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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Achtes Capitel.
des Papstes, in täglichen Unterhandlungen mit demselben
begriffen, als ihm diese Frage vorgelegt ward. Er durfte den
Papst, der ohnehin schwankte, nicht aufs neue beleidigen;
er durfte auch die Majorität der Stände nicht verletzen.
Und doch konnte er auch seinen Stillstand nicht zurück-
nehmen. Er gab eine Entscheidung, dunkel wie ein Orakel-
spruch. "Die Worte unserer Abrede," sagt er, "erstrecken
sich nur auf Religionssachen; was aber Religionssachen
sind, darüber kann keine bessere Erläuterung gegeben wer-
den, als wie es die Sachen selbst mitbringen." 1 Wahr-
scheinlich hat Held, alter Kammergerichtsbeisitzer, der den
Kaiser in Bologna begleitete, diese Erklärung ausgesonnen.
So dunkel sie ist, so läßt sich doch an ihrer Tendenz
nicht zweifeln. Man wünschte das Gericht in seinem Ver-
fahren zu bestärken.

Dahin wirkte dann auch, daß eine Commission, die
im Mai 1533 das Gericht visitirte, die Mitglieder des-
selben aufs neue anwies, den Abschied von Augsburg be-
sonders in Hinsicht auf die Religion zu beobachten. 2

Auf diesen doppelten Anhalt gestützt, kannte nun das
Kammergericht keine Rücksicht weiter. Die Klagen wur-
den angenommen und reproducirt; die Einwendung der
Beklagten, daß das Kammergericht in Religionssachen kein
ordentlicher Richter sey, machte keinen Eindruck; die Klä-

1 26. Jan. 1533. Harpprecht V, 300.
2 "Dem Abschied von Augsburg, sonderlich der christlichen Re-
ligion und Glaubens halber nachzukommen und stracks zu geleben."
Es folgen noch andere Verfügungen über die Präsentation der Bei-
sitzer, wenn die Kreise säumig sind; über die Abkürzung der langen
mündlichen Vorträge. Harpprecht kannte diesen Abschied nicht. Ich
sah ihn im Weim. A.

Sechstes Buch. Achtes Capitel.
des Papſtes, in täglichen Unterhandlungen mit demſelben
begriffen, als ihm dieſe Frage vorgelegt ward. Er durfte den
Papſt, der ohnehin ſchwankte, nicht aufs neue beleidigen;
er durfte auch die Majorität der Stände nicht verletzen.
Und doch konnte er auch ſeinen Stillſtand nicht zurück-
nehmen. Er gab eine Entſcheidung, dunkel wie ein Orakel-
ſpruch. „Die Worte unſerer Abrede,“ ſagt er, „erſtrecken
ſich nur auf Religionsſachen; was aber Religionsſachen
ſind, darüber kann keine beſſere Erläuterung gegeben wer-
den, als wie es die Sachen ſelbſt mitbringen.“ 1 Wahr-
ſcheinlich hat Held, alter Kammergerichtsbeiſitzer, der den
Kaiſer in Bologna begleitete, dieſe Erklärung ausgeſonnen.
So dunkel ſie iſt, ſo läßt ſich doch an ihrer Tendenz
nicht zweifeln. Man wünſchte das Gericht in ſeinem Ver-
fahren zu beſtärken.

Dahin wirkte dann auch, daß eine Commiſſion, die
im Mai 1533 das Gericht viſitirte, die Mitglieder deſ-
ſelben aufs neue anwies, den Abſchied von Augsburg be-
ſonders in Hinſicht auf die Religion zu beobachten. 2

Auf dieſen doppelten Anhalt geſtützt, kannte nun das
Kammergericht keine Rückſicht weiter. Die Klagen wur-
den angenommen und reproducirt; die Einwendung der
Beklagten, daß das Kammergericht in Religionsſachen kein
ordentlicher Richter ſey, machte keinen Eindruck; die Klä-

1 26. Jan. 1533. Harpprecht V, 300.
2 „Dem Abſchied von Augsburg, ſonderlich der chriſtlichen Re-
ligion und Glaubens halber nachzukommen und ſtracks zu geleben.“
Es folgen noch andere Verfuͤgungen uͤber die Praͤſentation der Bei-
ſitzer, wenn die Kreiſe ſaͤumig ſind; uͤber die Abkuͤrzung der langen
muͤndlichen Vortraͤge. Harpprecht kannte dieſen Abſchied nicht. Ich
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[478/0494] Sechstes Buch. Achtes Capitel. des Papſtes, in täglichen Unterhandlungen mit demſelben begriffen, als ihm dieſe Frage vorgelegt ward. Er durfte den Papſt, der ohnehin ſchwankte, nicht aufs neue beleidigen; er durfte auch die Majorität der Stände nicht verletzen. Und doch konnte er auch ſeinen Stillſtand nicht zurück- nehmen. Er gab eine Entſcheidung, dunkel wie ein Orakel- ſpruch. „Die Worte unſerer Abrede,“ ſagt er, „erſtrecken ſich nur auf Religionsſachen; was aber Religionsſachen ſind, darüber kann keine beſſere Erläuterung gegeben wer- den, als wie es die Sachen ſelbſt mitbringen.“ 1 Wahr- ſcheinlich hat Held, alter Kammergerichtsbeiſitzer, der den Kaiſer in Bologna begleitete, dieſe Erklärung ausgeſonnen. So dunkel ſie iſt, ſo läßt ſich doch an ihrer Tendenz nicht zweifeln. Man wünſchte das Gericht in ſeinem Ver- fahren zu beſtärken. Dahin wirkte dann auch, daß eine Commiſſion, die im Mai 1533 das Gericht viſitirte, die Mitglieder deſ- ſelben aufs neue anwies, den Abſchied von Augsburg be- ſonders in Hinſicht auf die Religion zu beobachten. 2 Auf dieſen doppelten Anhalt geſtützt, kannte nun das Kammergericht keine Rückſicht weiter. Die Klagen wur- den angenommen und reproducirt; die Einwendung der Beklagten, daß das Kammergericht in Religionsſachen kein ordentlicher Richter ſey, machte keinen Eindruck; die Klä- 1 26. Jan. 1533. Harpprecht V, 300. 2 „Dem Abſchied von Augsburg, ſonderlich der chriſtlichen Re- ligion und Glaubens halber nachzukommen und ſtracks zu geleben.“ Es folgen noch andere Verfuͤgungen uͤber die Praͤſentation der Bei- ſitzer, wenn die Kreiſe ſaͤumig ſind; uͤber die Abkuͤrzung der langen muͤndlichen Vortraͤge. Harpprecht kannte dieſen Abſchied nicht. Ich ſah ihn im Weim. A.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/494>, abgerufen am 24.11.2024.