Frankfurt, obgleich ohne so entschiedenen Einfluß der po- litischen Ereignisse. 1
Ueberhaupt bedarf es weiter keiner Erörterung, daß, wenn die religiöse Meinung durch den Gang der Politik begünstigt wurde, ihr doch auch an und für sich eine große Selbständigkeit zukam: sie hatte die Ereignisse vorbereitet, durch welche sie hinwiederum entbunden ward.
Noch war sie kräftig genug, sich zuweilen in geradem Widerspruch mit dem, was die politische Lage zu fordern schien, geltend zu machen, wie das eben damals in An- halt geschah.
Denn was konnte wohl für die Mehrzahl der anhal- tischen Fürsten, für welche der Eine von ihnen, Fürst Jo- hann, den Reichsabschied von Augsburg unterschrieben, ge- fährlicher seyn, als hievon zurückzutreten, in Widerspruch mit den mächtigen Nachbarn, deren Gunst sie nicht ent- behren konnten, dem Herzog Georg von Sachsen, dem Chur- fürsten Joachim von Brandenburg und dem Erzbischof Al- brecht. Der eine von den Brüdern, Fürst Georg, war geistlich, bereits Dompropst in Magdeburg und in Merse- burg; seine Zukunft schien an das Bestehen der römischen Kirche geknüpft zu seyn. Eben Dieser aber trug zur Ver- änderung gerade das Meiste bei. Er versichert, auch ihm, so nahe er gewesen, habe man doch die lutherische Sache so ungünstig als möglich vorgestellt, gleich als seyen darin gute Werke verboten, gute Ordnungen umgestoßen, alles un- christliche Wesen zugelassen. Allein gar bald habe er sich anders überzeugt. Er habe gefunden, daß bei den Prote-
1 Kirchner Geschichte von Frankfurt II, 84; auf beide Städte komme ich zurück.
Sechstes Buch. Achtes Capitel.
Frankfurt, obgleich ohne ſo entſchiedenen Einfluß der po- litiſchen Ereigniſſe. 1
Ueberhaupt bedarf es weiter keiner Erörterung, daß, wenn die religiöſe Meinung durch den Gang der Politik begünſtigt wurde, ihr doch auch an und für ſich eine große Selbſtändigkeit zukam: ſie hatte die Ereigniſſe vorbereitet, durch welche ſie hinwiederum entbunden ward.
Noch war ſie kräftig genug, ſich zuweilen in geradem Widerſpruch mit dem, was die politiſche Lage zu fordern ſchien, geltend zu machen, wie das eben damals in An- halt geſchah.
Denn was konnte wohl für die Mehrzahl der anhal- tiſchen Fürſten, für welche der Eine von ihnen, Fürſt Jo- hann, den Reichsabſchied von Augsburg unterſchrieben, ge- fährlicher ſeyn, als hievon zurückzutreten, in Widerſpruch mit den mächtigen Nachbarn, deren Gunſt ſie nicht ent- behren konnten, dem Herzog Georg von Sachſen, dem Chur- fürſten Joachim von Brandenburg und dem Erzbiſchof Al- brecht. Der eine von den Brüdern, Fürſt Georg, war geiſtlich, bereits Dompropſt in Magdeburg und in Merſe- burg; ſeine Zukunft ſchien an das Beſtehen der römiſchen Kirche geknüpft zu ſeyn. Eben Dieſer aber trug zur Ver- änderung gerade das Meiſte bei. Er verſichert, auch ihm, ſo nahe er geweſen, habe man doch die lutheriſche Sache ſo ungünſtig als möglich vorgeſtellt, gleich als ſeyen darin gute Werke verboten, gute Ordnungen umgeſtoßen, alles un- chriſtliche Weſen zugelaſſen. Allein gar bald habe er ſich anders überzeugt. Er habe gefunden, daß bei den Prote-
1 Kirchner Geſchichte von Frankfurt II, 84; auf beide Staͤdte komme ich zuruͤck.
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Sechstes Buch. Achtes Capitel.
Frankfurt, obgleich ohne ſo entſchiedenen Einfluß der po-
litiſchen Ereigniſſe. 1
Ueberhaupt bedarf es weiter keiner Erörterung, daß,
wenn die religiöſe Meinung durch den Gang der Politik
begünſtigt wurde, ihr doch auch an und für ſich eine große
Selbſtändigkeit zukam: ſie hatte die Ereigniſſe vorbereitet,
durch welche ſie hinwiederum entbunden ward.
Noch war ſie kräftig genug, ſich zuweilen in geradem
Widerſpruch mit dem, was die politiſche Lage zu fordern
ſchien, geltend zu machen, wie das eben damals in An-
halt geſchah.
Denn was konnte wohl für die Mehrzahl der anhal-
tiſchen Fürſten, für welche der Eine von ihnen, Fürſt Jo-
hann, den Reichsabſchied von Augsburg unterſchrieben, ge-
fährlicher ſeyn, als hievon zurückzutreten, in Widerſpruch
mit den mächtigen Nachbarn, deren Gunſt ſie nicht ent-
behren konnten, dem Herzog Georg von Sachſen, dem Chur-
fürſten Joachim von Brandenburg und dem Erzbiſchof Al-
brecht. Der eine von den Brüdern, Fürſt Georg, war
geiſtlich, bereits Dompropſt in Magdeburg und in Merſe-
burg; ſeine Zukunft ſchien an das Beſtehen der römiſchen
Kirche geknüpft zu ſeyn. Eben Dieſer aber trug zur Ver-
änderung gerade das Meiſte bei. Er verſichert, auch ihm,
ſo nahe er geweſen, habe man doch die lutheriſche Sache
ſo ungünſtig als möglich vorgeſtellt, gleich als ſeyen darin
gute Werke verboten, gute Ordnungen umgeſtoßen, alles un-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/504>, abgerufen am 22.11.2024.
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