adler des Propheten, die ſchon bei der Eroberung von Rhodus geweht, mit Edelſteinen und Per- len auf das reichſte geſchmückt. An dieſe ſchloſſen ſich die jungen Knaben an, die eben als ein Tribut der unter- worfenen chriſtlichen Bevölkerung ausgehoben worden, und an der Pforte ihre Erziehung bekamen; in Goldſtoff ge- kleidet, mit langen Locken wie die Frauen, rothe Hüte mit weißen Federbüſchen auf dem Kopf, alle mit gleichen, auf die Weiſe von Damascus künſtlich gearbeiteten Lan- zen. Hinter denen ward die Krone des Sultans getragen, die vor Kurzem ein Sanuto von S. Canzian zu Venedig für 120000 Ducaten nach Conſtantinopel gebracht hatte. Dann erblickte man das unmittelbare Hofgeſinde des Sul- tans, tauſend Männer, die ſchönſten Leute die man hatte finden können, von gigantiſcher Geſtalt; die Einen hat- 1 Avviso venuto di Ragusi di un nuovo esercito messo da Solimano per ritornar una secunda volta alla citta di Vienna l’anno nuovo 1532 in der Chronica Ven. welche Guazzo benutzt, aber doch ſehr frei. 2 marchiando con gran solazzo verso Vienna.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/424>, abgerufen am 24.11.2024.