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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Abendmahlsstreitigkeit.
von besserm Gehalt vorbrachte, 1 und mit der er überhaupt
der diesem Punkte schon zugewandten Richtung der Geister
einen großen Anstoß gab.

Der bescheidene Oekolampadius zu Basel, in dessen
Kreise sich verwandte Ansichten geregt, fing an sich zu schä-
men, daß er seine Zweifel so lange unterdrückt, Lehren gepre-
digt, von denen er nicht vollkommen überzeugt gewesen, und
faßte sich das Herz, den Sinn der geheimnißreichen Einsetzungs-
worte, wie er ihn verstand, nicht länger zu verläugnen. 2

Von einer andern Seite kam der junge Bullinger an
diese Frage. Er studirte die Acten des berengarischen Strei-
tes, und urtheilte, daß Berengar'n in jenem wichtigen Mo-
mente -- wo die spätere Lehre sich festsetzte -- Unrecht gesche-
hen sey. Er glaubte Berengar's Meinung schon bei Au-
gustinus nachweisen zu können. 3

Die Hauptsache aber war, daß Zwingli das Wort er-
griff. In dem Studium der Schrift, wie er es trieb, mehr
im Ganzen, als stellenweise, und nicht ohne unaufhörlich
auf das classische Alterthum zurückzukommen, hatte er die
Ueberzeugung gefaßt, daß das Ist der Einsetzungsworte
nichts anders heiße, als bedeutet. Schon in einem Briefe
vom Juni 1523 äußert er, der wahre Verstand der Eu-
charistie könne erst dann begriffen werden, wenn man Brod
und Wein im Nachtmal nicht anders betrachte als das

1 Dialog von dem abgöttischen Mißbrauch des Sacraments
bei Walch XX, 2878. Von dem widerchristlichen Mißbrauch des
Herrn Brot und Kelch Ibid. 138.
2 Zusammenstellung der verschiedenen Aeußerungen des Oeko-
lampadius in dessen Leben von Heß p. 102.
3 Lavater vom Läben und Tod Heinrychen Bullingers 1578 p. 8.
Ranke d. Gesch. III. 6

Abendmahlsſtreitigkeit.
von beſſerm Gehalt vorbrachte, 1 und mit der er überhaupt
der dieſem Punkte ſchon zugewandten Richtung der Geiſter
einen großen Anſtoß gab.

Der beſcheidene Oekolampadius zu Baſel, in deſſen
Kreiſe ſich verwandte Anſichten geregt, fing an ſich zu ſchä-
men, daß er ſeine Zweifel ſo lange unterdrückt, Lehren gepre-
digt, von denen er nicht vollkommen überzeugt geweſen, und
faßte ſich das Herz, den Sinn der geheimnißreichen Einſetzungs-
worte, wie er ihn verſtand, nicht länger zu verläugnen. 2

Von einer andern Seite kam der junge Bullinger an
dieſe Frage. Er ſtudirte die Acten des berengariſchen Strei-
tes, und urtheilte, daß Berengar’n in jenem wichtigen Mo-
mente — wo die ſpätere Lehre ſich feſtſetzte — Unrecht geſche-
hen ſey. Er glaubte Berengar’s Meinung ſchon bei Au-
guſtinus nachweiſen zu können. 3

Die Hauptſache aber war, daß Zwingli das Wort er-
griff. In dem Studium der Schrift, wie er es trieb, mehr
im Ganzen, als ſtellenweiſe, und nicht ohne unaufhörlich
auf das claſſiſche Alterthum zurückzukommen, hatte er die
Ueberzeugung gefaßt, daß das Iſt der Einſetzungsworte
nichts anders heiße, als bedeutet. Schon in einem Briefe
vom Juni 1523 äußert er, der wahre Verſtand der Eu-
chariſtie könne erſt dann begriffen werden, wenn man Brod
und Wein im Nachtmal nicht anders betrachte als das

1 Dialog von dem abgoͤttiſchen Mißbrauch des Sacraments
bei Walch XX, 2878. Von dem widerchriſtlichen Mißbrauch des
Herrn Brot und Kelch Ibid. 138.
2 Zuſammenſtellung der verſchiedenen Aeußerungen des Oeko-
lampadius in deſſen Leben von Heß p. 102.
3 Lavater vom Laͤben und Tod Heinrychen Bullingers 1578 p. 8.
Ranke d. Geſch. III. 6
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[81/0097] Abendmahlsſtreitigkeit. von beſſerm Gehalt vorbrachte, 1 und mit der er überhaupt der dieſem Punkte ſchon zugewandten Richtung der Geiſter einen großen Anſtoß gab. Der beſcheidene Oekolampadius zu Baſel, in deſſen Kreiſe ſich verwandte Anſichten geregt, fing an ſich zu ſchä- men, daß er ſeine Zweifel ſo lange unterdrückt, Lehren gepre- digt, von denen er nicht vollkommen überzeugt geweſen, und faßte ſich das Herz, den Sinn der geheimnißreichen Einſetzungs- worte, wie er ihn verſtand, nicht länger zu verläugnen. 2 Von einer andern Seite kam der junge Bullinger an dieſe Frage. Er ſtudirte die Acten des berengariſchen Strei- tes, und urtheilte, daß Berengar’n in jenem wichtigen Mo- mente — wo die ſpätere Lehre ſich feſtſetzte — Unrecht geſche- hen ſey. Er glaubte Berengar’s Meinung ſchon bei Au- guſtinus nachweiſen zu können. 3 Die Hauptſache aber war, daß Zwingli das Wort er- griff. In dem Studium der Schrift, wie er es trieb, mehr im Ganzen, als ſtellenweiſe, und nicht ohne unaufhörlich auf das claſſiſche Alterthum zurückzukommen, hatte er die Ueberzeugung gefaßt, daß das Iſt der Einſetzungsworte nichts anders heiße, als bedeutet. Schon in einem Briefe vom Juni 1523 äußert er, der wahre Verſtand der Eu- chariſtie könne erſt dann begriffen werden, wenn man Brod und Wein im Nachtmal nicht anders betrachte als das 1 Dialog von dem abgoͤttiſchen Mißbrauch des Sacraments bei Walch XX, 2878. Von dem widerchriſtlichen Mißbrauch des Herrn Brot und Kelch Ibid. 138. 2 Zuſammenſtellung der verſchiedenen Aeußerungen des Oeko- lampadius in deſſen Leben von Heß p. 102. 3 Lavater vom Laͤben und Tod Heinrychen Bullingers 1578 p. 8. Ranke d. Geſch. III. 6

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/97>, abgerufen am 22.11.2024.