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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Drittes Capitel.
gefangenen Pfarrer aus der Schrift nachgewiesen zu haben;
es war einer der größten Triumphe Zwingli's, daß Faber,
von ihm aufgefordert, diesen Beweis doch noch einmal zu
führen und zwar hier zur Stelle, damit natürlich nicht
zum Ziel kommen konnte. Ueberhaupt gestanden selbst eifrige
Gegner damals ein, und noch heute kann es Niemand,
der die Verhandlungen liest, in Abrede stellen, daß Zwingli
vollkommen den Platz behielt. Daraus folgte dann, daß
der Rath ihn ausdrücklich ermächtigte, fortzufahren, wie
bisher, und die Geistlichkeit aufs neue anwies, nichts vor-
zunehmen oder zu lehren, was sie nicht aus dem Worte
Gottes beweisen könne.

Bemerken wir wohl die Worte vornehmen oder lehren,
sie schließen so gut eine Aenderung der Cerimonien wie
der Predigt ein.

Schon war die Umwandlung der Aeußerlichkeiten des
Kirchenwesens in vollem Gange. Die Geistlichen verhei-
ratheten sich: den Klosterfrauen ward freigestellt, auszutre-
ten oder zu bleiben: -- "Wisset lieber Meister Ulrich,"
schrieb der Schaffner des Kloster Cappel an Zwingli, "wir
sind alle mit dem Abt einhellig geworden, anzunehmen das
heilig Evangelium und göttlich Wort, und dabei zu ster-
ben." 2 Obwohl im Stift am Münster noch sehr eifrige
Anhänger des Alten lebten, so ward doch am Ende von
den Chorherrn selbst der Beschluß, dasselbe zu reformiren,
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2 Chunrad Hofmanns schriftlicher Fürtrag wider Zwingli's
Reformation: Füßli Beiträge III, 93.
1 Handlung der Versammlung in der löblichen Stadt Zürich
von Hegenwaldt, mit Auszügen aus Fabers warlicher unterrichtung
in Zwingli's Werken I, p. 105.
3 Jakob Leu der Schaffner an Zwingli Epp. I, 367.

Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel.
gefangenen Pfarrer aus der Schrift nachgewieſen zu haben;
es war einer der größten Triumphe Zwingli’s, daß Faber,
von ihm aufgefordert, dieſen Beweis doch noch einmal zu
führen und zwar hier zur Stelle, damit natürlich nicht
zum Ziel kommen konnte. Ueberhaupt geſtanden ſelbſt eifrige
Gegner damals ein, und noch heute kann es Niemand,
der die Verhandlungen lieſt, in Abrede ſtellen, daß Zwingli
vollkommen den Platz behielt. Daraus folgte dann, daß
der Rath ihn ausdrücklich ermächtigte, fortzufahren, wie
bisher, und die Geiſtlichkeit aufs neue anwies, nichts vor-
zunehmen oder zu lehren, was ſie nicht aus dem Worte
Gottes beweiſen könne.

Bemerken wir wohl die Worte vornehmen oder lehren,
ſie ſchließen ſo gut eine Aenderung der Cerimonien wie
der Predigt ein.

Schon war die Umwandlung der Aeußerlichkeiten des
Kirchenweſens in vollem Gange. Die Geiſtlichen verhei-
ratheten ſich: den Kloſterfrauen ward freigeſtellt, auszutre-
ten oder zu bleiben: — „Wiſſet lieber Meiſter Ulrich,“
ſchrieb der Schaffner des Kloſter Cappel an Zwingli, „wir
ſind alle mit dem Abt einhellig geworden, anzunehmen das
heilig Evangelium und göttlich Wort, und dabei zu ſter-
ben.“ 2 Obwohl im Stift am Münſter noch ſehr eifrige
Anhänger des Alten lebten, ſo ward doch am Ende von
den Chorherrn ſelbſt der Beſchluß, daſſelbe zu reformiren,
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2 Chunrad Hofmanns ſchriftlicher Fuͤrtrag wider Zwingli’s
Reformation: Fuͤßli Beitraͤge III, 93.
1 Handlung der Verſammlung in der loͤblichen Stadt Zuͤrich
von Hegenwaldt, mit Auszuͤgen aus Fabers warlicher unterrichtung
in Zwingli’s Werken I, p. 105.
3 Jakob Leu der Schaffner an Zwingli Epp. I, 367.
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[74/0090] Fuͤnftes Buch. Drittes Capitel. gefangenen Pfarrer aus der Schrift nachgewieſen zu haben; es war einer der größten Triumphe Zwingli’s, daß Faber, von ihm aufgefordert, dieſen Beweis doch noch einmal zu führen und zwar hier zur Stelle, damit natürlich nicht zum Ziel kommen konnte. Ueberhaupt geſtanden ſelbſt eifrige Gegner damals ein, und noch heute kann es Niemand, der die Verhandlungen lieſt, in Abrede ſtellen, daß Zwingli vollkommen den Platz behielt. Daraus folgte dann, daß der Rath ihn ausdrücklich ermächtigte, fortzufahren, wie bisher, und die Geiſtlichkeit aufs neue anwies, nichts vor- zunehmen oder zu lehren, was ſie nicht aus dem Worte Gottes beweiſen könne. Bemerken wir wohl die Worte vornehmen oder lehren, ſie ſchließen ſo gut eine Aenderung der Cerimonien wie der Predigt ein. Schon war die Umwandlung der Aeußerlichkeiten des Kirchenweſens in vollem Gange. Die Geiſtlichen verhei- ratheten ſich: den Kloſterfrauen ward freigeſtellt, auszutre- ten oder zu bleiben: — „Wiſſet lieber Meiſter Ulrich,“ ſchrieb der Schaffner des Kloſter Cappel an Zwingli, „wir ſind alle mit dem Abt einhellig geworden, anzunehmen das heilig Evangelium und göttlich Wort, und dabei zu ſter- ben.“ 2 Obwohl im Stift am Münſter noch ſehr eifrige Anhänger des Alten lebten, ſo ward doch am Ende von den Chorherrn ſelbſt der Beſchluß, daſſelbe zu reformiren, 1 3 2 Chunrad Hofmanns ſchriftlicher Fuͤrtrag wider Zwingli’s Reformation: Fuͤßli Beitraͤge III, 93. 1 Handlung der Verſammlung in der loͤblichen Stadt Zuͤrich von Hegenwaldt, mit Auszuͤgen aus Fabers warlicher unterrichtung in Zwingli’s Werken I, p. 105. 3 Jakob Leu der Schaffner an Zwingli Epp. I, 367.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/90>, abgerufen am 23.11.2024.