Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebentes Buch. Siebentes Capitel.

Luther beklagte sich, der Hof unternehme eine Sache
kühnlich: ehe sie aber noch nicht ins Geleise gekommen, wenn
man nur die Welt aufs neue auf sich geladen habe, rege
keiner die Hand.

Natürlich erfüllte Julius Pflug das Reich und den kai-
serlichen Hof mit seinen Klagen, und es spann sich dort eine
neue weitaussehende Streitigkeit an. Aber auch in der Nähe
zeigten sich widerwärtige Folgen. Der meißnische Adel fühlte
sich in Pflug, der einem seiner vornehmsten Geschlechter an-
gehörte, aufs neue beleidigt.

In einer verwandten Angelegenheit brach gleich darauf
ein Hader zwischen beiden Landschaften aus, der ernsthafter
zu werden drohte als jemals ein andrer.



Bei der Erbtheilung der beiden Linien im J. 1485 war
auch der Schutz und die Hoheit über die drei Bisthümer
vertheilt worden; den Albertinern war Merseburg, den Er-
nestinern Naumburg zugefallen: Meißen sollte beiden gemein-
schaftlich seyn. 1

Im Laufe der Zeit, bei der fortgehenden Ausbildung
des Territorialstaats, war nun aber geschehen, daß auch von
dem Stifte Meißen ein Theil sich mehr dem einen, ein an-
drer dem andern Fürstenthum anschloß. Namentlich erkannte
das Amt Wurzen die Hoheit der Ernestiner. Sie hatten
da das Geleite der Straßen, sie empfiengen die Beschwerden

1 Der Theilzettel sagt: das Bisthum Meißen "soll in unsers
l. Bruders, unsrer und unser beider mannlicher ehlicher leibserben
samptlichen schutz, schirm, vertaidung und handhabung seyn." Dieß
war durch den Grimmaischen Machtspruch bestätigt. (W. A.)
Siebentes Buch. Siebentes Capitel.

Luther beklagte ſich, der Hof unternehme eine Sache
kühnlich: ehe ſie aber noch nicht ins Geleiſe gekommen, wenn
man nur die Welt aufs neue auf ſich geladen habe, rege
keiner die Hand.

Natürlich erfüllte Julius Pflug das Reich und den kai-
ſerlichen Hof mit ſeinen Klagen, und es ſpann ſich dort eine
neue weitausſehende Streitigkeit an. Aber auch in der Nähe
zeigten ſich widerwärtige Folgen. Der meißniſche Adel fühlte
ſich in Pflug, der einem ſeiner vornehmſten Geſchlechter an-
gehörte, aufs neue beleidigt.

In einer verwandten Angelegenheit brach gleich darauf
ein Hader zwiſchen beiden Landſchaften aus, der ernſthafter
zu werden drohte als jemals ein andrer.



Bei der Erbtheilung der beiden Linien im J. 1485 war
auch der Schutz und die Hoheit über die drei Bisthümer
vertheilt worden; den Albertinern war Merſeburg, den Er-
neſtinern Naumburg zugefallen: Meißen ſollte beiden gemein-
ſchaftlich ſeyn. 1

Im Laufe der Zeit, bei der fortgehenden Ausbildung
des Territorialſtaats, war nun aber geſchehen, daß auch von
dem Stifte Meißen ein Theil ſich mehr dem einen, ein an-
drer dem andern Fürſtenthum anſchloß. Namentlich erkannte
das Amt Wurzen die Hoheit der Erneſtiner. Sie hatten
da das Geleite der Straßen, ſie empfiengen die Beſchwerden

