Pack, den er nun näher an sich gezogen, an den Woiwoden schickte. Unverweilt begannen die Rüstungen. Die hessischen Truppen versammelten sich bei Herrenbreitungen, die säch- sischen am Thüringer Wald. Ganz Deutschland gerieth in Bewegung.
Die Lage der Dinge in dem evangelischen Deutschland war aber nicht so beschaffen, daß es allein auf den raschen Muth eines oder des andern Fürsten angekommen wäre. Auch die Theologen, vor allen Luther hatten eine Stimme zu füh- ren; und es fragte sich erst, was diese dazu sagen würden.
Luther zweifelte so wenig, wie die Fürsten an der Aecht- heit des Vertrages, den man ihm vorlegte, allein er fand, man werde dadurch noch nicht berechtigt, sofort zu den Waf- fen zu greifen. Dieß stürmische Zuschlagen widerstritt seinen Begriffen von Recht und Sitte. Er meint, man müsse den Fürsten ihr Vorhaben vorhalten und sie bitten, davon ab- zustehn; man müsse sie verklagen und ihre Antwort verneh- men. Sonst könnte ein Fürsten-Aufruhr entstehn, der zur Freude des Satans Deutschland verwüste. Luther ist von Allen, die sich jemals an die Spitze einer Weltbewegung gestellt haben, vielleicht Derjenige, der am wenigsten von Gewalt und Krieg hat wissen wollen. Er hielt dafür, man könne sich vertheidigen, namentlich gegen Fürsten, wie die genannten, welche als die Gleichen seines Herrn nicht dessen Obrigkeit seyen, aber daß man die Waffen zuerst in die Hand nehme, zu einem Angriff schreiten solle, das war über seine Vorstellung. 1 Er wandte den Spruch: selig sind die
1 Bedenken bei de Wette III, 316, nr. 986, 987; ohne Zwei- fel aber noch in den März zu setzen, nicht in den Mai. Sie wer-
Packiſche Haͤndel 1528.
Pack, den er nun näher an ſich gezogen, an den Woiwoden ſchickte. Unverweilt begannen die Rüſtungen. Die heſſiſchen Truppen verſammelten ſich bei Herrenbreitungen, die ſäch- ſiſchen am Thüringer Wald. Ganz Deutſchland gerieth in Bewegung.
Die Lage der Dinge in dem evangeliſchen Deutſchland war aber nicht ſo beſchaffen, daß es allein auf den raſchen Muth eines oder des andern Fürſten angekommen wäre. Auch die Theologen, vor allen Luther hatten eine Stimme zu füh- ren; und es fragte ſich erſt, was dieſe dazu ſagen würden.
Luther zweifelte ſo wenig, wie die Fürſten an der Aecht- heit des Vertrages, den man ihm vorlegte, allein er fand, man werde dadurch noch nicht berechtigt, ſofort zu den Waf- fen zu greifen. Dieß ſtürmiſche Zuſchlagen widerſtritt ſeinen Begriffen von Recht und Sitte. Er meint, man müſſe den Fürſten ihr Vorhaben vorhalten und ſie bitten, davon ab- zuſtehn; man müſſe ſie verklagen und ihre Antwort verneh- men. Sonſt könnte ein Fürſten-Aufruhr entſtehn, der zur Freude des Satans Deutſchland verwüſte. Luther iſt von Allen, die ſich jemals an die Spitze einer Weltbewegung geſtellt haben, vielleicht Derjenige, der am wenigſten von Gewalt und Krieg hat wiſſen wollen. Er hielt dafür, man könne ſich vertheidigen, namentlich gegen Fürſten, wie die genannten, welche als die Gleichen ſeines Herrn nicht deſſen Obrigkeit ſeyen, aber daß man die Waffen zuerſt in die Hand nehme, zu einem Angriff ſchreiten ſolle, das war über ſeine Vorſtellung. 1 Er wandte den Spruch: ſelig ſind die
1 Bedenken bei de Wette III, 316, nr. 986, 987; ohne Zwei- fel aber noch in den Maͤrz zu ſetzen, nicht in den Mai. Sie wer-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0057"n="41"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Packiſche Haͤndel</hi> 1528.</fw><lb/>
Pack, den er nun näher an ſich gezogen, an den Woiwoden<lb/>ſchickte. Unverweilt begannen die Rüſtungen. Die heſſiſchen<lb/>
