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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Verhältniß des Kaisers zum Papst.
man nicht hoffen, daß der heilige Vater, der sich als den
Mittelpunct der Christenheit auch in ihren Kämpfen gegen
die Ungläubigen ansah, diesen Abfall von dem alten Sy-
stem empfinden und sich von dem König zurückziehen werde?
Der Kaiser stellte vor, daß er die Christenheit gegen den Erb-
feind vertheidige und sein Gegner eben mit diesem in Ver-
bindung stehe: indem er eben nach Deutschland zu gehn
und an dem Kriege in Ungarn Theil zu nehmen gedacht,
habe ihn dieser ohne Verwarnung auf allen Seiten überfal-
len und bringe ihn in die größte Gefahr; er forderte den
Papst auf, den König nicht länger zu behandeln wie der
Vater im Evangelium den verlornen Sohn, was doch zu
nichts führe, sondern zu thun was er sich selber und dem
apostolischen Stuhle schuldig sey, und sich ernstlich gegen ihn
zu erklären. 1 Statt dessen schickte der Papst, festhaltend an
seiner Neutralität, einen Legaten, wie an den König, so auch
an den Kaiser, um den Frieden herzustellen. Der Kaiser ge-
rieth in heftige Aufwallung: "Nicht auf unsrer Seite", ant-
wortete er, "muß man den Frieden suchen; wir sind der be-
trogene angegriffene mißhandelte Theil; wir können nicht un-
terlassen, wozu unsre Pflicht uns zwingt." Er nöthigte den
Legaten auf der Stelle zurückzugehn und wiederholte nur sein
voriges Gesuch. 2

Um auch seinerseits den Papst seinen Unwillen fühlen
zu lassen, verordnete er, daß fortan kein Fremder eine Pfründe

1 L'empereur au Pape Paul 28 Aoaut. Pap. d'et. du Card.
Granvelle II,
634. Von demselben Datum und in verwandtem Sinn
ist ein Schreiben an seinen Bruder, das bei Altmeyer 454 excerpirt ist.
2 Schreiben des Papstes vom 26 Aug. Antwort des Kaisers
vom 29 Sept. 1542. Susmes circonvenus, provoquez, assailliz, ou-

Verhaͤltniß des Kaiſers zum Papſt.
man nicht hoffen, daß der heilige Vater, der ſich als den
Mittelpunct der Chriſtenheit auch in ihren Kämpfen gegen
die Ungläubigen anſah, dieſen Abfall von dem alten Sy-
ſtem empfinden und ſich von dem König zurückziehen werde?
Der Kaiſer ſtellte vor, daß er die Chriſtenheit gegen den Erb-
feind vertheidige und ſein Gegner eben mit dieſem in Ver-
bindung ſtehe: indem er eben nach Deutſchland zu gehn
und an dem Kriege in Ungarn Theil zu nehmen gedacht,
habe ihn dieſer ohne Verwarnung auf allen Seiten überfal-
len und bringe ihn in die größte Gefahr; er forderte den
Papſt auf, den König nicht länger zu behandeln wie der
Vater im Evangelium den verlornen Sohn, was doch zu
nichts führe, ſondern zu thun was er ſich ſelber und dem
apoſtoliſchen Stuhle ſchuldig ſey, und ſich ernſtlich gegen ihn
zu erklären. 1 Statt deſſen ſchickte der Papſt, feſthaltend an
ſeiner Neutralität, einen Legaten, wie an den König, ſo auch
an den Kaiſer, um den Frieden herzuſtellen. Der Kaiſer ge-
rieth in heftige Aufwallung: „Nicht auf unſrer Seite“, ant-
wortete er, „muß man den Frieden ſuchen; wir ſind der be-
trogene angegriffene mißhandelte Theil; wir können nicht un-
terlaſſen, wozu unſre Pflicht uns zwingt.“ Er nöthigte den
Legaten auf der Stelle zurückzugehn und wiederholte nur ſein
voriges Geſuch. 2

Um auch ſeinerſeits den Papſt ſeinen Unwillen fühlen
zu laſſen, verordnete er, daß fortan kein Fremder eine Pfründe

1 L’empereur au Pape Paul 28 Août. Pap. d’ét. du Card.
Granvelle II,
634. Von demſelben Datum und in verwandtem Sinn
iſt ein Schreiben an ſeinen Bruder, das bei Altmeyer 454 excerpirt iſt.
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[251/0263] Verhaͤltniß des Kaiſers zum Papſt. man nicht hoffen, daß der heilige Vater, der ſich als den Mittelpunct der Chriſtenheit auch in ihren Kämpfen gegen die Ungläubigen anſah, dieſen Abfall von dem alten Sy- ſtem empfinden und ſich von dem König zurückziehen werde? Der Kaiſer ſtellte vor, daß er die Chriſtenheit gegen den Erb- feind vertheidige und ſein Gegner eben mit dieſem in Ver- bindung ſtehe: indem er eben nach Deutſchland zu gehn und an dem Kriege in Ungarn Theil zu nehmen gedacht, habe ihn dieſer ohne Verwarnung auf allen Seiten überfal- len und bringe ihn in die größte Gefahr; er forderte den Papſt auf, den König nicht länger zu behandeln wie der Vater im Evangelium den verlornen Sohn, was doch zu nichts führe, ſondern zu thun was er ſich ſelber und dem apoſtoliſchen Stuhle ſchuldig ſey, und ſich ernſtlich gegen ihn zu erklären. 1 Statt deſſen ſchickte der Papſt, feſthaltend an ſeiner Neutralität, einen Legaten, wie an den König, ſo auch an den Kaiſer, um den Frieden herzuſtellen. Der Kaiſer ge- rieth in heftige Aufwallung: „Nicht auf unſrer Seite“, ant- wortete er, „muß man den Frieden ſuchen; wir ſind der be- trogene angegriffene mißhandelte Theil; wir können nicht un- terlaſſen, wozu unſre Pflicht uns zwingt.“ Er nöthigte den Legaten auf der Stelle zurückzugehn und wiederholte nur ſein voriges Geſuch. 2 Um auch ſeinerſeits den Papſt ſeinen Unwillen fühlen zu laſſen, verordnete er, daß fortan kein Fremder eine Pfründe 1 L’empereur au Pape Paul 28 Août. Pap. d’ét. du Card. Granvelle II, 634. Von demſelben Datum und in verwandtem Sinn iſt ein Schreiben an ſeinen Bruder, das bei Altmeyer 454 excerpirt iſt. 2 Schreiben des Papſtes vom 26 Aug. Antwort des Kaiſers vom 29 Sept. 1542. Susmes circonvenus, provoquéz, assailliz, ou-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/263>, abgerufen am 28.11.2024.