Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Ausgang Wullenwebers. Pläne auf immer dahingestellt bleiben. Sie konnten keinenandern Erfolg haben, als den, welchen sie wirklich hat- ten. Wullenweber gerieth, wovor er gewarnt worden, auf der Reise in die Gewalt eines seiner bittersten Feinde des Erzbischofs von Bremen, der ihn, weil er als ein geistlicher Herr seine Hände nicht mit Blut besudeln wollte, seinem Bruder, dem Herzog Heinrich von Braunschweig überließ. Da eben ward Wullenweber jenem Verhör un- terworfen, 1 von Dänemark und Lübeck zugleich angeklagt, und weil er nicht alles ableugnete, was man ihm vor- warf, in den Formen des alten deutschen Rechtes zum Tode veurtheilt. Das ehrliche Land fand das Recht, "daß er nicht ungestraft dürfe gethan haben, was er gethan." Er ward enthauptet und dann geviertheilt. Wullenweber stellt recht eigentlich den verwegenen Geist 1 In Regkmanns Chronik ist eine Nachricht über seine letzte
Anklage und Hinrichtung, mit ein paar Briefen aus seinem Gefäng- niß abgedruckt. Sonderbarer Weise ist dergestalt die Entschuldigung aber nicht die Anklage bekannt geworden. Diese, die in dem Ver- hör enthalten ist, gedenke ich im Anhang mitzutheilen. Dieses Verhör das ich im Weimar. Arch. unter den Wolfenbüttelschen Papieren fand, ist mir im Ganzen doch sehr erwünscht und nützlich gewesen. Nur einige wenige Puncte und eben die zweifelhaftesten hat Wullenweber unter der Pein der Tortur bekannt. Dagegen ist vieles andere ohne unmittelbaren Bezug auf die peinliche Anklage, mehr historischer Na- tur, und es wird hie und da durch weniger gewürdigte Stellen der Chronisten oder vergessene Documente auffallend bestätigt. Es ver- steht sich von selbst, daß ich nichts angenommen, was Wullenweber vor seinem Tode wieder geläugnet hat. Ausgang Wullenwebers. Pläne auf immer dahingeſtellt bleiben. Sie konnten keinenandern Erfolg haben, als den, welchen ſie wirklich hat- ten. Wullenweber gerieth, wovor er gewarnt worden, auf der Reiſe in die Gewalt eines ſeiner bitterſten Feinde des Erzbiſchofs von Bremen, der ihn, weil er als ein geiſtlicher Herr ſeine Hände nicht mit Blut beſudeln wollte, ſeinem Bruder, dem Herzog Heinrich von Braunſchweig überließ. Da eben ward Wullenweber jenem Verhör un- terworfen, 1 von Dänemark und Lübeck zugleich angeklagt, und weil er nicht alles ableugnete, was man ihm vor- warf, in den Formen des alten deutſchen Rechtes zum Tode veurtheilt. Das ehrliche Land fand das Recht, „daß er nicht ungeſtraft dürfe gethan haben, was er gethan.“ Er ward enthauptet und dann geviertheilt. Wullenweber ſtellt recht eigentlich den verwegenen Geiſt 1 In Regkmanns Chronik iſt eine Nachricht uͤber ſeine letzte
Anklage und Hinrichtung, mit ein paar Briefen aus ſeinem Gefaͤng- niß abgedruckt. Sonderbarer Weiſe iſt dergeſtalt die Entſchuldigung aber nicht die Anklage bekannt geworden. Dieſe, die in dem Ver- hoͤr enthalten iſt, gedenke ich im Anhang mitzutheilen. Dieſes Verhoͤr das ich im Weimar. Arch. unter den Wolfenbuͤttelſchen Papieren fand, iſt mir im Ganzen doch ſehr erwuͤnſcht und nuͤtzlich geweſen. Nur einige wenige Puncte und eben die zweifelhafteſten hat Wullenweber unter der Pein der Tortur bekannt. Dagegen iſt vieles andere ohne unmittelbaren Bezug auf die peinliche Anklage, mehr hiſtoriſcher Na- tur, und es wird hie und da durch weniger gewuͤrdigte Stellen der Chroniſten oder vergeſſene Documente auffallend beſtaͤtigt. Es ver- ſteht ſich von ſelbſt, daß ich nichts angenommen, was Wullenweber vor ſeinem Tode wieder gelaͤugnet hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0613" n="597"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ausgang Wullenwebers</hi>.