1 Der Theilzettel ſagt: das Bisthum Meißen „ſoll in unſers
l. Bruders, unſrer und unſer beider mannlicher ehlicher leibserben
ſamptlichen ſchutz, ſchirm, vertaidung und handhabung ſeyn.“ Dieß
war durch den Grimmaiſchen Machtſpruch beſtaͤtigt. (W. A.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0282" n="270"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/>
          <p><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName> beklagte &#x017F;ich, der Hof unternehme eine Sache<lb/>
kühnlich: ehe &#x017F;ie aber noch nicht ins Gelei&#x017F;e gekommen, wenn<lb/>
man nur die Welt aufs neue auf &#x017F;ich geladen habe, rege<lb/>
keiner die Hand.</p><lb/>
          <p>Natürlich erfüllte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118714082">Julius Pflug</persName> das Reich und den kai-<lb/>
&#x017F;erlichen Hof mit &#x017F;einen Klagen, und es &#x017F;pann &#x017F;ich dort eine<lb/>
neue weitaus&#x017F;ehende Streitigkeit an. Aber auch in der Nähe<lb/>
zeigten &#x017F;ich widerwärtige Folgen. Der meißni&#x017F;che Adel fühlte<lb/>
&#x017F;ich in <placeName>Pflug</placeName>, der einem &#x017F;einer vornehm&#x017F;ten Ge&#x017F;chlechter an-<lb/>
gehörte, aufs neue beleidigt.</p><lb/>
          <p>In einer verwandten Angelegenheit brach gleich darauf<lb/>
ein Hader zwi&#x017F;chen beiden Land&#x017F;chaften aus, der ern&#x017F;thafter<lb/>
zu werden drohte als jemals ein andrer.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Bei der Erbtheilung der beiden Linien im J. 1485 war<lb/>
auch der Schutz und die Hoheit über die drei Bisthümer<lb/>
vertheilt worden; den Albertinern war <placeName>Mer&#x017F;eburg</placeName>, den Er-<lb/>
ne&#x017F;tinern <placeName>Naumburg</placeName> zugefallen: <placeName>Meißen</placeName> &#x017F;ollte beiden gemein-<lb/>
&#x017F;chaftlich &#x017F;eyn. <note place="foot" n="1">Der Theilzettel &#x017F;agt: das Bisthum <placeName>Meißen</placeName> &#x201E;&#x017F;oll in un&#x017F;ers<lb/>
l. Bruders, un&#x017F;rer und un&#x017F;er beider mannlicher ehlicher leibserben<lb/>
&#x017F;amptlichen &#x017F;chutz, &#x017F;chirm, vertaidung und handhabung &#x017F;eyn.&#x201C; Dieß<lb/>
war durch den Grimmai&#x017F;chen Macht&#x017F;pruch be&#x017F;ta&#x0364;tigt. (W. A.)</note></p><lb/>
          <p>Im Laufe der Zeit, bei der fortgehenden Ausbildung<lb/>
des Territorial&#x017F;taats, war nun aber ge&#x017F;chehen, daß auch von<lb/>
dem Stifte <placeName>Meißen</placeName> ein Theil &#x017F;ich mehr dem einen, ein an-<lb/>
drer dem andern Für&#x017F;tenthum an&#x017F;chloß. Namentlich erkannte<lb/>
das Amt <placeName>Wurzen</placeName> die Hoheit der Erne&#x017F;tiner. Sie hatten<lb/>
da das Geleite der Straßen, &#x017F;ie empfiengen die Be&#x017F;chwerden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0282] Siebentes Buch. Siebentes Capitel. Luther beklagte ſich, der Hof unternehme eine Sache kühnlich: ehe ſie aber noch nicht ins Geleiſe gekommen, wenn man nur die Welt aufs neue auf ſich geladen habe, rege keiner die Hand. Natürlich erfüllte Julius Pflug das Reich und den kai- ſerlichen Hof mit ſeinen Klagen, und es ſpann ſich dort eine neue weitausſehende Streitigkeit an. Aber auch in der Nähe zeigten ſich widerwärtige Folgen. Der meißniſche Adel fühlte ſich in Pflug, der einem ſeiner vornehmſten Geſchlechter an- gehörte, aufs neue beleidigt. In einer verwandten Angelegenheit brach gleich darauf ein Hader zwiſchen beiden Landſchaften aus, der ernſthafter zu werden drohte als jemals ein andrer. Bei der Erbtheilung der beiden Linien im J. 1485 war auch der Schutz und die Hoheit über die drei Bisthümer vertheilt worden; den Albertinern war Merſeburg, den Er- neſtinern Naumburg zugefallen: Meißen ſollte beiden gemein- ſchaftlich ſeyn. 1 Im Laufe der Zeit, bei der fortgehenden Ausbildung des Territorialſtaats, war nun aber geſchehen, daß auch von dem Stifte Meißen ein Theil ſich mehr dem einen, ein an- drer dem andern Fürſtenthum anſchloß. Namentlich erkannte das Amt Wurzen die Hoheit der Erneſtiner. Sie hatten da das Geleite der Straßen, ſie empfiengen die Beſchwerden 1 Der Theilzettel ſagt: das Bisthum Meißen „ſoll in unſers l. Bruders, unſrer und unſer beider mannlicher ehlicher leibserben ſamptlichen ſchutz, ſchirm, vertaidung und handhabung ſeyn.“ Dieß war durch den Grimmaiſchen Machtſpruch beſtaͤtigt. (W. A.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/282
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/282>, abgerufen am 03.06.2024.