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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
dert hinter einer Wagenburg an der St. Michaelskapelle
so tapfer, daß man sich entschloß, mit ihnen Vertrag zu
schließen. So viel ich finde, ist ihnen der nicht gehalten
worden. Man sagte ihnen, sie sollten nach Hause gehn;
wenn dann der Bischof komme, so wolle man weiter in
der Sache handeln. Wohl wahr, daß dieser ihnen das Le-
ben schwerlich geschenkt haben würde. Aber die durch ihre
Verluste erbitterten Landsknechte waren nicht dahin zu brin-
gen, dieß zu erwarten; sie stürzten den Abziehenden in die
Häuser nach; man konnte ihrer Metzelei nur mit Mühe
Einhalt thun, und auch dann ward den Hinrichtungen le-
diglich etwas mehr Form gegeben. 1


1 Ich folge hier wie bei der Erzählung der Eroberung über-
haupt einer Flugschrift: Warhafftiger bericht der wunderbarlichen
Handlung der Dueffer zu Münster in Westvalen, wie sich alle sachen
nach eroberung der stat und in der eroberung zugetragen, die noch
vor der Execution des Jan von Leiden geschrieben worden; sie hat
sein Bildniß in Holz. Anders erzählt jedoch Kersenbroik. "Donan-
tur vita et positis armis urbe protinus praeeuntibus quibusdam
militiae ducibus exire jubentur. Cum vero liberum exeundi com-
meatum impetrassent multi eorum ad aedes suorum necessariorum
forte aliquid inde allaturi sese subducunt atque iter ab aliis ad
exeundum paratis sponte sua divelluntur, ubi cum longiorem mo-
ram fecissent, jam tuto egressos eodem certe commeatu confisi
fine ducibus subsequi contendunt, qui a militibus intercepti mac-
tantur.
Ich lasse Jedem sein Urtheil, doch sieht das fast wie eine
Beschönigung und Entschuldigung aus. Jener älteste Bericht sagt:
ward auf beiden partheien so vil gehandlet das ein yetlicher solt wi-
der heim in sein haus ziehen, bis auf die Zukunft des bischofs des
gnädigen herrn, dann solt weiter in den sachen gehandlet werden.
Darauff ward jenen glauben zugesagt und zoch ein yetlicher wieder
heim in sein haus. Als aber die landsknecht großen merklichen scha-
den empfangen -- fielen sie mit grimmigem zorn in die heuser und
wo sie der einen funden, rissen sies mit den köpfen aus den heusern
auf die straßen howens zu stucken stechns all zu todt. Kurz demnach
ward umbgeschlagen daz man kein mer todtschlagen solt etc.

Sechstes Buch. Neuntes Capitel.
dert hinter einer Wagenburg an der St. Michaelskapelle
ſo tapfer, daß man ſich entſchloß, mit ihnen Vertrag zu
ſchließen. So viel ich finde, iſt ihnen der nicht gehalten
worden. Man ſagte ihnen, ſie ſollten nach Hauſe gehn;
wenn dann der Biſchof komme, ſo wolle man weiter in
der Sache handeln. Wohl wahr, daß dieſer ihnen das Le-
ben ſchwerlich geſchenkt haben würde. Aber die durch ihre
Verluſte erbitterten Landsknechte waren nicht dahin zu brin-
gen, dieß zu erwarten; ſie ſtürzten den Abziehenden in die
Häuſer nach; man konnte ihrer Metzelei nur mit Mühe
Einhalt thun, und auch dann ward den Hinrichtungen le-
diglich etwas mehr Form gegeben. 1