</fw><lb/> Pläne auf immer dahingeſtellt bleiben. Sie konnten keinen<lb/> andern Erfolg haben, als den, welchen ſie wirklich hat-<lb/> ten. Wullenweber gerieth, wovor er gewarnt worden,<lb/> auf der Reiſe in die Gewalt eines ſeiner bitterſten Feinde<lb/> des Erzbiſchofs von Bremen, der ihn, weil er als ein<lb/> geiſtlicher Herr ſeine Hände nicht mit Blut beſudeln wollte,<lb/> ſeinem Bruder, dem Herzog Heinrich von Braunſchweig<lb/> überließ. Da eben ward Wullenweber jenem Verhör un-<lb/> terworfen, <note place="foot" n="1">In Regkmanns Chronik iſt eine Nachricht uͤber ſeine letzte<lb/> Anklage und Hinrichtung, mit ein paar Briefen aus ſeinem Gefaͤng-<lb/> niß abgedruckt. Sonderbarer Weiſe iſt dergeſtalt die Entſchuldigung<lb/> aber nicht die Anklage bekannt geworden. Dieſe, die in dem Ver-<lb/> hoͤr enthalten iſt, gedenke ich im Anhang mitzutheilen. Dieſes Verhoͤr<lb/> das ich im Weimar. Arch. unter den Wolfenbuͤttelſchen Papieren fand,<lb/> iſt mir im Ganzen doch ſehr erwuͤnſcht und nuͤtzlich geweſen. Nur<lb/> einige wenige Puncte und eben die zweifelhafteſten hat Wullenweber<lb/> unter der Pein der Tortur bekannt. Dagegen iſt vieles andere ohne<lb/> unmittelbaren Bezug <choice><sic>anf</sic><corr>auf</corr></choice> die peinliche Anklage, mehr hiſtoriſcher Na-<lb/> tur, und es wird hie und da durch weniger gewuͤrdigte Stellen der<lb/> Chroniſten oder vergeſſene Documente auffallend beſtaͤtigt. Es ver-<lb/> ſteht ſich von ſelbſt, daß ich nichts angenommen, was Wullenweber<lb/> vor ſeinem Tode wieder gelaͤugnet hat.</note> von Dänemark und Lübeck zugleich angeklagt,<lb/> und weil er nicht alles ableugnete, was man ihm vor-<lb/> warf, in den Formen des alten deutſchen Rechtes zum<lb/> Tode veurtheilt. Das ehrliche Land fand das Recht, „daß<lb/> er nicht ungeſtraft dürfe gethan haben, was er gethan.“<lb/> Er ward enthauptet und dann geviertheilt.</p><lb/> <p>Wullenweber ſtellt recht eigentlich den verwegenen Geiſt<lb/> in ſich dar, der ſich in den deutſchen Bürgerſchaften je-<lb/> nes Jahrzehends regte. Er hatte angefangen, wie ſo viele<lb/> andre Volksführer in andern Städten; das Talent, eine<lb/> leicht angeregte Bürgerſchaft nach ſeinem Sinne zu lenken,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [597/0613]
Ausgang Wullenwebers.
Pläne auf immer dahingeſtellt bleiben. Sie konnten keinen
andern Erfolg haben, als den, welchen ſie wirklich hat-
ten. Wullenweber gerieth, wovor er gewarnt worden,
auf der Reiſe in die Gewalt eines ſeiner bitterſten Feinde
des Erzbiſchofs von Bremen, der ihn, weil er als ein
geiſtlicher Herr ſeine Hände nicht mit Blut beſudeln wollte,
ſeinem Bruder, dem Herzog Heinrich von Braunſchweig
überließ. Da eben ward Wullenweber jenem Verhör un-
terworfen, 1 von Dänemark und Lübeck zugleich angeklagt,
und weil er nicht alles ableugnete, was man ihm vor-
warf, in den Formen des alten deutſchen Rechtes zum
Tode veurtheilt. Das ehrliche Land fand das Recht, „daß
er nicht ungeſtraft dürfe gethan haben, was er gethan.“
Er ward enthauptet und dann geviertheilt.
Wullenweber ſtellt recht eigentlich den verwegenen Geiſt
in ſich dar, der ſich in den deutſchen Bürgerſchaften je-
nes Jahrzehends regte. Er hatte angefangen, wie ſo viele
andre Volksführer in andern Städten; das Talent, eine
leicht angeregte Bürgerſchaft nach ſeinem Sinne zu lenken,
1 In Regkmanns Chronik iſt eine Nachricht uͤber ſeine letzte
Anklage und Hinrichtung, mit ein paar Briefen aus ſeinem Gefaͤng-
niß abgedruckt. Sonderbarer Weiſe iſt dergeſtalt die Entſchuldigung
aber nicht die Anklage bekannt geworden. Dieſe, die in dem Ver-
hoͤr enthalten iſt, gedenke ich im Anhang mitzutheilen. Dieſes Verhoͤr
das ich im Weimar. Arch. unter den Wolfenbuͤttelſchen Papieren fand,
iſt mir im Ganzen doch ſehr erwuͤnſcht und nuͤtzlich geweſen. Nur
einige wenige Puncte und eben die zweifelhafteſten hat Wullenweber
unter der Pein der Tortur bekannt. Dagegen iſt vieles andere ohne
unmittelbaren Bezug auf die peinliche Anklage, mehr hiſtoriſcher Na-
tur, und es wird hie und da durch weniger gewuͤrdigte Stellen der
Chroniſten oder vergeſſene Documente auffallend beſtaͤtigt. Es ver-
ſteht ſich von ſelbſt, daß ich nichts angenommen, was Wullenweber
vor ſeinem Tode wieder gelaͤugnet hat.
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