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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Drittes Capitel.
Papst warb, trage nicht mit Unrecht rothen Hut und Man-
tel; man dürfte sie nur winden, so würde man das Blut der
nächsten Verwandten daraus rinnen sehen. Er spottete dar-
über, daß man wider einen Wolf stürme, der doch nur Thiere
anfalle, gegen die Wölfe aber still sitze, durch welche Men-
schen zu Grunde gehn.

Dann drangen die Wirkungen der lutherischen Bewe-
gung auch in die Schweiz. Niemand war vorbereiteter und
eifriger, daran Theil zu nehmen, als eben Zwingli. Auch
er hatte an seiner Stelle mit einem Ablaßverkäufer zu käm-
pfen und wußte ihn entfernt zu halten. Er schrieb gegen
das Verfahren, das der römische Hof gegen Luther beobach-
tete, und gab eine Apologie desselben gegen die Bulle heraus.

Eine ungemeine Wirkung hatten seine Predigten, zu
denen er eine große natürliche Gabe besaß. Er griff die
obwaltenden Mißbräuche mit einem Ernst an, der keine Rück-
sicht kannte. Er schilderte die Verantwortlichkeit der Geist-
lichen eines Tages so lebhaft, daß junge Leute unter seinen
Zuhörern wohl auf der Stelle die Absicht fahren ließen,
geistlich zu werden; ich fühlte mich, sagt Thomas Plater,
wie an den Haaren emporgezogen. 1 Zuweilen glaubte wohl
Einer und der Andre, der Prediger ziele persönlich auf ihn
und Zwingli hielt es für nothwendig, ein Wort darüber
zu sagen: Frommer Mann, rief er aus, nimm dir's nicht
an; dann fuhr er in seinem Eifer weiter fort, ohne der
Gefahren zu achten, die zuweilen sein Leben bedrohten.

Hauptsächlich aber war doch sein Bemühen, den Sinn
der Schrift seinen Zuhörern näher zu bringen. Mit Er-

1 Autobiographie Platers Misc. Tig. III, 253.

Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel.
Papſt warb, trage nicht mit Unrecht rothen Hut und Man-
tel; man dürfte ſie nur winden, ſo würde man das Blut der
nächſten Verwandten daraus rinnen ſehen. Er ſpottete dar-
über, daß man wider einen Wolf ſtürme, der doch nur Thiere
anfalle, gegen die Wölfe aber ſtill ſitze, durch welche Men-
ſchen zu Grunde gehn.

Dann drangen die Wirkungen der lutheriſchen Bewe-
gung auch in die Schweiz. Niemand war vorbereiteter und
eifriger, daran Theil zu nehmen, als eben Zwingli. Auch
er hatte an ſeiner Stelle mit einem Ablaßverkäufer zu käm-
pfen und wußte ihn entfernt zu halten. Er ſchrieb gegen
das Verfahren, das der römiſche Hof gegen Luther beobach-
tete, und gab eine Apologie deſſelben gegen die Bulle heraus.

Eine ungemeine Wirkung hatten ſeine Predigten, zu
denen er eine große natürliche Gabe beſaß. Er griff die
obwaltenden Mißbräuche mit einem Ernſt an, der keine Rück-
ſicht kannte. Er ſchilderte die Verantwortlichkeit der Geiſt-
lichen eines Tages ſo lebhaft, daß junge Leute unter ſeinen
Zuhörern wohl auf der Stelle die Abſicht fahren ließen,
geiſtlich zu werden; ich fühlte mich, ſagt Thomas Plater,
wie an den Haaren emporgezogen. 1 Zuweilen glaubte wohl
Einer und der Andre, der Prediger ziele perſönlich auf ihn
und Zwingli hielt es für nothwendig, ein Wort darüber
zu ſagen: Frommer Mann, rief er aus, nimm dir’s nicht
an; dann fuhr er in ſeinem Eifer weiter fort, ohne der
Gefahren zu achten, die zuweilen ſein Leben bedrohten.

Hauptſächlich aber war doch ſein Bemühen, den Sinn
der Schrift ſeinen Zuhörern näher zu bringen. Mit Er-

1 Autobiographie Platers Misc. Tig. III, 253.
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[62/0078] Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel. Papſt warb, trage nicht mit Unrecht rothen Hut und Man- tel; man dürfte ſie nur winden, ſo würde man das Blut der nächſten Verwandten daraus rinnen ſehen. Er ſpottete dar- über, daß man wider einen Wolf ſtürme, der doch nur Thiere anfalle, gegen die Wölfe aber ſtill ſitze, durch welche Men- ſchen zu Grunde gehn. Dann drangen die Wirkungen der lutheriſchen Bewe- gung auch in die Schweiz. Niemand war vorbereiteter und eifriger, daran Theil zu nehmen, als eben Zwingli. Auch er hatte an ſeiner Stelle mit einem Ablaßverkäufer zu käm- pfen und wußte ihn entfernt zu halten. Er ſchrieb gegen das Verfahren, das der römiſche Hof gegen Luther beobach- tete, und gab eine Apologie deſſelben gegen die Bulle heraus. Eine ungemeine Wirkung hatten ſeine Predigten, zu denen er eine große natürliche Gabe beſaß. Er griff die obwaltenden Mißbräuche mit einem Ernſt an, der keine Rück- ſicht kannte. Er ſchilderte die Verantwortlichkeit der Geiſt- lichen eines Tages ſo lebhaft, daß junge Leute unter ſeinen Zuhörern wohl auf der Stelle die Abſicht fahren ließen, geiſtlich zu werden; ich fühlte mich, ſagt Thomas Plater, wie an den Haaren emporgezogen. 1 Zuweilen glaubte wohl Einer und der Andre, der Prediger ziele perſönlich auf ihn und Zwingli hielt es für nothwendig, ein Wort darüber zu ſagen: Frommer Mann, rief er aus, nimm dir’s nicht an; dann fuhr er in ſeinem Eifer weiter fort, ohne der Gefahren zu achten, die zuweilen ſein Leben bedrohten. Hauptſächlich aber war doch ſein Bemühen, den Sinn der Schrift ſeinen Zuhörern näher zu bringen. Mit Er- 1 Autobiographie Platers Misc. Tig. III, 253.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/78>, abgerufen am 24.11.2024.