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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Reformation in der Mark Brandenburg.
auferlegt worden, allen Irrthum selbst zu meiden und bei
Andern zu verhüten; darauf habe man ihm das Evange-
lium in die Hand gegeben und über seine Schulter gehal-
ten, als das Joch des Herrn das er zu tragen habe; der
Metropolitan habe ihn aufgefordert hinzugehn und es dem
Volke zu verkündigen." Einst traf Luther auf einem Feste
zu Dessau mit Matthias von Jagow zusammen, und wie
man denken kann, alle Streitpuncte, Messe, Werkheiligkeit,
Opfer, Papstthum kamen zwischen ihnen zur Sprache. Der
Bischof drückte sich darüber auf eine Weise aus, die Luthern
vollkommen genug that. "Möchte uns nur Gott", rief er
aus, "solcher Bischöfe mehr geben." Weit entfernt jene Edel-
leute zu hindern, ließ sich Bischof Matthias von ihnen nur
versprechen, daß sie zwar evangelische Prediger annehmen,
aber darum die bisherigen doch nicht verstoßen, sondern noch
weiter versorgen würden.

So erklärten sich die vornehmste Stadt, eine Anzahl
Edelleute und der gelehrteste Bischof im Lande, und zwar
eben in derselben Zeit, als sich dort in Frankfurt die Lage
der Reichsangelegenheiten, die Stimmung der höchsten Ge-
walten auf eine entsprechende Weise entwickelten.

Ich weiß nicht, ob man sich vollkommen darauf ver-
lassen kann was Melanchthon erfahren zu haben versichert,
daß der Churfürst schon in Frankfurt dem Landgrafen seine
weitern Pläne eröffnet habe; aber unwahrscheinlich wäre es
nicht. Die nationale Vereinbarung über die Religion, die
man dort in Aussicht genommen, und die nicht anders als
in einem von dem Papstthum abweichenden Sinne möglich
war, ward eher befördert als gehindert, wenn schon im Vor-

Reformation in der Mark Brandenburg.
auferlegt worden, allen Irrthum ſelbſt zu meiden und bei
Andern zu verhüten; darauf habe man ihm das Evange-
lium in die Hand gegeben und über ſeine Schulter gehal-
ten, als das Joch des Herrn das er zu tragen habe; der
Metropolitan habe ihn aufgefordert hinzugehn und es dem
Volke zu verkündigen.“ Einſt traf Luther auf einem Feſte
zu Deſſau mit Matthias von Jagow zuſammen, und wie
man denken kann, alle Streitpuncte, Meſſe, Werkheiligkeit,
Opfer, Papſtthum kamen zwiſchen ihnen zur Sprache. Der
Biſchof drückte ſich darüber auf eine Weiſe aus, die Luthern
vollkommen genug that. „Möchte uns nur Gott“, rief er
aus, „ſolcher Biſchöfe mehr geben.“ Weit entfernt jene Edel-
leute zu hindern, ließ ſich Biſchof Matthias von ihnen nur
verſprechen, daß ſie zwar evangeliſche Prediger annehmen,
aber darum die bisherigen doch nicht verſtoßen, ſondern noch
weiter verſorgen würden.

So erklärten ſich die vornehmſte Stadt, eine Anzahl
Edelleute und der gelehrteſte Biſchof im Lande, und zwar
eben in derſelben Zeit, als ſich dort in Frankfurt die Lage
der Reichsangelegenheiten, die Stimmung der höchſten Ge-
walten auf eine entſprechende Weiſe entwickelten.

Ich weiß nicht, ob man ſich vollkommen darauf ver-
laſſen kann was Melanchthon erfahren zu haben verſichert,
daß der Churfürſt ſchon in Frankfurt dem Landgrafen ſeine
weitern Pläne eröffnet habe; aber unwahrſcheinlich wäre es
nicht. Die nationale Vereinbarung über die Religion, die
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in einem von dem Papſtthum abweichenden Sinne möglich
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[155/0167] Reformation in der Mark Brandenburg. auferlegt worden, allen Irrthum ſelbſt zu meiden und bei Andern zu verhüten; darauf habe man ihm das Evange- lium in die Hand gegeben und über ſeine Schulter gehal- ten, als das Joch des Herrn das er zu tragen habe; der Metropolitan habe ihn aufgefordert hinzugehn und es dem Volke zu verkündigen.“ Einſt traf Luther auf einem Feſte zu Deſſau mit Matthias von Jagow zuſammen, und wie man denken kann, alle Streitpuncte, Meſſe, Werkheiligkeit, Opfer, Papſtthum kamen zwiſchen ihnen zur Sprache. Der Biſchof drückte ſich darüber auf eine Weiſe aus, die Luthern vollkommen genug that. „Möchte uns nur Gott“, rief er aus, „ſolcher Biſchöfe mehr geben.“ Weit entfernt jene Edel- leute zu hindern, ließ ſich Biſchof Matthias von ihnen nur verſprechen, daß ſie zwar evangeliſche Prediger annehmen, aber darum die bisherigen doch nicht verſtoßen, ſondern noch weiter verſorgen würden. So erklärten ſich die vornehmſte Stadt, eine Anzahl Edelleute und der gelehrteſte Biſchof im Lande, und zwar eben in derſelben Zeit, als ſich dort in Frankfurt die Lage der Reichsangelegenheiten, die Stimmung der höchſten Ge- walten auf eine entſprechende Weiſe entwickelten. Ich weiß nicht, ob man ſich vollkommen darauf ver- laſſen kann was Melanchthon erfahren zu haben verſichert, daß der Churfürſt ſchon in Frankfurt dem Landgrafen ſeine weitern Pläne eröffnet habe; aber unwahrſcheinlich wäre es nicht. Die nationale Vereinbarung über die Religion, die man dort in Ausſicht genommen, und die nicht anders als in einem von dem Papſtthum abweichenden Sinne möglich war, ward eher befördert als gehindert, wenn ſchon im Vor-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/167>, abgerufen am 18.05.2024.