Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Drittes Capitel. aus Schritte auf einer gleichartigen Bahn geschahen. Wassich im Laufe des Sommers im albertinischen Sachsen zu- trug, machte es ohnehin doppelt schwer, den alten Zustand der Dinge in der Mark aufrecht zu erhalten. Zuerst sah der Erz- bischof von Mainz, daß der Entschluß gefaßt sey und sich nicht mehr würde rückgängig machen lassen. Er wendete sich noch einmal an Kaiser und König, und wirklich ließ Ferdinand noch eine Abmahnung ergehn. 1 So aber verstand Joachim sein Friedenssystem nicht, daß er auf die Meinungsverschie- denheiten jedes Freundes hätte Rücksicht nehmen sollen: schon genug daß die Umstände im Allgemeinen günstig waren: zum ersten Mal fühlte er daß er sein eigner Herr sey; jetzt schritt er zum Werk. Am ersten November 1539 versammelten sich die sämmtlichen Prädicanten, die bereits im Lande thä- tig waren, in der Nicolaikirche zu Spandau; in ihrer Ge- genwart hielt Bischof Matthias von Jagow das erste evan- gelische Hochamt. Der Hof und ein Theil des Adels em- pfieng aus der Hand desselben das Abendmahl unter bei- derlei Gestalt. 2 Unverzüglich folgte das Land dem Beispiele des Herrn. In diesen beiden Momenten, der Lehre von der Recht- 2 Vgl. Frege's, Spieker's, Müllers Geschichten der Refor-
mation in Brandenburg; über den Tag besonders die erste. Siebentes Buch. Drittes Capitel. aus Schritte auf einer gleichartigen Bahn geſchahen. Wasſich im Laufe des Sommers im albertiniſchen Sachſen zu- trug, machte es ohnehin doppelt ſchwer, den alten Zuſtand der Dinge in der Mark aufrecht zu erhalten. Zuerſt ſah der Erz- biſchof von Mainz, daß der Entſchluß gefaßt ſey und ſich nicht mehr würde rückgängig machen laſſen. Er wendete ſich noch einmal an Kaiſer und König, und wirklich ließ Ferdinand noch eine Abmahnung ergehn. 1 So aber verſtand Joachim ſein Friedensſyſtem nicht, daß er auf die Meinungsverſchie- denheiten jedes Freundes hätte Rückſicht nehmen ſollen: ſchon genug daß die Umſtände im Allgemeinen günſtig waren: zum erſten Mal fühlte er daß er ſein eigner Herr ſey; jetzt ſchritt er zum Werk. Am erſten November 1539 verſammelten ſich die ſämmtlichen Prädicanten, die bereits im Lande thä- tig waren, in der Nicolaikirche zu Spandau; in ihrer Ge- genwart hielt Biſchof Matthias von Jagow das erſte evan- geliſche Hochamt. Der Hof und ein Theil des Adels em- pfieng aus der Hand deſſelben das Abendmahl unter bei- derlei Geſtalt. 2 Unverzüglich folgte das Land dem Beiſpiele des Herrn. In dieſen beiden Momenten, der Lehre von der Recht- 2 Vgl. Frege’s, Spieker’s, Muͤllers Geſchichten der Refor-
mation in Brandenburg; uͤber den Tag beſonders die erſte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0168" n="156"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> aus Schritte auf einer gleichartigen Bahn geſchahen. Was<lb/> ſich im Laufe des Sommers im albertiniſchen <placeName>Sachſen</placeName> zu-<lb/> trug, machte es ohnehin doppelt ſchwer, den alten Zuſtand der<lb/> Dinge in der Mark aufrecht zu erhalten. Zuerſt ſah der Erz-<lb/> biſchof von <placeName>Mainz</placeName>, daß der Entſchluß gefaßt ſey und ſich nicht<lb/> mehr würde rückgängig machen laſſen. Er wendete ſich noch<lb/> einmal an Kaiſer und König, und wirklich ließ <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118532502">Ferdinand</persName><lb/> noch eine Abmahnung ergehn. <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/124177204">Bucholtz</persName><hi rendition="#aq">IX,</hi> 382.