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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Reformation in der Mark Brandenburg.
weitem überstiegen: wie es denn überhaupt nicht sein Ta-
lent war Geldgeschäfte zu führen. Unaufhörlich finden wir
ihn bauen, Schlösser in den Städten, Jagdhäuser in der
Tiefe der Gehölze, an den breiten Gewässern die hie und
da dem Lande eine gewisse Anmuth verleihen, Kirchen und
Dome mit hohen Thürmen und weitschallenden Glocken dar-
auf: er wollte Gott nur an würdiger Stätte so wie mit
Ehrfurchterweckenden Cerimonien verehren. An der religiö-
sen Bewegung der Zeit nahm auch er, auf seine Weise, in-
nerlich Theil.

Sie berührte ihn vielleicht zuerst im Gespräch mit dem
vertriebenen Dänenkönig Christian II, seinem Oheim, der sich
lange am brandenburgischen Hofe aufhielt; dann durch seine
Mutter, die ihrem Gemahl entflohen eine Freistätte in dem
ernestinischen Sachsen gefunden, Luthern zuweilen bei sich
sah, oder wohl ein paar Wochen in seinem Hause zubrachte.
Eine entschiedenere Hinneigung zeigte er, als ein italienischer
Gelehrter, der am römischen Hofe gut bekannt war, ihm er-
zählte, Papst Clemens VII, dem man eines Tages seine un-
eheliche Geburt vorgeworfen, habe lachend erwiedert, er theile
dieß Schicksal mit Christus. Empört über diese Blasphemie
ließ der junge Markgraf Luthern einen gnädigen Gruß entbie-
ten. In dem Innersten seiner Seele bereiteten sich Abneigung
und Hinneigung vor. Besonders die Lehre von der Recht-
fertigung allein durch Christus machte auf ihn einen großen
Eindruck. Er selbst hat gesagt, er habe hauptsächlich aus
den alten Kirchengesängen, für die er eine besondere Vor-
liebe hegte, und aus andern Denkmalen des kirchlichen Al-
terthums die Überzeugung geschöpft, daß Luthers Auffassung

Reformation in der Mark Brandenburg.
weitem überſtiegen: wie es denn überhaupt nicht ſein Ta-
lent war Geldgeſchäfte zu führen. Unaufhörlich finden wir
ihn bauen, Schlöſſer in den Städten, Jagdhäuſer in der
Tiefe der Gehölze, an den breiten Gewäſſern die hie und
da dem Lande eine gewiſſe Anmuth verleihen, Kirchen und
Dome mit hohen Thürmen und weitſchallenden Glocken dar-
auf: er wollte Gott nur an würdiger Stätte ſo wie mit
Ehrfurchterweckenden Cerimonien verehren. An der religiö-
ſen Bewegung der Zeit nahm auch er, auf ſeine Weiſe, in-
nerlich Theil.

Sie berührte ihn vielleicht zuerſt im Geſpräch mit dem
vertriebenen Dänenkönig Chriſtian II, ſeinem Oheim, der ſich
lange am brandenburgiſchen Hofe aufhielt; dann durch ſeine
Mutter, die ihrem Gemahl entflohen eine Freiſtätte in dem
erneſtiniſchen Sachſen gefunden, Luthern zuweilen bei ſich
ſah, oder wohl ein paar Wochen in ſeinem Hauſe zubrachte.
Eine entſchiedenere Hinneigung zeigte er, als ein italieniſcher
Gelehrter, der am römiſchen Hofe gut bekannt war, ihm er-
zählte, Papſt Clemens VII, dem man eines Tages ſeine un-
eheliche Geburt vorgeworfen, habe lachend erwiedert, er theile
dieß Schickſal mit Chriſtus. Empört über dieſe Blasphemie
ließ der junge Markgraf Luthern einen gnädigen Gruß entbie-
ten. In dem Innerſten ſeiner Seele bereiteten ſich Abneigung
und Hinneigung vor. Beſonders die Lehre von der Recht-
fertigung allein durch Chriſtus machte auf ihn einen großen
Eindruck. Er ſelbſt hat geſagt, er habe hauptſächlich aus
den alten Kirchengeſängen, für die er eine beſondere Vor-
liebe hegte, und aus andern Denkmalen des kirchlichen Al-
terthums die Überzeugung geſchöpft, daß Luthers Auffaſſung

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[149/0161] Reformation in der Mark Brandenburg. weitem überſtiegen: wie es denn überhaupt nicht ſein Ta- lent war Geldgeſchäfte zu führen. Unaufhörlich finden wir ihn bauen, Schlöſſer in den Städten, Jagdhäuſer in der Tiefe der Gehölze, an den breiten Gewäſſern die hie und da dem Lande eine gewiſſe Anmuth verleihen, Kirchen und Dome mit hohen Thürmen und weitſchallenden Glocken dar- auf: er wollte Gott nur an würdiger Stätte ſo wie mit Ehrfurchterweckenden Cerimonien verehren. An der religiö- ſen Bewegung der Zeit nahm auch er, auf ſeine Weiſe, in- nerlich Theil. Sie berührte ihn vielleicht zuerſt im Geſpräch mit dem vertriebenen Dänenkönig Chriſtian II, ſeinem Oheim, der ſich lange am brandenburgiſchen Hofe aufhielt; dann durch ſeine Mutter, die ihrem Gemahl entflohen eine Freiſtätte in dem erneſtiniſchen Sachſen gefunden, Luthern zuweilen bei ſich ſah, oder wohl ein paar Wochen in ſeinem Hauſe zubrachte. Eine entſchiedenere Hinneigung zeigte er, als ein italieniſcher Gelehrter, der am römiſchen Hofe gut bekannt war, ihm er- zählte, Papſt Clemens VII, dem man eines Tages ſeine un- eheliche Geburt vorgeworfen, habe lachend erwiedert, er theile dieß Schickſal mit Chriſtus. Empört über dieſe Blasphemie ließ der junge Markgraf Luthern einen gnädigen Gruß entbie- ten. In dem Innerſten ſeiner Seele bereiteten ſich Abneigung und Hinneigung vor. Beſonders die Lehre von der Recht- fertigung allein durch Chriſtus machte auf ihn einen großen Eindruck. Er ſelbſt hat geſagt, er habe hauptſächlich aus den alten Kirchengeſängen, für die er eine beſondere Vor- liebe hegte, und aus andern Denkmalen des kirchlichen Al- terthums die Überzeugung geſchöpft, daß Luthers Auffaſſung

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/161>, abgerufen am 27.11.2024.