Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Siebentes Buch. Drittes Capitel. davon aus, daß von den hohen geistlichen Häuptern einewahre Reformation niemals zu erwarten sey: könne es doch der Kaiser mit alle seinem wohlwollenden Bemühen zu keinem Concilium bringen; er erbietet sich, wenn es je- mals noch zu einem solchen komme, oder zu einer National- versammlung, oder zu einem freien Religionsgespräch, wozu er "äußersten Vermögens" beitragen wolle, sich in allen der göttlichen Schrift gemäßen und billigen Dingen sagen zu lassen; aber indeß vergehe die Zeit, von der er doch einst dem obersten Haushalter Rechenschaft zu geben habe: län- ger seyen die offenbaren Mißbräuche nicht zu dulden: man würde sonst nur verführerische Secten und ihren ungöttlichen Wahn befördern: und so verkündige er, nach der Pflicht, mit der er dem allmächtigen Gott verwandt, nach dem Beispiel der alten löblichen Könige des israelitischen Volkes, diese Ordnung, welche er der göttlichen Wahrheit, dem Ge- brauche der ersten reinen Kirche, dem Zeugniß der alten von der Kirche angenommenen Väter, die ihre Lehren mit ihrem Tode besiegelt, gleichförmig erkenne. Er fordert ihre Beob- achtung "mit gnädigem Gesinnen", wie er sich ausdrückt, und "ernstlichem Befehl" sowohl von seinen geistlichen wie von seinen weltlichen Ständen. Es ist doch die ganze Autonomie der fürstlichen Ge- Aber dabei hatte Joachim alles im Voraus reiflich er- Siebentes Buch. Drittes Capitel. davon aus, daß von den hohen geiſtlichen Häuptern einewahre Reformation niemals zu erwarten ſey: könne es doch der Kaiſer mit alle ſeinem wohlwollenden Bemühen zu keinem Concilium bringen; er erbietet ſich, wenn es je- mals noch zu einem ſolchen komme, oder zu einer National- verſammlung, oder zu einem freien Religionsgeſpräch, wozu er „äußerſten Vermögens“ beitragen wolle, ſich in allen der göttlichen Schrift gemäßen und billigen Dingen ſagen zu laſſen; aber indeß vergehe die Zeit, von der er doch einſt dem oberſten Haushalter Rechenſchaft zu geben habe: län- ger ſeyen die offenbaren Mißbräuche nicht zu dulden: man würde ſonſt nur verführeriſche Secten und ihren ungöttlichen Wahn befördern: und ſo verkündige er, nach der Pflicht, mit der er dem allmächtigen Gott verwandt, nach dem Beiſpiel der alten löblichen Könige des iſraelitiſchen Volkes, dieſe Ordnung, welche er der göttlichen Wahrheit, dem Ge- brauche der erſten reinen Kirche, dem Zeugniß der alten von der Kirche angenommenen Väter, die ihre Lehren mit ihrem Tode beſiegelt, gleichförmig erkenne. Er fordert ihre Beob- achtung „mit gnädigem Geſinnen“, wie er ſich ausdrückt, und „ernſtlichem Befehl“ ſowohl von ſeinen geiſtlichen wie von ſeinen weltlichen Ständen. Es iſt doch die ganze Autonomie der fürſtlichen Ge- Aber dabei hatte Joachim alles im Voraus reiflich er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0170" n="158"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/> davon aus, daß von den hohen geiſtlichen Häuptern eine<lb/> wahre Reformation niemals zu erwarten ſey: könne es<lb/> doch der Kaiſer mit alle ſeinem wohlwollenden Bemühen<lb/> zu keinem Concilium bringen; er erbietet ſich, wenn es je-<lb/> mals noch zu einem ſolchen komme, oder