Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Reformation in dem albertinischen Sachsen.
feste Normen gemacht. Man beschloß zunächst die Klöster
einzuziehen, die ohnehin größtentheils verlassen seyen: d. h.
die Güter in weltliche Verwaltung zu nehmen und den Über-
schuß derselben zur Verbesserung der Stellen an Kirchen,
Schulen und Universität, so wie zu den allgemeinen Landes-
bedürfnissen zu verwenden. Wenn man die Acten liest, so
erwecken doch die Frauenconvente ein gewisses Mitleid: die
armen Nonnen, deren einfache Gedanken in den Cerimonien
die sie ausübten vollkommen befangen waren, wurden genö-
thigt sich davon loszureißen. Manche freilich waren dazu
sehr bereit. Cäcilia von Haugwitz in St. Georg bei Leip-
zig
gab zu Protocoll, wäre es auf sie angekommen, so würde
sie längst ihr Kleid verändert haben.

So geschah die Religionsveränderung in dem alberti-
nischen Sachsen: sie schließt zugleich einen vollkommenen po-
litischen Umschwung ein. Die öffentliche Gewalt, welche bis-
her auf einer Vereinigung des Fürsten, der Prälaten und
der Majorität der Stände, zusammengehalten durch ein paar
eifrige und geschickte Räthe, beruhte, wurde gestürzt und eine
neue gebildet, durch einen Fürsten der von entgegengesetzten
Prinzipien ausgieng, einige Räthe die früher verjagt, und
die Anhänger einer religiösen Meinung die bisher mit aller
Schärfe niedergehalten worden. Zugleich war es ein neuer
Sieg des schmalkaldischen Bündnisses. Durch das entschie-
dene Übergewicht des letztern bekam die neue Staatsgewalt
einen Rückhalt und Nachdruck dessen sie schwerlich hätte
entbehren können. Indem die Prälaten sich nach fremder
Hülfe umsahen, bewirkten sie nur, daß in der Landschaft
die ihnen feindselige Meinung die Majorität gewann; ihnen

Ranke D. Gesch. IV. 10

Reformation in dem albertiniſchen Sachſen.
feſte Normen gemacht. Man beſchloß zunächſt die Klöſter
einzuziehen, die ohnehin größtentheils verlaſſen ſeyen: d. h.
die Güter in weltliche Verwaltung zu nehmen und den Über-
ſchuß derſelben zur Verbeſſerung der Stellen an Kirchen,
Schulen und Univerſität, ſo wie zu den allgemeinen Landes-
bedürfniſſen zu verwenden. Wenn man die Acten lieſt, ſo
erwecken doch die Frauenconvente ein gewiſſes Mitleid: die
armen Nonnen, deren einfache Gedanken in den Cerimonien
die ſie ausübten vollkommen befangen waren, wurden genö-
thigt ſich davon loszureißen. Manche freilich waren dazu
ſehr bereit. Cäcilia von Haugwitz in St. Georg bei Leip-
zig
gab zu Protocoll, wäre es auf ſie angekommen, ſo würde
ſie längſt ihr Kleid verändert haben.

So geſchah die Religionsveränderung in dem alberti-
niſchen Sachſen: ſie ſchließt zugleich einen vollkommenen po-
litiſchen Umſchwung ein. Die öffentliche Gewalt, welche bis-
her auf einer Vereinigung des Fürſten, der Prälaten und
der Majorität der Stände, zuſammengehalten durch ein paar
eifrige und geſchickte Räthe, beruhte, wurde geſtürzt und eine
neue gebildet, durch einen Fürſten der von entgegengeſetzten
Prinzipien ausgieng, einige Räthe die früher verjagt, und
die Anhänger einer religiöſen Meinung die bisher mit aller
Schärfe niedergehalten worden. Zugleich war es ein neuer
Sieg des ſchmalkaldiſchen Bündniſſes. Durch das entſchie-
dene Übergewicht des letztern bekam die neue Staatsgewalt
einen Rückhalt und Nachdruck deſſen ſie ſchwerlich hätte
entbehren können. Indem die Prälaten ſich nach fremder
Hülfe umſahen, bewirkten ſie nur, daß in der Landſchaft
die ihnen feindſelige Meinung die Majorität gewann; ihnen

