Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Wechsel politischer Tendenzen. die auf die engste Vereinigung mit diesen Stiftern, welchedann nichts als eine Art von Oberherrlichkeit werden konnte, hinzielten, die auf Münster, ja auf Bremen ähnliche Absich- ten zu hegen schien, die Aufmerksamkeit und den Widerwil- len der Reichsstände erregt. Sie waren nicht geneigt, auch Geldern, auf das Cleve wenn nicht über allen Zweifel er- habene, doch auch nicht zu verwerfende Ansprüche besaß, ohne Weiteres an Östreich kommen zu lassen. Ich weiß freilich nicht, ob den Erklärungen des unglaublich versatilen bairi- schen Rathes Leonhard von Eck voller Glaube beizumessen ist: aber höchst merkwürdig ist doch die Antwort, die er auf die Anfrage was es zu bedeuten habe daß man in Baiern so viel Kriegsvorbereitungen treffe, Anfang 1540, dem Landgrafen Philipp gab. Wahrhaftig nicht gegen die Protestanten, sagte er, setze man sich in Verfassung, sondern vielmehr gegen den Kaiser, dessen Bündniß mit Frankreich der deutschen Frei- heit Gefahr drohe. Die Fürsten seyen uneinig, die Städte weder gerüstet noch entschlossen, die ganze Nation stecke -- so drückte er sich aus -- bis an den Hals im Moor. Erst den Einen, dann den Andern werde der Kaiser vornehmen; auch von Baiern sey mancherlei geschehen, was er werde rä- chen wollen. 1 Und sehr verbreitet waren diese Ansichten: man meinte fast, das Haus Burgund denke die alte Frei- heit ganz und gar zu vernichten; in dem Augenblick daß der Kaiser anlangte, beschlossen die Churfürsten, nach der al- ten Weise der Churvereine eine Zusammenkunft zu Gelnhau- 1 Eck an den Landgrafen Philipp 8 Jan. 1540. Copei was
Dr Eck mit dem guten Freunde (wahrscheinlich Gereon Sailer) und hinwieder der gute Freund mit ihm geredt. Wechſel politiſcher Tendenzen. die auf die engſte Vereinigung mit dieſen Stiftern, welchedann nichts als eine Art von Oberherrlichkeit werden konnte, hinzielten, die auf Münſter, ja auf Bremen ähnliche Abſich- ten zu hegen ſchien, die Aufmerkſamkeit und den Widerwil- len der Reichsſtände erregt. Sie waren nicht geneigt, auch Geldern, auf das Cleve wenn nicht über allen Zweifel er- habene, doch auch nicht zu verwerfende Anſprüche beſaß, ohne Weiteres an Öſtreich kommen zu laſſen. Ich weiß freilich nicht, ob den Erklärungen des unglaublich verſatilen bairi- ſchen Rathes Leonhard von Eck voller Glaube beizumeſſen iſt: aber höchſt merkwürdig iſt doch die Antwort, die er auf die Anfrage was es zu bedeuten habe daß man in Baiern ſo viel Kriegsvorbereitungen treffe, Anfang 1540, dem Landgrafen Philipp gab. Wahrhaftig nicht gegen die Proteſtanten, ſagte er, ſetze man ſich in Verfaſſung, ſondern vielmehr gegen den Kaiſer, deſſen Bündniß mit Frankreich der deutſchen Frei- heit Gefahr drohe. Die Fürſten ſeyen uneinig, die Städte weder gerüſtet noch entſchloſſen, die ganze Nation ſtecke — ſo drückte er ſich aus — bis an den Hals im Moor. Erſt den Einen, dann den Andern werde der Kaiſer vornehmen; auch von Baiern ſey mancherlei geſchehen, was er werde rä- chen wollen. 1 Und ſehr verbreitet waren dieſe Anſichten: man meinte faſt, das Haus Burgund denke die alte Frei- heit ganz und gar zu vernichten; in dem Augenblick daß der Kaiſer anlangte, beſchloſſen die Churfürſten, nach der al- ten Weiſe der Churvereine eine Zuſammenkunft zu Gelnhau- 1 Eck an den Landgrafen Philipp 8 Jan. 1540. Copei was
Dr Eck mit dem guten Freunde (wahrſcheinlich Gereon Sailer) und hinwieder der gute Freund mit ihm geredt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0195" n="183"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wechſel politiſcher Tendenzen</hi>.