Bemerken wir nun, daß dieß die Stipulationen des Ehe- vertrags waren, so wird wohl höchst wahrscheinlich, daß die Besprechungen in Marseille eben die Vollziehung desselben zur Absicht hatten. Wie sollte es nicht auch dem Papst erwünscht seyn, seine Nichte als mächtige italienische Für- stin zu begrüßen?
Den Kaiser brauchte er wegen seiner Annäherung an Frankreich nicht sogleich zu fürchten; wir werden sehen, wie er demselben durch Erfüllung seiner Wünsche in der englischen Sache doch wieder die Hände band, ja seiner Politik eine andere Richtung zu geben suchte.
Es fragte sich nur, wie man ihn in den italienischen Angelegenheiten zur Nachgebigkeit nöthigen wollte, ob durch offene Gewalt oder durch indirecte Mittel.
Die Versicherung des venezianischen Gesandten ist, daß der Papst das erste abgelehnt, aber zu dem letzten seine Zustimmung gegeben habe.
Nachdem die politische Opposition gegen das Haus Oestreich, welches dem katholischen Europa zuletzt mit den Waffen seinen Willen aufgenöthigt hatte, einen Augenblick beschwichtigt gewesen, erwachte sie wieder, und nahm die alten Pläne auf. Der Gedanke des Papstes und des Kö- nigs war, sich zunächst fremder Feindseligkeiten zu ihrem Zwecke zu bedienen.
Der venezianische Gesandte urtheilt, daß in Marseille auch von einer Bewegung von Seiten der Osmanen die Rede gewesen sey, doch will er es nicht behaupten; ohne allen Zweifel dagegen versichert er, daß eine Erhebung der Waffen in Deutschland hier berathen worden sey. Auch
Sechstes Buch. Siebentes Capitel.
Bemerken wir nun, daß dieß die Stipulationen des Ehe- vertrags waren, ſo wird wohl höchſt wahrſcheinlich, daß die Beſprechungen in Marſeille eben die Vollziehung deſſelben zur Abſicht hatten. Wie ſollte es nicht auch dem Papſt erwünſcht ſeyn, ſeine Nichte als mächtige italieniſche Für- ſtin zu begrüßen?
Den Kaiſer brauchte er wegen ſeiner Annäherung an Frankreich nicht ſogleich zu fürchten; wir werden ſehen, wie er demſelben durch Erfüllung ſeiner Wünſche in der engliſchen Sache doch wieder die Hände band, ja ſeiner Politik eine andere Richtung zu geben ſuchte.
Es fragte ſich nur, wie man ihn in den italieniſchen Angelegenheiten zur Nachgebigkeit nöthigen wollte, ob durch offene Gewalt oder durch indirecte Mittel.
Die Verſicherung des venezianiſchen Geſandten iſt, daß der Papſt das erſte abgelehnt, aber zu dem letzten ſeine Zuſtimmung gegeben habe.
Nachdem die politiſche Oppoſition gegen das Haus Oeſtreich, welches dem katholiſchen Europa zuletzt mit den Waffen ſeinen Willen aufgenöthigt hatte, einen Augenblick beſchwichtigt geweſen, erwachte ſie wieder, und nahm die alten Pläne auf. Der Gedanke des Papſtes und des Kö- nigs war, ſich zunächſt fremder Feindſeligkeiten zu ihrem Zwecke zu bedienen.
