Luther beklagte sich, der Hof unternehme eine Sache kühnlich: ehe sie aber noch nicht ins Geleise gekommen, wenn man nur die Welt aufs neue auf sich geladen habe, rege keiner die Hand.
Natürlich erfüllte Julius Pflug das Reich und den kai- serlichen Hof mit seinen Klagen, und es spann sich dort eine neue weitaussehende Streitigkeit an. Aber auch in der Nähe zeigten sich widerwärtige Folgen. Der meißnische Adel fühlte sich in Pflug, der einem seiner vornehmsten Geschlechter an- gehörte, aufs neue beleidigt.
In einer verwandten Angelegenheit brach gleich darauf ein Hader zwischen beiden Landschaften aus, der ernsthafter zu werden drohte als jemals ein andrer.
Bei der Erbtheilung der beiden Linien im J. 1485 war auch der Schutz und die Hoheit über die drei Bisthümer vertheilt worden; den Albertinern war Merseburg, den Er- nestinern Naumburg zugefallen: Meißen sollte beiden gemein- schaftlich seyn. 1
Im Laufe der Zeit, bei der fortgehenden Ausbildung des Territorialstaats, war nun aber geschehen, daß auch von dem Stifte Meißen ein Theil sich mehr dem einen, ein an- drer dem andern Fürstenthum anschloß. Namentlich erkannte das Amt Wurzen die Hoheit der Ernestiner. Sie hatten da das Geleite der Straßen, sie empfiengen die Beschwerden
1 Der Theilzettel sagt: das Bisthum Meißen "soll in unsers l. Bruders, unsrer und unser beider mannlicher ehlicher leibserben samptlichen schutz, schirm, vertaidung und handhabung seyn." Dieß war durch den Grimmaischen Machtspruch bestätigt. (W. A.)
Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
Luther beklagte ſich, der Hof unternehme eine Sache kühnlich: ehe ſie aber noch nicht ins Geleiſe gekommen, wenn man nur die Welt aufs neue auf ſich geladen habe, rege keiner die Hand.
Natürlich erfüllte Julius Pflug das Reich und den kai- ſerlichen Hof mit ſeinen Klagen, und es ſpann ſich dort eine neue weitausſehende Streitigkeit an. Aber auch in der Nähe zeigten ſich widerwärtige Folgen. Der meißniſche Adel fühlte ſich in Pflug, der einem ſeiner vornehmſten Geſchlechter an- gehörte, aufs neue beleidigt.
In einer verwandten Angelegenheit brach gleich darauf ein Hader zwiſchen beiden Landſchaften aus, der ernſthafter zu werden drohte als jemals ein andrer.
Bei der Erbtheilung der beiden Linien im J. 1485 war auch der Schutz und die Hoheit über die drei Bisthümer vertheilt worden; den Albertinern war Merſeburg, den Er- neſtinern Naumburg zugefallen: Meißen ſollte beiden gemein- ſchaftlich ſeyn. 1
Im Laufe der Zeit, bei der fortgehenden Ausbildung des Territorialſtaats, war nun aber geſchehen, daß auch von dem Stifte Meißen ein Theil ſich mehr dem einen, ein an- drer dem andern Fürſtenthum anſchloß. Namentlich erkannte das Amt Wurzen die Hoheit der Erneſtiner. Sie hatten da das Geleite der Straßen, ſie empfiengen die Beſchwerden
1 Der Theilzettel ſagt: das Bisthum Meißen „ſoll in unſers l. Bruders, unſrer und unſer beider mannlicher ehlicher leibserben ſamptlichen ſchutz, ſchirm, vertaidung und handhabung ſeyn.“ Dieß war durch den Grimmaiſchen Machtſpruch beſtaͤtigt. (W. A.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0282"n="270"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Siebentes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/><p><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName> beklagte ſich, der Hof unternehme eine Sache<lb/>
kühnlich: ehe ſie aber noch nicht ins Geleiſe gekommen, wenn<lb/>
