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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reformation in Wirtemberg.
menberufen, und nachdem ihnen die Hauptpunkte der evan-
gelischen Lehre vorgehalten worden, aufgefordert, sich zu
erklären, was man von ihnen zu erwarten habe. Nachdem
die östreichische Regierung so viel Mühe angewendet, die
Religionsedicte aufrecht zu erhalten, fanden sich doch selbst
unter den Pfarrern noch immer eine ganze Anzahl, die auf
den ersten Ruf den Evangelischen beitraten. Im Tübinger
Amt waren es sieben; die übrigen zwölf baten sich Bedenk-
zeit aus. Unter diesen Umständen wurden die Cerimonien
ohne alle Schwierigkeit geändert. Die Messe ward an vie-
len Orten von selbst unterlassen, an den andern auf Befehl
abgeschafft. Schnepf stellte eine Form des Abendmahls
auf, mit welcher auch die Oberländer zufrieden waren.

Dann griff man zu den Klöstern. Herzog Ulrich hatte
gar kein Hehl, daß er die Güter "zur Bezahlung der Landes-
schulden und Hinlegung obliegender, unträglicher Beschwer-
den" zu verwenden gedenke. Da er so lange außer Lan-
des gewesen, die Schulden Ferdinands an den schwäbischen
Bund übernommen, kann man sich nicht wundern, wenn
er sich in der größten Geldverlegenheit befand, der er nur
auf diese Weise abhelfen konnte. 2

Durch die in den Kadanschen Frieden aufgenommene
Beschränkung ließ er sich dabei nicht hindern. Die östreichi-
sche Regierung hatte ihm darin selbst vorgearbeitet; sie hatte
auch über Stifte zweifelhafter Unterthänigkeit landesherr-
liche Rechte geltend gemacht, und konnte nicht viel einwen-
den, wenn nun ihr Nachfolger dasselbe that.


1
2 Schnurrer Erläuterungen S. 149 nr. 1.
1 Bericht Ambrosii Blaurers was er mit den Pfaffen Tübin-
ger Amts ausgerichtet; bei Sattler III, Beil. nr. 16.

Reformation in Wirtemberg.
menberufen, und nachdem ihnen die Hauptpunkte der evan-
geliſchen Lehre vorgehalten worden, aufgefordert, ſich zu
erklären, was man von ihnen zu erwarten habe. Nachdem
die öſtreichiſche Regierung ſo viel Mühe angewendet, die
Religionsedicte aufrecht zu erhalten, fanden ſich doch ſelbſt
unter den Pfarrern noch immer eine ganze Anzahl, die auf
den erſten Ruf den Evangeliſchen beitraten. Im Tübinger
Amt waren es ſieben; die übrigen zwölf baten ſich Bedenk-
zeit aus. Unter dieſen Umſtänden wurden die Cerimonien
ohne alle Schwierigkeit geändert. Die Meſſe ward an vie-
len Orten von ſelbſt unterlaſſen, an den andern auf Befehl
abgeſchafft. Schnepf ſtellte eine Form des Abendmahls
auf, mit welcher auch die Oberländer zufrieden waren.

Dann griff man zu den Klöſtern. Herzog Ulrich hatte
gar kein Hehl, daß er die Güter „zur Bezahlung der Landes-
ſchulden und Hinlegung obliegender, unträglicher Beſchwer-
den“ zu verwenden gedenke. Da er ſo lange außer Lan-
des geweſen, die Schulden Ferdinands an den ſchwäbiſchen
Bund übernommen, kann man ſich nicht wundern, wenn
er ſich in der größten Geldverlegenheit befand, der er nur
auf dieſe Weiſe abhelfen konnte. 2

Durch die in den Kadanſchen Frieden aufgenommene
Beſchränkung ließ er ſich dabei nicht hindern. Die öſtreichi-
ſche Regierung hatte ihm darin ſelbſt vorgearbeitet; ſie hatte
auch über Stifte zweifelhafter Unterthänigkeit landesherr-
liche Rechte geltend gemacht, und konnte nicht viel einwen-
den, wenn nun ihr Nachfolger daſſelbe that.


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2 Schnurrer Erlaͤuterungen S. 149 nr. 1.
1 Bericht Ambroſii Blaurers was er mit den Pfaffen Tuͤbin-
ger Amts ausgerichtet; bei Sattler III, Beil. nr. 16.
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[485/0501] Reformation in Wirtemberg. menberufen, und nachdem ihnen die Hauptpunkte der evan- geliſchen Lehre vorgehalten worden, aufgefordert, ſich zu erklären, was man von ihnen zu erwarten habe. Nachdem die öſtreichiſche Regierung ſo viel Mühe angewendet, die Religionsedicte aufrecht zu erhalten, fanden ſich doch ſelbſt unter den Pfarrern noch immer eine ganze Anzahl, die auf den erſten Ruf den Evangeliſchen beitraten. Im Tübinger Amt waren es ſieben; die übrigen zwölf baten ſich Bedenk- zeit aus. Unter dieſen Umſtänden wurden die Cerimonien ohne alle Schwierigkeit geändert. Die Meſſe ward an vie- len Orten von ſelbſt unterlaſſen, an den andern auf Befehl abgeſchafft. Schnepf ſtellte eine Form des Abendmahls auf, mit welcher auch die Oberländer zufrieden waren. Dann griff man zu den Klöſtern. Herzog Ulrich hatte gar kein Hehl, daß er die Güter „zur Bezahlung der Landes- ſchulden und Hinlegung obliegender, unträglicher Beſchwer- den“ zu verwenden gedenke. Da er ſo lange außer Lan- des geweſen, die Schulden Ferdinands an den ſchwäbiſchen Bund übernommen, kann man ſich nicht wundern, wenn er ſich in der größten Geldverlegenheit befand, der er nur auf dieſe Weiſe abhelfen konnte. 2 Durch die in den Kadanſchen Frieden aufgenommene Beſchränkung ließ er ſich dabei nicht hindern. Die öſtreichi- ſche Regierung hatte ihm darin ſelbſt vorgearbeitet; ſie hatte auch über Stifte zweifelhafter Unterthänigkeit landesherr- liche Rechte geltend gemacht, und konnte nicht viel einwen- den, wenn nun ihr Nachfolger daſſelbe that. 1 2 Schnurrer Erlaͤuterungen S. 149 nr. 1. 1 Bericht Ambroſii Blaurers was er mit den Pfaffen Tuͤbin- ger Amts ausgerichtet; bei Sattler III, Beil. nr. 16.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/501>, abgerufen am 22.11.2024.