Der venezianiſche Geſandte urtheilt, daß in Marſeille auch von einer Bewegung von Seiten der Osmanen die Rede geweſen ſey, doch will er es nicht behaupten; ohne allen Zweifel dagegen verſichert er, daß eine Erhebung der Waffen in Deutſchland hier berathen worden ſey. Auch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0462"n="446"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Sechstes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/><p>Bemerken wir nun, daß dieß die Stipulationen des Ehe-<lb/>
vertrags waren, ſo wird wohl höchſt wahrſcheinlich, daß die<lb/>
Beſprechungen in Marſeille eben die Vollziehung deſſelben<lb/>
zur Abſicht hatten. Wie ſollte es nicht auch dem Papſt<lb/>
erwünſcht ſeyn, ſeine Nichte als mächtige italieniſche Für-<lb/>ſtin zu begrüßen?</p><lb/><p>Den Kaiſer brauchte er wegen ſeiner Annäherung an<lb/>
Frankreich nicht ſogleich zu fürchten; wir werden ſehen,<lb/>
wie er demſelben durch Erfüllung ſeiner Wünſche in der<lb/>
engliſchen Sache doch wieder die Hände band, ja ſeiner<lb/>
Politik eine andere Richtung zu geben ſuchte.</p><lb/><p>Es fragte ſich nur, wie man ihn in den italieniſchen<lb/>
Angelegenheiten zur Nachgebigkeit nöthigen wollte, ob durch<lb/>
offene Gewalt oder durch indirecte Mittel.</p><lb/><p>Die Verſicherung des venezianiſchen Geſandten iſt,<lb/>
daß der Papſt das erſte abgelehnt, aber zu dem letzten<lb/>ſeine Zuſtimmung gegeben habe.</p><lb/><p>Nachdem die politiſche Oppoſition gegen das Haus<lb/>
Oeſtreich, welches dem katholiſchen Europa zuletzt mit den<lb/>
Waffen ſeinen Willen aufgenöthigt hatte, einen Augenblick<lb/>
beſchwichtigt geweſen, erwachte ſie wieder, und nahm die<lb/>
alten Pläne auf. Der Gedanke des Papſtes und des Kö-<lb/>
nigs war, ſich zunächſt fremder Feindſeligkeiten zu ihrem<lb/>
Zwecke zu bedienen.</p><lb/><p>Der venezianiſche Geſandte urtheilt, daß in Marſeille<lb/>
auch von einer Bewegung von Seiten der Osmanen die<lb/>
Rede geweſen ſey, doch will er es nicht behaupten; ohne<lb/>
allen Zweifel dagegen verſichert er, daß eine Erhebung der<lb/>
Waffen in Deutſchland hier berathen worden ſey. Auch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[446/0462]
Sechstes Buch. Siebentes Capitel.
Bemerken wir nun, daß dieß die Stipulationen des Ehe-
vertrags waren, ſo wird wohl höchſt wahrſcheinlich, daß die
Beſprechungen in Marſeille eben die Vollziehung deſſelben
zur Abſicht hatten. Wie ſollte es nicht auch dem Papſt
erwünſcht ſeyn, ſeine Nichte als mächtige italieniſche Für-
ſtin zu begrüßen?
Den Kaiſer brauchte er wegen ſeiner Annäherung an
Frankreich nicht ſogleich zu fürchten; wir werden ſehen,
wie er demſelben durch Erfüllung ſeiner Wünſche in der
engliſchen Sache doch wieder die Hände band, ja ſeiner
Politik eine andere Richtung zu geben ſuchte.
Es fragte ſich nur, wie man ihn in den italieniſchen
Angelegenheiten zur Nachgebigkeit nöthigen wollte, ob durch
offene Gewalt oder durch indirecte Mittel.
Die Verſicherung des venezianiſchen Geſandten iſt,
daß der Papſt das erſte abgelehnt, aber zu dem letzten
ſeine Zuſtimmung gegeben habe.
Nachdem die politiſche Oppoſition gegen das Haus
Oeſtreich, welches dem katholiſchen Europa zuletzt mit den
Waffen ſeinen Willen aufgenöthigt hatte, einen Augenblick
beſchwichtigt geweſen, erwachte ſie wieder, und nahm die
alten Pläne auf. Der Gedanke des Papſtes und des Kö-
nigs war, ſich zunächſt fremder Feindſeligkeiten zu ihrem
Zwecke zu bedienen.
Der venezianiſche Geſandte urtheilt, daß in Marſeille
auch von einer Bewegung von Seiten der Osmanen die
Rede geweſen ſey, doch will er es nicht behaupten; ohne
allen Zweifel dagegen verſichert er, daß eine Erhebung der
Waffen in Deutſchland hier berathen worden ſey. Auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/462>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.