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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Drittes Capitel.
anzuerkennen: 24 Männer aus ihrer Mitte sollten ihm un-
ter dem Namen Regenten zur Seite stehen: es wäre eine
aristokratisch-katholische Regierung gegründet worden, viel-
leicht nicht unfähig das bisherige System aufrecht zu erhal-
ten; allein die physischen Kräfte des jungen Prinzen waren
so schwach wie die geistigen: er starb kaum einen Monat
nach seiner Vermählung; der Gedanke, er werde seine Ge-
mahlin guter Hofnung zurückgelassen haben, verschwand sehr
bald, und es blieb nichts zu erwarten, als die Nachfolge
der andern Linie und der volle Umsturz des Katholicismus
im Lande.

In gewissem Grade erregt der alte Fürst, so gewalt-
sam er sich auch gebehrdet, in diesem Augenblick unsre Theil-
nahme. Sein Gesichtskreis gieng nun einmal nicht über die
Ideen der römischen Kirche hinaus: eben so gut in sich
selbst wie nach außen hatte er an der Unantastbarkeit ihrer
Institute festgehalten; allein um ihn her war alles in vol-
lem unaufhaltsamem Abfall begriffen, bei welchem sogar seine
nächsten Angehörigen, seine Vettern, sein Schwiegersohn den
Übrigen vorangiengen: nur mit äußerster Mühe hatte er das
eigne Land rein gehalten; aber jetzt hatte er keinen Erben
mehr, um sein Werk fortzusetzen: am Abend seiner Tage
sah er dasselbe dem gewissen Untergange geweiht. Noch stieg
in ihm der Gedanke auf, der Sache durch ein Testament
abzuhelfen. Einen eigenhändig aufgesetzten Entwurf dazu
theilte er bei dem Leichenbegängniß seines Sohnes den in
ziemlicher Anzahl versammelten Ständen mit. Heinrich sollte
dadurch verpflichtet werden, sich an den Kaiser und das
katholische Bündniß zu halten. Wie aber, wenn er dieß

Siebentes Buch. Drittes Capitel.
anzuerkennen: 24 Männer aus ihrer Mitte ſollten ihm un-
ter dem Namen Regenten zur Seite ſtehen: es wäre eine
ariſtokratiſch-katholiſche Regierung gegründet worden, viel-
leicht nicht unfähig das bisherige Syſtem aufrecht zu erhal-
ten; allein die phyſiſchen Kräfte des jungen Prinzen waren
ſo ſchwach wie die geiſtigen: er ſtarb kaum einen Monat
nach ſeiner Vermählung; der Gedanke, er werde ſeine Ge-
mahlin guter Hofnung zurückgelaſſen haben, verſchwand ſehr
bald, und es blieb nichts zu erwarten, als die Nachfolge
der andern Linie und der volle Umſturz des Katholicismus
im Lande.

In gewiſſem Grade erregt der alte Fürſt, ſo gewalt-
ſam er ſich auch gebehrdet, in dieſem Augenblick unſre Theil-
nahme. Sein Geſichtskreis gieng nun einmal nicht über die
Ideen der römiſchen Kirche hinaus: eben ſo gut in ſich
ſelbſt wie nach außen hatte er an der Unantaſtbarkeit ihrer
Inſtitute feſtgehalten; allein um ihn her war alles in vol-
lem unaufhaltſamem Abfall begriffen, bei welchem ſogar ſeine
nächſten Angehörigen, ſeine Vettern, ſein Schwiegerſohn den
Übrigen vorangiengen: nur mit äußerſter Mühe hatte er das
eigne Land rein gehalten; aber jetzt hatte er keinen Erben
mehr, um ſein Werk fortzuſetzen: am Abend ſeiner Tage
ſah er daſſelbe dem gewiſſen Untergange geweiht. Noch ſtieg
in ihm der Gedanke auf, der Sache durch ein Teſtament
abzuhelfen. Einen eigenhändig aufgeſetzten Entwurf dazu
theilte er bei dem Leichenbegängniß ſeines Sohnes den in
ziemlicher Anzahl verſammelten Ständen mit. Heinrich ſollte
dadurch verpflichtet werden, ſich an den Kaiſer und das
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[140/0152] Siebentes Buch. Drittes Capitel. anzuerkennen: 24 Männer aus ihrer Mitte ſollten ihm un- ter dem Namen Regenten zur Seite ſtehen: es wäre eine ariſtokratiſch-katholiſche Regierung gegründet worden, viel- leicht nicht unfähig das bisherige Syſtem aufrecht zu erhal- ten; allein die phyſiſchen Kräfte des jungen Prinzen waren ſo ſchwach wie die geiſtigen: er ſtarb kaum einen Monat nach ſeiner Vermählung; der Gedanke, er werde ſeine Ge- mahlin guter Hofnung zurückgelaſſen haben, verſchwand ſehr bald, und es blieb nichts zu erwarten, als die Nachfolge der andern Linie und der volle Umſturz des Katholicismus im Lande. In gewiſſem Grade erregt der alte Fürſt, ſo gewalt- ſam er ſich auch gebehrdet, in dieſem Augenblick unſre Theil- nahme. Sein Geſichtskreis gieng nun einmal nicht über die Ideen der römiſchen Kirche hinaus: eben ſo gut in ſich ſelbſt wie nach außen hatte er an der Unantaſtbarkeit ihrer Inſtitute feſtgehalten; allein um ihn her war alles in vol- lem unaufhaltſamem Abfall begriffen, bei welchem ſogar ſeine nächſten Angehörigen, ſeine Vettern, ſein Schwiegerſohn den Übrigen vorangiengen: nur mit äußerſter Mühe hatte er das eigne Land rein gehalten; aber jetzt hatte er keinen Erben mehr, um ſein Werk fortzuſetzen: am Abend ſeiner Tage ſah er daſſelbe dem gewiſſen Untergange geweiht. Noch ſtieg in ihm der Gedanke auf, der Sache durch ein Teſtament abzuhelfen. Einen eigenhändig aufgeſetzten Entwurf dazu theilte er bei dem Leichenbegängniß ſeines Sohnes den in ziemlicher Anzahl verſammelten Ständen mit. Heinrich ſollte dadurch verpflichtet werden, ſich an den Kaiſer und das katholiſche Bündniß zu halten. Wie aber, wenn er dieß

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/152>, abgerufen am 28.11.2024.