</fw><lb/> die auf die engſte Vereinigung mit dieſen Stiftern, welche<lb/> dann nichts als eine Art von Oberherrlichkeit werden konnte,<lb/> hinzielten, die auf <placeName>Münſter</placeName>, ja auf <placeName>Bremen</placeName> ähnliche Abſich-<lb/> ten zu hegen ſchien, die Aufmerkſamkeit und den Widerwil-<lb/> len der Reichsſtände erregt. Sie waren nicht geneigt, auch<lb/><placeName>Geldern</placeName>, auf das <placeName>Cleve</placeName> wenn nicht über allen Zweifel er-<lb/> habene, doch auch nicht zu verwerfende Anſprüche beſaß, ohne<lb/> Weiteres an <placeName>Öſtreich</placeName> kommen zu laſſen. Ich weiß freilich<lb/> nicht, ob den Erklärungen des unglaublich verſatilen bairi-<lb/> ſchen Rathes <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118528718">Leonhard von Eck</persName> voller Glaube beizumeſſen<lb/> iſt: aber höchſt merkwürdig iſt doch die Antwort, die er auf<lb/> die Anfrage was es zu bedeuten habe daß man in <placeName>Baiern</placeName> ſo<lb/> viel Kriegsvorbereitungen treffe, Anfang 1540, dem Landgrafen<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11859382X">Philipp</persName> gab. Wahrhaftig nicht gegen die Proteſtanten, ſagte<lb/> er, ſetze man ſich in Verfaſſung, ſondern vielmehr gegen den<lb/> Kaiſer, deſſen Bündniß mit <placeName>Frankreich</placeName> der deutſchen Frei-<lb/> heit Gefahr drohe. Die Fürſten ſeyen uneinig, die Städte<lb/> weder gerüſtet noch entſchloſſen, die ganze Nation ſtecke —<lb/> ſo drückte er ſich aus — bis an den Hals im Moor. Erſt<lb/> den Einen, dann den Andern werde der Kaiſer vornehmen;<lb/> auch von <placeName>Baiern</placeName> ſey mancherlei geſchehen, was er werde rä-<lb/> chen wollen. <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11852870X">Eck</persName> an den Landgrafen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11859382X">Philipp</persName> 8 Jan. 1540. Copei was<lb/> Dr <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11852870X">Eck</persName> mit dem guten Freunde (wahrſcheinlich <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116758627">Gereon Sailer</persName>) und<lb/> hinwieder der gute Freund mit ihm geredt.</note> Und ſehr verbreitet waren dieſe Anſichten:<lb/> man meinte faſt, das Haus <placeName>Burgund</placeName> denke die alte Frei-<lb/> heit ganz und gar zu vernichten; in dem Augenblick daß<lb/> der Kaiſer anlangte, beſchloſſen die Churfürſten, nach der al-<lb/> ten Weiſe der Churvereine eine Zuſammenkunft zu <placeName xml:id="plN2a" next="#plN2b">Gelnhau-</placeName><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0195]
Wechſel politiſcher Tendenzen.
die auf die engſte Vereinigung mit dieſen Stiftern, welche
dann nichts als eine Art von Oberherrlichkeit werden konnte,
hinzielten, die auf Münſter, ja auf Bremen ähnliche Abſich-
ten zu hegen ſchien, die Aufmerkſamkeit und den Widerwil-
len der Reichsſtände erregt. Sie waren nicht geneigt, auch
Geldern, auf das Cleve wenn nicht über allen Zweifel er-
habene, doch auch nicht zu verwerfende Anſprüche beſaß, ohne
Weiteres an Öſtreich kommen zu laſſen. Ich weiß freilich
nicht, ob den Erklärungen des unglaublich verſatilen bairi-
ſchen Rathes Leonhard von Eck voller Glaube beizumeſſen
iſt: aber höchſt merkwürdig iſt doch die Antwort, die er auf
die Anfrage was es zu bedeuten habe daß man in Baiern ſo
viel Kriegsvorbereitungen treffe, Anfang 1540, dem Landgrafen
Philipp gab. Wahrhaftig nicht gegen die Proteſtanten, ſagte
er, ſetze man ſich in Verfaſſung, ſondern vielmehr gegen den
Kaiſer, deſſen Bündniß mit Frankreich der deutſchen Frei-
heit Gefahr drohe. Die Fürſten ſeyen uneinig, die Städte
weder gerüſtet noch entſchloſſen, die ganze Nation ſtecke —
ſo drückte er ſich aus — bis an den Hals im Moor. Erſt
den Einen, dann den Andern werde der Kaiſer vornehmen;
auch von Baiern ſey mancherlei geſchehen, was er werde rä-
chen wollen. 1 Und ſehr verbreitet waren dieſe Anſichten:
man meinte faſt, das Haus Burgund denke die alte Frei-
heit ganz und gar zu vernichten; in dem Augenblick daß
der Kaiſer anlangte, beſchloſſen die Churfürſten, nach der al-
ten Weiſe der Churvereine eine Zuſammenkunft zu Gelnhau-
1 Eck an den Landgrafen Philipp 8 Jan. 1540. Copei was
Dr Eck mit dem guten Freunde (wahrſcheinlich Gereon Sailer) und
hinwieder der gute Freund mit ihm geredt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |