habe "in dreyen," in drei Perioden seinen Verlauf. Ne- ben das Eine trete ein Andres, so daß das Vorige von dem Gegenwärtigen verdunkelt werde, bis zuletzt ein Drit- tes, nämlich das erscheine, was nicht weiter möge verän- dert werden.
Die erste Lebenszeit der Welt habe mit der Sünd- fluth geendet. Jetzt stehe sie in ihrer zweiten Epoche. Da habe Gott mannichfaltige Mittel ergriffen, die Menschen zu sich zu bekehren, Abraham und die Propheten erschei- nen lassen, Wunderthaten bewiesen, sein Wort schriftlich gegeben, endlich seinen einigen Sohn gesendet, aber alles vergebens; der Mensch wolle die Gerechtigkeit nicht bei sich dulden, viel weniger sie über sich herrschen lassen; da müsse dann der Grimm Gottes, eben wie bei den Zeiten Noä, ausgehen und sich auf den Kopf der Schuldigen entladen, um die dritte Zeit und der ganzen Welt Vollendung hervorzubringen. Dieser Moment sey jetzt gekommen. 1
Von einer andern Seite griff Rothmann in seiner Schrift über zeitliche und irdische Gewalt die Sache an; doch läuft es auf dasselbe hinaus.
Er sagt, Gottes Wille sey gewesen, daß alles nur unter ihm stehe, sich brüderlich vertrage, beständig und lustig unter ihm lebe. Aber durch den Sündenfall sey die gött- liche Ordnung erloschen und eine irdische Gewalt nothwen- dig geworden. Doch auch diese sey böse ihrer Natur nach und werde immer böser. Vier Monarchien habe Gott
1 Von der Verborgenheit des Rykes Christi ende von den Dagen des Herrn Cap. V. bei Arnold Kirchen- und Ketzergeschichte I, 994. Schade daß die letzten sieben Capitel, um ein paar Blät- ter zu sparen, weggelassen worden.
Wiedertaͤuferiſche Ideen.
habe „in dreyen,“ in drei Perioden ſeinen Verlauf. Ne- ben das Eine trete ein Andres, ſo daß das Vorige von dem Gegenwärtigen verdunkelt werde, bis zuletzt ein Drit- tes, nämlich das erſcheine, was nicht weiter möge verän- dert werden.
Die erſte Lebenszeit der Welt habe mit der Sünd- fluth geendet. Jetzt ſtehe ſie in ihrer zweiten Epoche. Da habe Gott mannichfaltige Mittel ergriffen, die Menſchen zu ſich zu bekehren, Abraham und die Propheten erſchei- nen laſſen, Wunderthaten bewieſen, ſein Wort ſchriftlich gegeben, endlich ſeinen einigen Sohn geſendet, aber alles vergebens; der Menſch wolle die Gerechtigkeit nicht bei ſich dulden, viel weniger ſie über ſich herrſchen laſſen; da müſſe dann der Grimm Gottes, eben wie bei den Zeiten Noä, ausgehen und ſich auf den Kopf der Schuldigen entladen, um die dritte Zeit und der ganzen Welt Vollendung hervorzubringen. Dieſer Moment ſey jetzt gekommen. 1
Von einer andern Seite griff Rothmann in ſeiner Schrift über zeitliche und irdiſche Gewalt die Sache an; doch läuft es auf daſſelbe hinaus.
Er ſagt, Gottes Wille ſey geweſen, daß alles nur unter ihm ſtehe, ſich brüderlich vertrage, beſtändig und luſtig unter ihm lebe. Aber durch den Sündenfall ſey die gött- liche Ordnung erloſchen und eine irdiſche Gewalt nothwen- dig geworden. Doch auch dieſe ſey böſe ihrer Natur nach und werde immer böſer. Vier Monarchien habe Gott
1 Von der Verborgenheit des Rykes Chriſti ende von den Dagen des Herrn Cap. V. bei Arnold Kirchen- und Ketzergeſchichte I, 994. Schade daß die letzten ſieben Capitel, um ein paar Blaͤt- ter zu ſparen, weggelaſſen worden.
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Wiedertaͤuferiſche Ideen.
habe „in dreyen,“ in drei Perioden ſeinen Verlauf. Ne-
ben das Eine trete ein Andres, ſo daß das Vorige von
dem Gegenwärtigen verdunkelt werde, bis zuletzt ein Drit-
tes, nämlich das erſcheine, was nicht weiter möge verän-
dert werden.
Die erſte Lebenszeit der Welt habe mit der Sünd-
fluth geendet. Jetzt ſtehe ſie in ihrer zweiten Epoche. Da
habe Gott mannichfaltige Mittel ergriffen, die Menſchen
zu ſich zu bekehren, Abraham und die Propheten erſchei-
nen laſſen, Wunderthaten bewieſen, ſein Wort ſchriftlich
gegeben, endlich ſeinen einigen Sohn geſendet, aber alles
vergebens; der Menſch wolle die Gerechtigkeit nicht bei
ſich dulden, viel weniger ſie über ſich herrſchen laſſen; da
müſſe dann der Grimm Gottes, eben wie bei den Zeiten
Noä, ausgehen und ſich auf den Kopf der Schuldigen
entladen, um die dritte Zeit und der ganzen Welt Vollendung
hervorzubringen. Dieſer Moment ſey jetzt gekommen. 1
Von einer andern Seite griff Rothmann in ſeiner
Schrift über zeitliche und irdiſche Gewalt die Sache an;
doch läuft es auf daſſelbe hinaus.
Er ſagt, Gottes Wille ſey geweſen, daß alles nur
unter ihm ſtehe, ſich brüderlich vertrage, beſtändig und luſtig
unter ihm lebe. Aber durch den Sündenfall ſey die gött-
liche Ordnung erloſchen und eine irdiſche Gewalt nothwen-
dig geworden. Doch auch dieſe ſey böſe ihrer Natur nach
und werde immer böſer. Vier Monarchien habe Gott
1 Von der Verborgenheit des Rykes Chriſti ende von den
Dagen des Herrn Cap. V. bei Arnold Kirchen- und Ketzergeſchichte
I, 994. Schade daß die letzten ſieben Capitel, um ein paar Blaͤt-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/553>, abgerufen am 22.11.2024.
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