zu einer National-<lb/> verſammlung, oder zu einem freien Religionsgeſpräch, wozu<lb/> er „äußerſten Vermögens“ beitragen wolle, ſich in allen der<lb/> göttlichen Schrift gemäßen und billigen Dingen ſagen zu<lb/> laſſen; aber indeß vergehe die Zeit, von der er doch einſt<lb/> dem oberſten Haushalter Rechenſchaft zu geben habe: län-<lb/> ger ſeyen die offenbaren Mißbräuche nicht zu dulden: man<lb/> würde ſonſt nur verführeriſche Secten und ihren ungöttlichen<lb/> Wahn befördern: und ſo verkündige er, nach der Pflicht,<lb/> mit der er dem allmächtigen Gott verwandt, nach dem<lb/> Beiſpiel der alten löblichen Könige des iſraelitiſchen Volkes,<lb/> dieſe Ordnung, welche er der göttlichen Wahrheit, dem Ge-<lb/> brauche der erſten reinen Kirche, dem Zeugniß der alten von<lb/> der Kirche angenommenen Väter, die ihre Lehren mit ihrem<lb/> Tode beſiegelt, gleichförmig erkenne. Er fordert ihre Beob-<lb/> achtung „mit gnädigem Geſinnen“, wie er ſich ausdrückt,<lb/> und „ernſtlichem Befehl“ ſowohl von ſeinen geiſtlichen wie<lb/> von ſeinen weltlichen Ständen.</p><lb/> <p>Es iſt doch die ganze Autonomie der fürſtlichen Ge-<lb/> walt, mit der er auftritt, dieſelbe aus welcher einſt die al-<lb/> ten Könige und Kaiſer bei der Einführung des Chriſten-<lb/> thums gehandelt.</p><lb/> <p>Aber dabei hatte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118557556">Joachim</persName> alles im Voraus reiflich er-<lb/> wogen, und auf keiner Seite war eigentlicher Widerſtand zu<lb/> befürchten.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [158/0170]
Siebentes Buch. Drittes Capitel.
davon aus, daß von den hohen geiſtlichen Häuptern eine
wahre Reformation niemals zu erwarten ſey: könne es
doch der Kaiſer mit alle ſeinem wohlwollenden Bemühen
zu keinem Concilium bringen; er erbietet ſich, wenn es je-
mals noch zu einem ſolchen komme, oder zu einer National-
verſammlung, oder zu einem freien Religionsgeſpräch, wozu
er „äußerſten Vermögens“ beitragen wolle, ſich in allen der
göttlichen Schrift gemäßen und billigen Dingen ſagen zu
laſſen; aber indeß vergehe die Zeit, von der er doch einſt
dem oberſten Haushalter Rechenſchaft zu geben habe: län-
ger ſeyen die offenbaren Mißbräuche nicht zu dulden: man
würde ſonſt nur verführeriſche Secten und ihren ungöttlichen
Wahn befördern: und ſo verkündige er, nach der Pflicht,
mit der er dem allmächtigen Gott verwandt, nach dem
Beiſpiel der alten löblichen Könige des iſraelitiſchen Volkes,
dieſe Ordnung, welche er der göttlichen Wahrheit, dem Ge-
brauche der erſten reinen Kirche, dem Zeugniß der alten von
der Kirche angenommenen Väter, die ihre Lehren mit ihrem
Tode beſiegelt, gleichförmig erkenne. Er fordert ihre Beob-
achtung „mit gnädigem Geſinnen“, wie er ſich ausdrückt,
und „ernſtlichem Befehl“ ſowohl von ſeinen geiſtlichen wie
von ſeinen weltlichen Ständen.
Es iſt doch die ganze Autonomie der fürſtlichen Ge-
walt, mit der er auftritt, dieſelbe aus welcher einſt die al-
ten Könige und Kaiſer bei der Einführung des Chriſten-
thums gehandelt.
Aber dabei hatte Joachim alles im Voraus reiflich er-
wogen, und auf keiner Seite war eigentlicher Widerſtand zu
befürchten.
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