Ranke D. Geſch. IV. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0157" n="145"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reformation in dem albertini&#x017F;chen <placeName>Sach&#x017F;en</placeName></hi>.</fw><lb/>
fe&#x017F;te Normen gemacht. Man be&#x017F;chloß zunäch&#x017F;t die Klö&#x017F;ter<lb/>
einzuziehen, die ohnehin größtentheils verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyen: d. h.<lb/>
die Güter in weltliche Verwaltung zu nehmen und den Über-<lb/>
&#x017F;chuß der&#x017F;elben zur Verbe&#x017F;&#x017F;erung der Stellen an Kirchen,<lb/>
Schulen und Univer&#x017F;ität, &#x017F;o wie zu den allgemeinen Landes-<lb/>
bedürfni&#x017F;&#x017F;en zu verwenden. Wenn man die Acten lie&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
erwecken doch die Frauenconvente ein gewi&#x017F;&#x017F;es Mitleid: die<lb/>
armen Nonnen, deren einfache Gedanken in den Cerimonien<lb/>
die &#x017F;ie ausübten vollkommen befangen waren, wurden genö-<lb/>
thigt &#x017F;ich davon loszureißen. Manche freilich waren dazu<lb/>
&#x017F;ehr bereit. <persName ref="nognd">Cäcilia von Haugwitz</persName> in St. Georg bei <placeName>Leip-<lb/>
zig</placeName> gab zu Protocoll, wäre es auf &#x017F;ie angekommen, &#x017F;o würde<lb/>
&#x017F;ie läng&#x017F;t ihr Kleid verändert haben.</p><lb/>
          <p>So ge&#x017F;chah die Religionsveränderung in dem alberti-<lb/>
ni&#x017F;chen <placeName>Sach&#x017F;en</placeName>: &#x017F;ie &#x017F;chließt zugleich einen vollkommenen po-<lb/>
liti&#x017F;chen Um&#x017F;chwung ein. Die öffentliche Gewalt, welche bis-<lb/>
her auf einer Vereinigung des Für&#x017F;ten, der Prälaten und<lb/>
der Majorität der Stände, zu&#x017F;ammengehalten durch ein paar<lb/>
eifrige und ge&#x017F;chickte Räthe, beruhte, wurde ge&#x017F;türzt und eine<lb/>
neue gebildet, durch einen Für&#x017F;ten der von entgegenge&#x017F;etzten<lb/>
Prinzipien ausgieng, einige Räthe die früher verjagt, und<lb/>
die Anhänger einer religiö&#x017F;en Meinung die bisher mit aller<lb/>
Schärfe niedergehalten worden. Zugleich war es ein neuer<lb/>
Sieg des &#x017F;chmalkaldi&#x017F;chen Bündni&#x017F;&#x017F;es. Durch das ent&#x017F;chie-<lb/>
dene Übergewicht des letztern bekam die neue Staatsgewalt<lb/>
einen Rückhalt und Nachdruck de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;chwerlich hätte<lb/>
entbehren können. Indem die Prälaten &#x017F;ich nach fremder<lb/>
Hülfe um&#x017F;ahen, bewirkten &#x017F;ie nur, daß in der Land&#x017F;chaft<lb/>
die ihnen feind&#x017F;elige Meinung die Majorität gewann; ihnen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118598279">Ranke</persName> D. Ge&#x017F;ch. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 10</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0157] Reformation in dem albertiniſchen Sachſen. feſte Normen gemacht. Man beſchloß zunächſt die Klöſter einzuziehen, die ohnehin größtentheils verlaſſen ſeyen: d. h. die Güter in weltliche Verwaltung zu nehmen und den Über- ſchuß derſelben zur Verbeſſerung der Stellen an Kirchen, Schulen und Univerſität, ſo wie zu den allgemeinen Landes- bedürfniſſen zu verwenden. Wenn man die Acten lieſt, ſo erwecken doch die Frauenconvente ein gewiſſes Mitleid: die armen Nonnen, deren einfache Gedanken in den Cerimonien die ſie ausübten vollkommen befangen waren, wurden genö- thigt ſich davon loszureißen. Manche freilich waren dazu ſehr bereit. Cäcilia von Haugwitz in St. Georg bei Leip- zig gab zu Protocoll, wäre es auf ſie angekommen, ſo würde ſie längſt ihr Kleid verändert haben. So geſchah die Religionsveränderung in dem alberti- niſchen Sachſen: ſie ſchließt zugleich einen vollkommenen po- litiſchen Umſchwung ein. Die öffentliche Gewalt, welche bis- her auf einer Vereinigung des Fürſten, der Prälaten und der Majorität der Stände, zuſammengehalten durch ein paar eifrige und geſchickte Räthe, beruhte, wurde geſtürzt und eine neue gebildet, durch einen Fürſten der von entgegengeſetzten Prinzipien ausgieng, einige Räthe die früher verjagt, und die Anhänger einer religiöſen Meinung die bisher mit aller Schärfe niedergehalten worden. Zugleich war es ein neuer Sieg des ſchmalkaldiſchen Bündniſſes. Durch das entſchie- dene Übergewicht des letztern bekam die neue Staatsgewalt einen Rückhalt und Nachdruck deſſen ſie ſchwerlich hätte entbehren können. Indem die Prälaten ſich nach fremder Hülfe umſahen, bewirkten ſie nur, daß in der Landſchaft die ihnen feindſelige Meinung die Majorität gewann; ihnen Ranke D. Geſch. IV. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/157
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/157>, abgerufen am 27.11.2024.