dere dachten gar an den Churfürsten von Sachsen. Noch waren die Erinnerungen an Christiern nicht ganz erloschen; aber schon eilte das Haus Oestreich an dessen Statt einen neuen Prätendenten aufzustellen, den Pfalzgrafen Friedrich, den der Kaiser mit der Tochter Christierns vermählte.
In diesem allgemeinen Schwanken glaubte nun auch Lübeck ein Wort mitreden zu dürfen, und zugleich seine Interessen wahrnehmen zu können. Wullenweber begab sich nach Kopenhagen, und wandte sich zuerst in den Angele- genheiten des holländischen Krieges an die Reichsräthe, doch fand er keinen Anklang. Er wandte sich an den näch- sten protestantischen Prätendenten, Herzog Christian, und trug ihm seine Hülfe zur Erlangung der Krone an. Her- zog Christian aber hatte so viel Umsicht und Zurückhaltung dieß abzulehnen. Wullenweber sah wohl, daß es ihm nichts helfen könne mit Holland zu schlagen, wenn er indessen Dänemark verliere. Er faßte den Gedanken, die Verwir- rung des Moments zu benutzen, und hier zunächst die Herrschaft seiner Commune, seine eigne Herrschaft zu grün- den, und zwar durchgreifender als jemals. Er glaubte hie- bei auf die Theilnahme einer Partei im Innern und zu- gleich auf die Unterstützung einer europäischen Macht rech- nen zu können.
Ein Theil jener lübeckischen Flotte nemlich, die gegen die Holländer in See gegangen, war an die englische Küste gerathen; ihr Capitän, Marcus Meier, hatte sich an die Küste gewagt, ohne mit einem Geleitsbrief versehen zu seyn, war aber darüber aufgegriffen und in den Tower gebracht worden.
Richtung Wullenwebers gegen Daͤnemark.
dere dachten gar an den Churfürſten von Sachſen. Noch waren die Erinnerungen an Chriſtiern nicht ganz erloſchen; aber ſchon eilte das Haus Oeſtreich an deſſen Statt einen neuen Prätendenten aufzuſtellen, den Pfalzgrafen Friedrich, den der Kaiſer mit der Tochter Chriſtierns vermählte.
In dieſem allgemeinen Schwanken glaubte nun auch Lübeck ein Wort mitreden zu dürfen, und zugleich ſeine Intereſſen wahrnehmen zu können. Wullenweber begab ſich nach Kopenhagen, und wandte ſich zuerſt in den Angele- genheiten des holländiſchen Krieges an die Reichsräthe, doch fand er keinen Anklang. Er wandte ſich an den näch- ſten proteſtantiſchen Prätendenten, Herzog Chriſtian, und trug ihm ſeine Hülfe zur Erlangung der Krone an. Her- zog Chriſtian aber hatte ſo viel Umſicht und Zurückhaltung dieß abzulehnen. Wullenweber ſah wohl, daß es ihm nichts helfen könne mit Holland zu ſchlagen, wenn er indeſſen Dänemark verliere. Er faßte den Gedanken, die Verwir- rung des Moments zu benutzen, und hier zunächſt die Herrſchaft ſeiner Commune, ſeine eigne Herrſchaft zu grün- den, und zwar durchgreifender als jemals. Er glaubte hie- bei auf die Theilnahme einer Partei im Innern und zu- gleich auf die Unterſtützung einer europäiſchen Macht rech- nen zu können.
Ein Theil jener lübeckiſchen Flotte nemlich, die gegen die Holländer in See gegangen, war an die engliſche Küſte gerathen; ihr Capitän, Marcus Meier, hatte ſich an die Küſte gewagt, ohne mit einem Geleitsbrief verſehen zu ſeyn, war aber darüber aufgegriffen und in den Tower gebracht worden.
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Richtung Wullenwebers gegen Daͤnemark.
dere dachten gar an den Churfürſten von Sachſen. Noch
waren die Erinnerungen an Chriſtiern nicht ganz erloſchen;
aber ſchon eilte das Haus Oeſtreich an deſſen Statt einen
neuen Prätendenten aufzuſtellen, den Pfalzgrafen Friedrich,
den der Kaiſer mit der Tochter Chriſtierns vermählte.
In dieſem allgemeinen Schwanken glaubte nun auch
Lübeck ein Wort mitreden zu dürfen, und zugleich ſeine
Intereſſen wahrnehmen zu können. Wullenweber begab ſich
nach Kopenhagen, und wandte ſich zuerſt in den Angele-
genheiten des holländiſchen Krieges an die Reichsräthe,
doch fand er keinen Anklang. Er wandte ſich an den näch-
ſten proteſtantiſchen Prätendenten, Herzog Chriſtian, und
trug ihm ſeine Hülfe zur Erlangung der Krone an. Her-
zog Chriſtian aber hatte ſo viel Umſicht und Zurückhaltung
dieß abzulehnen. Wullenweber ſah wohl, daß es ihm nichts
helfen könne mit Holland zu ſchlagen, wenn er indeſſen
Dänemark verliere. Er faßte den Gedanken, die Verwir-
rung des Moments zu benutzen, und hier zunächſt die
Herrſchaft ſeiner Commune, ſeine eigne Herrſchaft zu grün-
den, und zwar durchgreifender als jemals. Er glaubte hie-
bei auf die Theilnahme einer Partei im Innern und zu-
gleich auf die Unterſtützung einer europäiſchen Macht rech-
nen zu können.
Ein Theil jener lübeckiſchen Flotte nemlich, die gegen
die Holländer in See gegangen, war an die engliſche Küſte
gerathen; ihr Capitän, Marcus Meier, hatte ſich an die
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war aber darüber aufgegriffen und in den Tower gebracht
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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