Truppen verſammelten ſich bei Herrenbreitungen, die ſäch-<lb/>ſiſchen am Thüringer Wald. Ganz Deutſchland gerieth in<lb/>
Bewegung.</p><lb/><p>Die Lage der Dinge in dem evangeliſchen Deutſchland<lb/>
war aber nicht ſo beſchaffen, daß es allein auf den raſchen<lb/>
Muth eines oder des andern Fürſten angekommen wäre. Auch<lb/>
die Theologen, vor allen Luther hatten eine Stimme zu füh-<lb/>
ren; und es fragte ſich erſt, was dieſe dazu ſagen würden.</p><lb/><p>Luther zweifelte ſo wenig, wie die Fürſten an der Aecht-<lb/>
heit des Vertrages, den man ihm vorlegte, allein er fand,<lb/>
man werde dadurch noch nicht berechtigt, ſofort zu den Waf-<lb/>
fen zu greifen. Dieß ſtürmiſche Zuſchlagen widerſtritt ſeinen<lb/>
Begriffen von Recht und Sitte. Er meint, man müſſe den<lb/>
Fürſten ihr Vorhaben vorhalten und ſie bitten, davon ab-<lb/>
zuſtehn; man müſſe ſie verklagen und ihre Antwort verneh-<lb/>
men. Sonſt könnte ein Fürſten-Aufruhr entſtehn, der zur<lb/>
Freude des Satans Deutſchland verwüſte. Luther iſt von<lb/>
Allen, die ſich jemals an die Spitze einer Weltbewegung<lb/>
geſtellt haben, vielleicht Derjenige, der am wenigſten von<lb/>
Gewalt und Krieg hat wiſſen wollen. Er hielt dafür, man<lb/>
könne ſich vertheidigen, namentlich gegen Fürſten, wie die<lb/>
genannten, welche als die Gleichen ſeines Herrn nicht deſſen<lb/>
Obrigkeit ſeyen, aber daß man die Waffen zuerſt in die<lb/>
Hand nehme, zu einem Angriff ſchreiten ſolle, das war über<lb/>ſeine Vorſtellung. <notexml:id="seg2pn_7_1"next="#seg2pn_7_2"place="foot"n="1">Bedenken bei de Wette <hirendition="#aq">III, 316, nr.</hi> 986, 987; ohne Zwei-<lb/>
fel aber noch in den Maͤrz zu ſetzen, nicht in den Mai. Sie wer-</note> Er wandte den Spruch: ſelig ſind die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[41/0057]
Packiſche Haͤndel 1528.
Pack, den er nun näher an ſich gezogen, an den Woiwoden
ſchickte. Unverweilt begannen die Rüſtungen. Die heſſiſchen
Truppen verſammelten ſich bei Herrenbreitungen, die ſäch-
ſiſchen am Thüringer Wald. Ganz Deutſchland gerieth in
Bewegung.
Die Lage der Dinge in dem evangeliſchen Deutſchland
war aber nicht ſo beſchaffen, daß es allein auf den raſchen
Muth eines oder des andern Fürſten angekommen wäre. Auch
die Theologen, vor allen Luther hatten eine Stimme zu füh-
ren; und es fragte ſich erſt, was dieſe dazu ſagen würden.
Luther zweifelte ſo wenig, wie die Fürſten an der Aecht-
heit des Vertrages, den man ihm vorlegte, allein er fand,
man werde dadurch noch nicht berechtigt, ſofort zu den Waf-
fen zu greifen. Dieß ſtürmiſche Zuſchlagen widerſtritt ſeinen
Begriffen von Recht und Sitte. Er meint, man müſſe den
Fürſten ihr Vorhaben vorhalten und ſie bitten, davon ab-
zuſtehn; man müſſe ſie verklagen und ihre Antwort verneh-
men. Sonſt könnte ein Fürſten-Aufruhr entſtehn, der zur
Freude des Satans Deutſchland verwüſte. Luther iſt von
Allen, die ſich jemals an die Spitze einer Weltbewegung
geſtellt haben, vielleicht Derjenige, der am wenigſten von
Gewalt und Krieg hat wiſſen wollen. Er hielt dafür, man
könne ſich vertheidigen, namentlich gegen Fürſten, wie die
genannten, welche als die Gleichen ſeines Herrn nicht deſſen
Obrigkeit ſeyen, aber daß man die Waffen zuerſt in die
Hand nehme, zu einem Angriff ſchreiten ſolle, das war über
ſeine Vorſtellung. 1 Er wandte den Spruch: ſelig ſind die
1 Bedenken bei de Wette III, 316, nr. 986, 987; ohne Zwei-
fel aber noch in den Maͤrz zu ſetzen, nicht in den Mai. Sie wer-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/57>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.