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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reform. in Westfalen. Soest.
des Christenthums hielt, mußte endlich den Neuerern wei-
chen, welche die scholastischen Doctrinen aus der Epistel
an die Römer widerlegten. 1

Es waren jedoch nur zwei, drei Orte, wo die Bewe-
gung im Ganzen so friedlich abging; in andern kam es
darüber zu gewaltsamen Ereignissen, z. B. in Soest und
in Paderborn.

In Soest waren die Bürgermeister und Rathsherrn
wider ihren Willen genöthigt worden, die lutherische Predigt
zu gestatten, die augsburgische Confession, eine evangelische
Kirchenordnung anzunehmen. 2 Da sie jedoch im Amte
blieben, konnte es an Reibungen zwischen ihnen und den
Wortführern der evangelischen Partei in der Gemeinde nicht
fehlen. Besonders war ihnen ein Gerber verhaßt, des Na-
mens Schlachtorp, und um ihr wankendes Ansehen we-
nigstens in bürgerlichen Dingen wiederherzustellen, ergriffen
sie die Gelegenheit, beim ersten Exceß, den derselbe mit ein
paar Andern beim Weine beging, -- sie hatten da eigent-
lich nur tapfer geschimpft -- ihn festzunehmen, vor Ge-
richt zu stellen, und was Niemand erwartete, er selbst am
wenigsten, denn sonst hätte er leicht entfliehen können, mit
den Uebrigen zum Tode zu verurtheilen. Da half nun keine
Einrede über die Geringfügigkeit des Vergehens, keine Für-
bitte; der Tag der Hinrichtung ward festgesetzt; um diesen Act
zu schützen, vertraute der Rath den ergebensten unter den Bür-

1 Der andre damals ausgetretene Bürgermeister war Andreas
Kleinsorg, Großvater des Gerhard von Kleinsorgen, der eine west-
fälische Kirchengeschichte im katholischen Sinne verfaßt hat.
2 Den katholischen Geistlichen ward vorgeschrieben "ut ho-
neste viverent -- -- abolita superstitione tantum;"
sie wichen
größtentheils aus der Stadt.

Reform. in Weſtfalen. Soeſt.
des Chriſtenthums hielt, mußte endlich den Neuerern wei-
chen, welche die ſcholaſtiſchen Doctrinen aus der Epiſtel
an die Römer widerlegten. 1

Es waren jedoch nur zwei, drei Orte, wo die Bewe-
gung im Ganzen ſo friedlich abging; in andern kam es
darüber zu gewaltſamen Ereigniſſen, z. B. in Soeſt und
in Paderborn.

In Soeſt waren die Bürgermeiſter und Rathsherrn
wider ihren Willen genöthigt worden, die lutheriſche Predigt
zu geſtatten, die augsburgiſche Confeſſion, eine evangeliſche
Kirchenordnung anzunehmen. 2 Da ſie jedoch im Amte
blieben, konnte es an Reibungen zwiſchen ihnen und den
Wortführern der evangeliſchen Partei in der Gemeinde nicht
fehlen. Beſonders war ihnen ein Gerber verhaßt, des Na-
mens Schlachtorp, und um ihr wankendes Anſehen we-
nigſtens in bürgerlichen Dingen wiederherzuſtellen, ergriffen
ſie die Gelegenheit, beim erſten Exceß, den derſelbe mit ein
paar Andern beim Weine beging, — ſie hatten da eigent-
lich nur tapfer geſchimpft — ihn feſtzunehmen, vor Ge-
richt zu ſtellen, und was Niemand erwartete, er ſelbſt am
wenigſten, denn ſonſt hätte er leicht entfliehen können, mit
den Uebrigen zum Tode zu verurtheilen. Da half nun keine
Einrede über die Geringfügigkeit des Vergehens, keine Für-
bitte; der Tag der Hinrichtung ward feſtgeſetzt; um dieſen Act
zu ſchützen, vertraute der Rath den ergebenſten unter den Bür-

1 Der andre damals ausgetretene Buͤrgermeiſter war Andreas
Kleinſorg, Großvater des Gerhard von Kleinſorgen, der eine weſt-
faͤliſche Kirchengeſchichte im katholiſchen Sinne verfaßt hat.
2 Den katholiſchen Geiſtlichen ward vorgeſchrieben „ut ho-
neste viverent — — abolita superstitione tantum;“
ſie wichen
groͤßtentheils aus der Stadt.
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[493/0509] Reform. in Weſtfalen. Soeſt. des Chriſtenthums hielt, mußte endlich den Neuerern wei- chen, welche die ſcholaſtiſchen Doctrinen aus der Epiſtel an die Römer widerlegten. 1 Es waren jedoch nur zwei, drei Orte, wo die Bewe- gung im Ganzen ſo friedlich abging; in andern kam es darüber zu gewaltſamen Ereigniſſen, z. B. in Soeſt und in Paderborn. In Soeſt waren die Bürgermeiſter und Rathsherrn wider ihren Willen genöthigt worden, die lutheriſche Predigt zu geſtatten, die augsburgiſche Confeſſion, eine evangeliſche Kirchenordnung anzunehmen. 2 Da ſie jedoch im Amte blieben, konnte es an Reibungen zwiſchen ihnen und den Wortführern der evangeliſchen Partei in der Gemeinde nicht fehlen. Beſonders war ihnen ein Gerber verhaßt, des Na- mens Schlachtorp, und um ihr wankendes Anſehen we- nigſtens in bürgerlichen Dingen wiederherzuſtellen, ergriffen ſie die Gelegenheit, beim erſten Exceß, den derſelbe mit ein paar Andern beim Weine beging, — ſie hatten da eigent- lich nur tapfer geſchimpft — ihn feſtzunehmen, vor Ge- richt zu ſtellen, und was Niemand erwartete, er ſelbſt am wenigſten, denn ſonſt hätte er leicht entfliehen können, mit den Uebrigen zum Tode zu verurtheilen. Da half nun keine Einrede über die Geringfügigkeit des Vergehens, keine Für- bitte; der Tag der Hinrichtung ward feſtgeſetzt; um dieſen Act zu ſchützen, vertraute der Rath den ergebenſten unter den Bür- 1 Der andre damals ausgetretene Buͤrgermeiſter war Andreas Kleinſorg, Großvater des Gerhard von Kleinſorgen, der eine weſt- faͤliſche Kirchengeſchichte im katholiſchen Sinne verfaßt hat. 2 Den katholiſchen Geiſtlichen ward vorgeſchrieben „ut ho- neste viverent — — abolita superstitione tantum;“ ſie wichen groͤßtentheils aus der Stadt.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/509>, abgerufen am 22.11.2024.