</note> So aber verſtand <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557556">Joachim</persName><lb/> ſein Friedensſyſtem nicht, daß er auf die Meinungsverſchie-<lb/> denheiten jedes Freundes hätte Rückſicht nehmen ſollen: ſchon<lb/> genug daß die Umſtände im Allgemeinen günſtig waren: zum<lb/> erſten Mal fühlte er daß er ſein eigner Herr ſey; jetzt ſchritt<lb/> er zum Werk. Am erſten November 1539 verſammelten<lb/> ſich die ſämmtlichen Prädicanten, die bereits im Lande thä-<lb/> tig waren, in der Nicolaikirche zu <placeName>Spandau</placeName>; in ihrer Ge-<lb/> genwart hielt Biſchof <persName ref="http://d-nb.info/gnd/104183225">Matthias von Jagow</persName> das erſte evan-<lb/> geliſche Hochamt. Der Hof und ein Theil des Adels em-<lb/> pfieng aus der Hand deſſelben das Abendmahl unter bei-<lb/> derlei Geſtalt. <note place="foot" n="2">Vgl. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/1011280760">Frege’s</persName>, <persName ref="nognd">Spieker’s</persName>, <persName ref="nognd">Muͤllers</persName> Geſchichten der Refor-<lb/> mation in <placeName>Brandenburg</placeName>; uͤber den Tag beſonders die erſte.</note> Unverzüglich folgte das Land dem Beiſpiele<lb/> des Herrn.</p><lb/> <p>In dieſen beiden Momenten, der Lehre von der Recht-<lb/> fertigung und dem Gebrauch des Sacramentes nach den<lb/> Worten der Einſetzung, liegt nun aber die ganze Verände-<lb/> rung: — theoretiſch, ſo wie praktiſch. Man riß ſich da-<lb/> durch von den hierarchiſchen Satzungen los und trat in ein<lb/> unmittelbares Verhältniß zu Gott und den göttlichen Din-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0168]
Siebentes Buch. Drittes Capitel.
aus Schritte auf einer gleichartigen Bahn geſchahen. Was
ſich im Laufe des Sommers im albertiniſchen Sachſen zu-
trug, machte es ohnehin doppelt ſchwer, den alten Zuſtand der
Dinge in der Mark aufrecht zu erhalten. Zuerſt ſah der Erz-
biſchof von Mainz, daß der Entſchluß gefaßt ſey und ſich nicht
mehr würde rückgängig machen laſſen. Er wendete ſich noch
einmal an Kaiſer und König, und wirklich ließ Ferdinand
noch eine Abmahnung ergehn. 1 So aber verſtand Joachim
ſein Friedensſyſtem nicht, daß er auf die Meinungsverſchie-
denheiten jedes Freundes hätte Rückſicht nehmen ſollen: ſchon
genug daß die Umſtände im Allgemeinen günſtig waren: zum
erſten Mal fühlte er daß er ſein eigner Herr ſey; jetzt ſchritt
er zum Werk. Am erſten November 1539 verſammelten
ſich die ſämmtlichen Prädicanten, die bereits im Lande thä-
tig waren, in der Nicolaikirche zu Spandau; in ihrer Ge-
genwart hielt Biſchof Matthias von Jagow das erſte evan-
geliſche Hochamt. Der Hof und ein Theil des Adels em-
pfieng aus der Hand deſſelben das Abendmahl unter bei-
derlei Geſtalt. 2 Unverzüglich folgte das Land dem Beiſpiele
des Herrn.
In dieſen beiden Momenten, der Lehre von der Recht-
fertigung und dem Gebrauch des Sacramentes nach den
Worten der Einſetzung, liegt nun aber die ganze Verände-
rung: — theoretiſch, ſo wie praktiſch. Man riß ſich da-
durch von den hierarchiſchen Satzungen los und trat in ein
unmittelbares Verhältniß zu Gott und den göttlichen Din-
1 Bucholtz IX, 382.
2 Vgl. Frege’s, Spieker’s, Muͤllers Geſchichten der Refor-
mation in Brandenburg; uͤber den Tag beſonders die erſte.
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