1 Ich folge hier wie bei der Erzaͤhlung der Eroberung uͤber-
haupt einer Flugſchrift: Warhafftiger bericht der wunderbarlichen
Handlung der Dueffer zu Muͤnſter in Weſtvalen, wie ſich alle ſachen
nach eroberung der ſtat und in der eroberung zugetragen, die noch
vor der Execution des Jan von Leiden geſchrieben worden; ſie hat
ſein Bildniß in Holz. Anders erzaͤhlt jedoch Kerſenbroik. „Donan-
tur vita et positis armis urbe protinus praeeuntibus quibusdam
militiae ducibus exire jubentur. Cum vero liberum exeundi com-
meatum impetrassent multi eorum ad aedes suorum necessariorum
forte aliquid inde allaturi sese subducunt atque iter ab aliis ad
exeundum paratis sponte sua divelluntur, ubi cum longiorem mo-
ram fecissent, jam tuto egressos eodem certe commeatu confisi
fine ducibus subsequi contendunt, qui a militibus intercepti mac-
tantur.
Ich laſſe Jedem ſein Urtheil, doch ſieht das faſt wie eine
Beſchoͤnigung und Entſchuldigung aus. Jener aͤlteſte Bericht ſagt:
ward auf beiden partheien ſo vil gehandlet das ein yetlicher ſolt wi-
der heim in ſein haus ziehen, bis auf die Zukunft des biſchofs des
gnaͤdigen herrn, dann ſolt weiter in den ſachen gehandlet werden.
Darauff ward jenen glauben zugeſagt und zoch ein yetlicher wieder
heim in ſein haus. Als aber die landsknecht großen merklichen ſcha-
den empfangen — fielen ſie mit grimmigem zorn in die heuſer und
wo ſie der einen funden, riſſen ſies mit den koͤpfen aus den heuſern
auf die ſtraßen howens zu ſtucken ſtechns all zu todt. Kurz demnach
ward umbgeſchlagen daz man kein mer todtſchlagen ſolt etc.
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[558/0574] Sechstes Buch. Neuntes Capitel. dert hinter einer Wagenburg an der St. Michaelskapelle ſo tapfer, daß man ſich entſchloß, mit ihnen Vertrag zu ſchließen. So viel ich finde, iſt ihnen der nicht gehalten worden. Man ſagte ihnen, ſie ſollten nach Hauſe gehn; wenn dann der Biſchof komme, ſo wolle man weiter in der Sache handeln. Wohl wahr, daß dieſer ihnen das Le- ben ſchwerlich geſchenkt haben würde. Aber die durch ihre Verluſte erbitterten Landsknechte waren nicht dahin zu brin- gen, dieß zu erwarten; ſie ſtürzten den Abziehenden in die Häuſer nach; man konnte ihrer Metzelei nur mit Mühe Einhalt thun, und auch dann ward den Hinrichtungen le- diglich etwas mehr Form gegeben. 1 1 Ich folge hier wie bei der Erzaͤhlung der Eroberung uͤber- haupt einer Flugſchrift: Warhafftiger bericht der wunderbarlichen Handlung der Dueffer zu Muͤnſter in Weſtvalen, wie ſich alle ſachen nach eroberung der ſtat und in der eroberung zugetragen, die noch vor der Execution des Jan von Leiden geſchrieben worden; ſie hat ſein Bildniß in Holz. Anders erzaͤhlt jedoch Kerſenbroik. „Donan- tur vita et positis armis urbe protinus praeeuntibus quibusdam militiae ducibus exire jubentur. Cum vero liberum exeundi com- meatum impetrassent multi eorum ad aedes suorum necessariorum forte aliquid inde allaturi sese subducunt atque iter ab aliis ad exeundum paratis sponte sua divelluntur, ubi cum longiorem mo- ram fecissent, jam tuto egressos eodem certe commeatu confisi fine ducibus subsequi contendunt, qui a militibus intercepti mac- tantur. Ich laſſe Jedem ſein Urtheil, doch ſieht das faſt wie eine Beſchoͤnigung und Entſchuldigung aus. Jener aͤlteſte Bericht ſagt: ward auf beiden partheien ſo vil gehandlet das ein yetlicher ſolt wi- der heim in ſein haus ziehen, bis auf die Zukunft des biſchofs des gnaͤdigen herrn, dann ſolt weiter in den ſachen gehandlet werden. Darauff ward jenen glauben zugeſagt und zoch ein yetlicher wieder heim in ſein haus. Als aber die landsknecht großen merklichen ſcha- den empfangen — fielen ſie mit grimmigem zorn in die heuſer und wo ſie der einen funden, riſſen ſies mit den koͤpfen aus den heuſern auf die ſtraßen howens zu ſtucken ſtechns all zu todt. Kurz demnach ward umbgeſchlagen daz man kein mer todtſchlagen ſolt etc.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/574>, abgerufen am 22.11.2024.