Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Zweites Capitel. gemessenheit des Betragens. Er nahm es übel daß Luther,als er der Zeit gedachte wo er in Rom Messe gelesen, sich ein unwillkürliches Lächeln entschlüpfen ließ, daß er in einem Augenblick wo das Gespräch stockte, mit der Frage hervor- kam, ob man ihn nicht in Italien für einen trunkenen Deut- schen halte. Dabei wurden aber doch die wichtigsten Dinge berührt: die englische Angelegenheit: worüber sich Luther nicht ohne Zurückhaltung äußerte, eigentlich das Einzige an ihm, was auf den Nuntius einen guten Eindruck machte; -- die Einrichtungen der neuen Kirche: Luther sagte, da man jen- seit ihre Priester nicht mehr weihen wolle, seyen sie selbst zur Ordination geschritten, er zeigte auf seinen Begleiter als einen so geweihten Bischof; -- hauptsächlich das Concilium. Luther erklärte, er glaube nicht daß es in Rom mit diesem Vorhaben Ernst sey: wenigstens werde man auf einer vom Papst veranstalteten Versammlung von nichts anderm als von clericalischen Nebendingen handeln: und doch wäre ein freies gemeines christliches Concilium höchlich von nöthen: "nicht für uns," sagte er, "die wir aus dem lautern Got- teswort die gesunde Lehre bereits haben, sondern für Andre welche Eure Tyrannei noch fesselt." "Bedenke was du sagst," versetzte der Nuntius; "du bist ein Mensch und kannst irren." "Nun wohl, antwortete Luther, habt ihr Lust dazu, so be- ruft ein Concilium, ich will kommen, und solltet ihr mich verbrennen." "Wo wollt ihr das Concilium haben?" fragte der Nuntius. ""Wo es euch gefällt, in Padua, Florenz oder Mantua."" "Würdet ihr auch nach einer päpstlichen Stadt kommen, wie Bologna?" ""Heiliger Gott, hat der Papst auch diese Stadt an sich gerissen? aber ich werde kommen."" "Auch Siebentes Buch. Zweites Capitel. gemeſſenheit des Betragens. Er nahm es übel daß Luther,als er der Zeit gedachte wo er in Rom Meſſe geleſen, ſich ein unwillkürliches Lächeln entſchlüpfen ließ, daß er in einem Augenblick wo das Geſpräch ſtockte, mit der Frage hervor- kam, ob man ihn nicht in Italien für einen trunkenen Deut- ſchen halte. Dabei wurden aber doch die wichtigſten Dinge berührt: die engliſche Angelegenheit: worüber ſich Luther nicht ohne Zurückhaltung äußerte, eigentlich das Einzige an ihm, was auf den Nuntius einen guten Eindruck machte; — die Einrichtungen der neuen Kirche: Luther ſagte, da man jen- ſeit ihre Prieſter nicht mehr weihen wolle, ſeyen ſie ſelbſt zur Ordination geſchritten, er zeigte auf ſeinen Begleiter als einen ſo geweihten Biſchof; — hauptſächlich das Concilium. Luther erklärte, er glaube nicht daß es in Rom mit dieſem Vorhaben Ernſt ſey: wenigſtens werde man auf einer vom Papſt veranſtalteten Verſammlung von nichts anderm als von clericaliſchen Nebendingen handeln: und doch wäre ein freies gemeines chriſtliches Concilium höchlich von nöthen: „nicht für uns,“ ſagte er, „die wir aus dem lautern Got- teswort die geſunde Lehre bereits haben, ſondern für Andre welche Eure Tyrannei noch feſſelt.“ „Bedenke was du ſagſt,“ verſetzte der Nuntius; „du biſt ein Menſch und kannſt irren.“ „Nun wohl, antwortete Luther, habt ihr Luſt dazu, ſo be- ruft ein Concilium, ich will kommen, und ſolltet ihr mich verbrennen.“ „Wo wollt ihr das Concilium haben?“ fragte der Nuntius. „„Wo es euch gefällt, in Padua, Florenz oder Mantua.““ „Würdet ihr auch nach einer päpſtlichen Stadt kommen, wie Bologna?“ „„Heiliger Gott, hat der Papſt auch dieſe Stadt an ſich geriſſen? aber ich werde kommen.““ „Auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0102" n="90"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. 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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
gemeſſenheit des Betragens. Er nahm es übel daß Luther,
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ein unwillkürliches Lächeln entſchlüpfen ließ, daß er in einem
Augenblick wo das Geſpräch ſtockte, mit der Frage hervor-
kam, ob man ihn nicht in Italien für einen trunkenen Deut-
ſchen halte. Dabei wurden aber doch die wichtigſten Dinge
berührt: die engliſche Angelegenheit: worüber ſich Luther nicht
ohne Zurückhaltung äußerte, eigentlich das Einzige an ihm,
was auf den Nuntius einen guten Eindruck machte; — die
Einrichtungen der neuen Kirche: Luther ſagte, da man jen-
ſeit ihre Prieſter nicht mehr weihen wolle, ſeyen ſie ſelbſt
zur Ordination geſchritten, er zeigte auf ſeinen Begleiter als
einen ſo geweihten Biſchof; — hauptſächlich das Concilium.
Luther erklärte, er glaube nicht daß es in Rom mit dieſem
Vorhaben Ernſt ſey: wenigſtens werde man auf einer vom
Papſt veranſtalteten Verſammlung von nichts anderm als
von clericaliſchen Nebendingen handeln: und doch wäre ein
freies gemeines chriſtliches Concilium höchlich von nöthen:
„nicht für uns,“ ſagte er, „die wir aus dem lautern Got-
teswort die geſunde Lehre bereits haben, ſondern für Andre
welche Eure Tyrannei noch feſſelt.“ „Bedenke was du ſagſt,“
verſetzte der Nuntius; „du biſt ein Menſch und kannſt irren.“
„Nun wohl, antwortete Luther, habt ihr Luſt dazu, ſo be-
ruft ein Concilium, ich will kommen, und ſolltet ihr mich
verbrennen.“ „Wo wollt ihr das Concilium haben?“ fragte
der Nuntius. „„Wo es euch gefällt, in Padua, Florenz oder
Mantua.““ „Würdet ihr auch nach einer päpſtlichen Stadt
kommen, wie Bologna?“ „„Heiliger Gott, hat der Papſt auch
dieſe Stadt an ſich geriſſen? aber ich werde kommen.““ „Auch
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