Dem Beispiele von Sachsen aber folgten gar bald die niederdeutschen Städte. Im April 1535 hielten die Pre- diger von Bremen, Hamburg, Lübeck, Rostock, Stralsund und Lüneburg einen Convent, worin sie beschlossen, daß in Zukunft Niemand zur Predigt zugelassen werden sollte, der sich nicht auf die gesunde Lehre verpflichte, welche in der Confession und der Apologie enthalten sey. Nur so meinten sie sich der Wiedertäufer und anderer Ketzer erweh- ren zu können, welche sonst in Staat und Kirche alles in Verwirrung setzen würden. 1
Und entsprach dieß nicht in der That dem Prinzipe, von dem die ganze Bewegung ausgegangen?
Man dachte nicht daran, der Welt neue Gesetze vor- schreiben zu wollen; man wollte die Grundlagen des einmal gebildeten politischen und bürgerlichen Lebens nicht erschüt- tern; man wollte sich nur von einer einseitigen, verwelt- lichten, und doch eine unbedingte und göttliche Autorität in Anspruch nehmenden Hierarchie emancipiren.
In diesem Unternehmen waren nun die großartigsten Fortschritte gemacht worden; jedoch war es noch lange nicht durchgeführt. Es gab gegenüber noch mächtige Kräfte, welche sich jeder Trennung entgegensetzen mußten; wir wer- den noch von ernsten Kämpfen und mannichfaltigem Schwan- ken der Entscheidung zu berichten haben.
1 Bericht von etlicher großen Gemeinen Prediger Unterredung in Schröders Evangelischem Meklenburg I, 301. "qui velut obliti humani nominis omnia sursum ac deorsum miscent tam in repu- blica quam in causa christianae religionis -- -- ne dissimula- tione malum irrepat atque magistratus auctoritas labefactetur. --
Schluß.
Dem Beiſpiele von Sachſen aber folgten gar bald die niederdeutſchen Städte. Im April 1535 hielten die Pre- diger von Bremen, Hamburg, Lübeck, Roſtock, Stralſund und Lüneburg einen Convent, worin ſie beſchloſſen, daß in Zukunft Niemand zur Predigt zugelaſſen werden ſollte, der ſich nicht auf die geſunde Lehre verpflichte, welche in der Confeſſion und der Apologie enthalten ſey. Nur ſo meinten ſie ſich der Wiedertäufer und anderer Ketzer erweh- ren zu können, welche ſonſt in Staat und Kirche alles in Verwirrung ſetzen würden. 1
Und entſprach dieß nicht in der That dem Prinzipe, von dem die ganze Bewegung ausgegangen?
Man dachte nicht daran, der Welt neue Geſetze vor- ſchreiben zu wollen; man wollte die Grundlagen des einmal gebildeten politiſchen und bürgerlichen Lebens nicht erſchüt- tern; man wollte ſich nur von einer einſeitigen, verwelt- lichten, und doch eine unbedingte und göttliche Autorität in Anſpruch nehmenden Hierarchie emancipiren.
In dieſem Unternehmen waren nun die großartigſten Fortſchritte gemacht worden; jedoch war es noch lange nicht durchgeführt. Es gab gegenüber noch mächtige Kräfte, welche ſich jeder Trennung entgegenſetzen mußten; wir wer- den noch von ernſten Kämpfen und mannichfaltigem Schwan- ken der Entſcheidung zu berichten haben.
1 Bericht von etlicher großen Gemeinen Prediger Unterredung in Schroͤders Evangeliſchem Meklenburg I, 301. „qui velut obliti humani nominis omnia sursum ac deorsum miscent tam in repu- blica quam in causa christianae religionis — — ne dissimula- tione malum irrepat atque magistratus auctoritas labefactetur. —
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Schluß.
Dem Beiſpiele von Sachſen aber folgten gar bald die
niederdeutſchen Städte. Im April 1535 hielten die Pre-
diger von Bremen, Hamburg, Lübeck, Roſtock, Stralſund
und Lüneburg einen Convent, worin ſie beſchloſſen, daß
in Zukunft Niemand zur Predigt zugelaſſen werden ſollte,
der ſich nicht auf die geſunde Lehre verpflichte, welche in
der Confeſſion und der Apologie enthalten ſey. Nur ſo
meinten ſie ſich der Wiedertäufer und anderer Ketzer erweh-
ren zu können, welche ſonſt in Staat und Kirche alles in
Verwirrung ſetzen würden. 1
Und entſprach dieß nicht in der That dem Prinzipe,
von dem die ganze Bewegung ausgegangen?
Man dachte nicht daran, der Welt neue Geſetze vor-
ſchreiben zu wollen; man wollte die Grundlagen des einmal
gebildeten politiſchen und bürgerlichen Lebens nicht erſchüt-
tern; man wollte ſich nur von einer einſeitigen, verwelt-
lichten, und doch eine unbedingte und göttliche Autorität
in Anſpruch nehmenden Hierarchie emancipiren.
In dieſem Unternehmen waren nun die großartigſten
Fortſchritte gemacht worden; jedoch war es noch lange
nicht durchgeführt. Es gab gegenüber noch mächtige Kräfte,
welche ſich jeder Trennung entgegenſetzen mußten; wir wer-
den noch von ernſten Kämpfen und mannichfaltigem Schwan-
ken der Entſcheidung zu berichten haben.
1 Bericht von etlicher großen Gemeinen Prediger Unterredung
in Schroͤders Evangeliſchem Meklenburg I, 301. „qui velut obliti
humani nominis omnia sursum ac deorsum miscent tam in repu-
blica quam in causa christianae religionis — — ne dissimula-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/619>, abgerufen am 24.11.2024.
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