Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Drittes Capitel. nicht genügte. Da dieß nichts half, so wendete sich Jo-hann von Meißen ohne weitere Rücksicht an den Kaiser. Er erneuerte seine alte Prätension, reichsunmittelbar zu seyn, beschwerte sich nicht allein über den Verlust seiner Gerichts- barkeit und seiner Gefälle, über die Gefahr, mit der man sein kaiserliches Stift bedrohe; sondern er fragte sogar an, ob er dem Herzog die Lehen leihen solle, die derselbe von ihm trage. Dieß war aber eine Art von Widerstand, die dem Her- Schon war Carlowitz gestürzt und ein andrer Einfluß Auf dem Landtag in Chemnitz beschwerten sich die welt- 1 Der nächste Grund weshalb Georg von Carlowitz sich nicht
halten konnte, lag nach einem Schreiben Christophs darin "daß er den Bischof als seinen Freund mit Rath nit hat verlassen wollen." Siebentes Buch. Drittes Capitel. nicht genügte. Da dieß nichts half, ſo wendete ſich Jo-hann von Meißen ohne weitere Rückſicht an den Kaiſer. Er erneuerte ſeine alte Prätenſion, reichsunmittelbar zu ſeyn, beſchwerte ſich nicht allein über den Verluſt ſeiner Gerichts- barkeit und ſeiner Gefälle, über die Gefahr, mit der man ſein kaiſerliches Stift bedrohe; ſondern er fragte ſogar an, ob er dem Herzog die Lehen leihen ſolle, die derſelbe von ihm trage. Dieß war aber eine Art von Widerſtand, die dem Her- Schon war Carlowitz geſtürzt und ein andrer Einfluß Auf dem Landtag in Chemnitz beſchwerten ſich die welt- 1 Der naͤchſte Grund weshalb Georg von Carlowitz ſich nicht
halten konnte, lag nach einem Schreiben Chriſtophs darin „daß er den Biſchof als ſeinen Freund mit Rath nit hat verlaſſen wollen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0156" n="144"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> nicht genügte. Da dieß nichts half, ſo wendete ſich <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118576879">Jo-<lb/> hann von Meißen</persName> ohne weitere Rückſicht an den Kaiſer.<lb/> Er erneuerte ſeine alte Prätenſion, reichsunmittelbar zu ſeyn,<lb/> beſchwerte ſich nicht allein über den Verluſt ſeiner Gerichts-<lb/> barkeit und ſeiner Gefälle, über die Gefahr, mit der man<lb/> ſein kaiſerliches Stift bedrohe; ſondern er fragte ſogar an, ob<lb/> er dem Herzog die Lehen leihen ſolle, die derſelbe von ihm trage.</p><lb/> <p>Dieß war aber eine Art von Widerſtand, die dem Her-<lb/> zog eher zu gute kam als ihm ſchadete. Die Stände fühl-<lb/> ten ſich beleidigt, daß der Biſchof ſich von ihnen ſondern,<lb/> ſein altes Verhältniß zur Landſchaft aufheben wolle; ſie kün-<lb/> digten ihm an, ſie würden das nicht nachgeben noch dul-<lb/> den; als er auf ſeinem Sinn verharrte, erhoben ſie förmlich<lb/> Fehde gegen ihn.</p><lb/> <p>Schon war <persName ref="http://d-nb.info/gnd/135708028">Carlowitz</persName> geſtürzt und ein andrer Einfluß<lb/> machte ſich geltend. <note place="foot" n="1">Der naͤchſte Grund weshalb <persName ref="http://d-nb.info/gnd/135708028">Georg von Carlowitz</persName> ſich nicht<lb/> halten konnte, lag nach einem Schreiben <persName ref="http://d-nb.info/gnd/128556641">Chriſtophs</persName> darin „daß er<lb/> den Biſchof als ſeinen Freund mit Rath nit hat verlaſſen wollen.“</note></p><lb/> <p>Auf dem Landtag in <placeName>Chemnitz</placeName> beſchwerten ſich die welt-<lb/> lichen Stände allerdings, daß die Viſitation ohne ihren Rath<lb/> vorgenommen, alte Pfarrer abgeſetzt, neue eingeführt worden,<lb/> ohne Rückſicht auf ihre Patronatrechte; allein nicht gegen die<lb/> Sache ſelbſt war ihr Widerſtand gerichtet: man ſah, daß die<lb/> neue Lehre ſchon längſt die Gemüther beherrſchte; die Stände<lb/> wünſchten nur bei der Einziehung und Verwaltung der geiſt-<lb/> lichen Güter zugezogen zu werden. Leicht bewilligte ihnen<lb/> das der Herzog. Auf einer Verſammlung des ſtändiſchen<lb/> Ausſchuſſes, zu <placeName>Leipzig</placeName>, im Auguſt 1540, wurden hierüber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0156]
Siebentes Buch. Drittes Capitel.
nicht genügte. Da dieß nichts half, ſo wendete ſich Jo-
hann von Meißen ohne weitere Rückſicht an den Kaiſer.
Er erneuerte ſeine alte Prätenſion, reichsunmittelbar zu ſeyn,
beſchwerte ſich nicht allein über den Verluſt ſeiner Gerichts-
barkeit und ſeiner Gefälle, über die Gefahr, mit der man
ſein kaiſerliches Stift bedrohe; ſondern er fragte ſogar an, ob
er dem Herzog die Lehen leihen ſolle, die derſelbe von ihm trage.
Dieß war aber eine Art von Widerſtand, die dem Her-
zog eher zu gute kam als ihm ſchadete. Die Stände fühl-
ten ſich beleidigt, daß der Biſchof ſich von ihnen ſondern,
ſein altes Verhältniß zur Landſchaft aufheben wolle; ſie kün-
digten ihm an, ſie würden das nicht nachgeben noch dul-
den; als er auf ſeinem Sinn verharrte, erhoben ſie förmlich
Fehde gegen ihn.
Schon war Carlowitz geſtürzt und ein andrer Einfluß
machte ſich geltend. 1
Auf dem Landtag in Chemnitz beſchwerten ſich die welt-
lichen Stände allerdings, daß die Viſitation ohne ihren Rath
vorgenommen, alte Pfarrer abgeſetzt, neue eingeführt worden,
ohne Rückſicht auf ihre Patronatrechte; allein nicht gegen die
Sache ſelbſt war ihr Widerſtand gerichtet: man ſah, daß die
neue Lehre ſchon längſt die Gemüther beherrſchte; die Stände
wünſchten nur bei der Einziehung und Verwaltung der geiſt-
lichen Güter zugezogen zu werden. Leicht bewilligte ihnen
das der Herzog. Auf einer Verſammlung des ſtändiſchen
Ausſchuſſes, zu Leipzig, im Auguſt 1540, wurden hierüber
1 Der naͤchſte Grund weshalb Georg von Carlowitz ſich nicht
halten konnte, lag nach einem Schreiben Chriſtophs darin „daß er
den Biſchof als ſeinen Freund mit Rath nit hat verlaſſen wollen.“
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