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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Ankündigung des Conciliums.
der Papst würde zu euch nach Wittenberg kommen." ""Er
komme nur her: wir wollen ihn gern sehen."" "Wie wollt
ihr ihn sehen, allein, oder mit einem Kriegsheer?" ""Wie
es ihm beliebt, wir wollen beides erwarten."" 1

In Einem Moment fliegen die verschiedensten Möglich-
keiten, die im Dunkel der sich vollziehenden Ereignisse ruhen,
dem Geist vorüber.

Das zunächst Bemerkenswerthe ist, daß es Luthern wirk-
lich um die Malstatt nicht zu thun war. Auch seinem Für-
sten gab er das zu erkennen: und dieser, auf seiner Reise in
Prag von dem Nuntius angeredet und dann in Wien wei-
ter dahin gedrungen, hat dort wirklich in die Berufung nach
Mantua gewilligt.

Aber dabei, wie sich versteht, war weder des Fürsten
noch Luthers Meinung, von den Bedingungen einer freien
und unparteiischen Erörterung nur im mindesten zurückzutre-
ten. Eine solche hervorzurufen, war die ursprüngliche Ab-
sicht gewesen; man hatte dabei die reformatorischen Bestre-
bungen des letzten großen Concils in Basel im Auge ge-
habt, und die Freiheiten desselben nur noch zu vermehren
gedacht. Der vorwaltende Gedanke in diesem Augenblicke
war, daß unter dem Schutze des Kaisers eine Anzahl von
gelehrten und frommen Männern erwählt werden solle um
die wichtigsten Streitfragen zu entscheiden. Luther studirte

1 Aus dem Berichte des Nuntius nach Rom hat Pallavicini
einen Auszug. In einer Schrift an Johann Friedrich berichtet der
Nuntius noch einiges andre. Luther glaubte sich anfangs zum Schwei-
gen verpflichtet; vgl. sein Schreiben an Justus Jonas IV, p. 648: Egi
Lutherum ipsum tota mensa.
Das Wichtigste ist immer die Nachricht
wie Vergerius zu Wittenberg ankommen etc. Bei Walch XVI, 2293.

Ankuͤndigung des Conciliums.
der Papſt würde zu euch nach Wittenberg kommen.“ „„Er
komme nur her: wir wollen ihn gern ſehen.““ „Wie wollt
ihr ihn ſehen, allein, oder mit einem Kriegsheer?“ „„Wie
es ihm beliebt, wir wollen beides erwarten.““ 1

In Einem Moment fliegen die verſchiedenſten Möglich-
keiten, die im Dunkel der ſich vollziehenden Ereigniſſe ruhen,
dem Geiſt vorüber.

Das zunächſt Bemerkenswerthe iſt, daß es Luthern wirk-
lich um die Malſtatt nicht zu thun war. Auch ſeinem Für-
ſten gab er das zu erkennen: und dieſer, auf ſeiner Reiſe in
Prag von dem Nuntius angeredet und dann in Wien wei-
ter dahin gedrungen, hat dort wirklich in die Berufung nach
Mantua gewilligt.

Aber dabei, wie ſich verſteht, war weder des Fürſten
noch Luthers Meinung, von den Bedingungen einer freien
und unparteiiſchen Erörterung nur im mindeſten zurückzutre-
ten. Eine ſolche hervorzurufen, war die urſprüngliche Ab-
ſicht geweſen; man hatte dabei die reformatoriſchen Beſtre-
bungen des letzten großen Concils in Baſel im Auge ge-
habt, und die Freiheiten deſſelben nur noch zu vermehren
gedacht. Der vorwaltende Gedanke in dieſem Augenblicke
war, daß unter dem Schutze des Kaiſers eine Anzahl von
gelehrten und frommen Männern erwählt werden ſolle um
die wichtigſten Streitfragen zu entſcheiden. Luther ſtudirte

1 Aus dem Berichte des Nuntius nach Rom hat Pallavicini
einen Auszug. In einer Schrift an Johann Friedrich berichtet der
Nuntius noch einiges andre. Luther glaubte ſich anfangs zum Schwei-
gen verpflichtet; vgl. ſein Schreiben an Juſtus Jonas IV, p. 648: Egi
Lutherum ipsum tota mensa.
Das Wichtigſte iſt immer die Nachricht
wie Vergerius zu Wittenberg ankommen ꝛc. Bei Walch XVI, 2293.
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[91/0103] Ankuͤndigung des Conciliums. der Papſt würde zu euch nach Wittenberg kommen.“ „„Er komme nur her: wir wollen ihn gern ſehen.““ „Wie wollt ihr ihn ſehen, allein, oder mit einem Kriegsheer?“ „„Wie es ihm beliebt, wir wollen beides erwarten.““ 1 In Einem Moment fliegen die verſchiedenſten Möglich- keiten, die im Dunkel der ſich vollziehenden Ereigniſſe ruhen, dem Geiſt vorüber. Das zunächſt Bemerkenswerthe iſt, daß es Luthern wirk- lich um die Malſtatt nicht zu thun war. Auch ſeinem Für- ſten gab er das zu erkennen: und dieſer, auf ſeiner Reiſe in Prag von dem Nuntius angeredet und dann in Wien wei- ter dahin gedrungen, hat dort wirklich in die Berufung nach Mantua gewilligt. Aber dabei, wie ſich verſteht, war weder des Fürſten noch Luthers Meinung, von den Bedingungen einer freien und unparteiiſchen Erörterung nur im mindeſten zurückzutre- ten. Eine ſolche hervorzurufen, war die urſprüngliche Ab- ſicht geweſen; man hatte dabei die reformatoriſchen Beſtre- bungen des letzten großen Concils in Baſel im Auge ge- habt, und die Freiheiten deſſelben nur noch zu vermehren gedacht. Der vorwaltende Gedanke in dieſem Augenblicke war, daß unter dem Schutze des Kaiſers eine Anzahl von gelehrten und frommen Männern erwählt werden ſolle um die wichtigſten Streitfragen zu entſcheiden. Luther ſtudirte 1 Aus dem Berichte des Nuntius nach Rom hat Pallavicini einen Auszug. In einer Schrift an Johann Friedrich berichtet der Nuntius noch einiges andre. Luther glaubte ſich anfangs zum Schwei- gen verpflichtet; vgl. ſein Schreiben an Juſtus Jonas IV, p. 648: Egi Lutherum ipsum tota mensa. Das Wichtigſte iſt immer die Nachricht wie Vergerius zu Wittenberg ankommen ꝛc. Bei Walch XVI, 2293.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/103>, abgerufen am 25.11.2024.