man nur die Welt aufs neue auf ſich geladen habe, rege<lb/>
keiner die Hand.</p><lb/><p>Natürlich erfüllte <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118714082">Julius Pflug</persName> das Reich und den kai-<lb/>ſerlichen Hof mit ſeinen Klagen, und es ſpann ſich dort eine<lb/>
neue weitausſehende Streitigkeit an. Aber auch in der Nähe<lb/>
zeigten ſich widerwärtige Folgen. Der meißniſche Adel fühlte<lb/>ſich in <placeName>Pflug</placeName>, der einem ſeiner vornehmſten Geſchlechter an-<lb/>
gehörte, aufs neue beleidigt.</p><lb/><p>In einer verwandten Angelegenheit brach gleich darauf<lb/>
ein Hader zwiſchen beiden Landſchaften aus, der ernſthafter<lb/>
zu werden drohte als jemals ein andrer.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Bei der Erbtheilung der beiden Linien im J. 1485 war<lb/>
auch der Schutz und die Hoheit über die drei Bisthümer<lb/>
vertheilt worden; den Albertinern war <placeName>Merſeburg</placeName>, den Er-<lb/>
neſtinern <placeName>Naumburg</placeName> zugefallen: <placeName>Meißen</placeName>ſollte beiden gemein-<lb/>ſchaftlich ſeyn. <noteplace="foot"n="1">Der Theilzettel ſagt: das Bisthum <placeName>Meißen</placeName>„ſoll in unſers<lb/>
l. Bruders, unſrer und unſer beider mannlicher ehlicher leibserben<lb/>ſamptlichen ſchutz, ſchirm, vertaidung und handhabung ſeyn.“ Dieß<lb/>
war durch den Grimmaiſchen Machtſpruch beſtaͤtigt. (W. A.)</note></p><lb/><p>Im Laufe der Zeit, bei der fortgehenden Ausbildung<lb/>
des Territorialſtaats, war nun aber geſchehen, daß auch von<lb/>
dem Stifte <placeName>Meißen</placeName> ein Theil ſich mehr dem einen, ein an-<lb/>
drer dem andern Fürſtenthum anſchloß. Namentlich erkannte<lb/>
das Amt <placeName>Wurzen</placeName> die Hoheit der Erneſtiner. Sie hatten<lb/>
da das Geleite der Straßen, ſie empfiengen die Beſchwerden<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[270/0282]
Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
Luther beklagte ſich, der Hof unternehme eine Sache
kühnlich: ehe ſie aber noch nicht ins Geleiſe gekommen, wenn
man nur die Welt aufs neue auf ſich geladen habe, rege
keiner die Hand.
Natürlich erfüllte Julius Pflug das Reich und den kai-
ſerlichen Hof mit ſeinen Klagen, und es ſpann ſich dort eine
neue weitausſehende Streitigkeit an. Aber auch in der Nähe
zeigten ſich widerwärtige Folgen. Der meißniſche Adel fühlte
ſich in Pflug, der einem ſeiner vornehmſten Geſchlechter an-
gehörte, aufs neue beleidigt.
In einer verwandten Angelegenheit brach gleich darauf
ein Hader zwiſchen beiden Landſchaften aus, der ernſthafter
zu werden drohte als jemals ein andrer.
Bei der Erbtheilung der beiden Linien im J. 1485 war
auch der Schutz und die Hoheit über die drei Bisthümer
vertheilt worden; den Albertinern war Merſeburg, den Er-
neſtinern Naumburg zugefallen: Meißen ſollte beiden gemein-
ſchaftlich ſeyn. 1
Im Laufe der Zeit, bei der fortgehenden Ausbildung
des Territorialſtaats, war nun aber geſchehen, daß auch von
dem Stifte Meißen ein Theil ſich mehr dem einen, ein an-
drer dem andern Fürſtenthum anſchloß. Namentlich erkannte
das Amt Wurzen die Hoheit der Erneſtiner. Sie hatten
da das Geleite der Straßen, ſie empfiengen die Beſchwerden
1 Der Theilzettel ſagt: das Bisthum Meißen „ſoll in unſers
l. Bruders, unſrer und unſer beider mannlicher ehlicher leibserben
ſamptlichen ſchutz, ſchirm, vertaidung und handhabung ſeyn.“ Dieß
war durch den Grimmaiſchen Machtſpruch beſtaͤtigt. (W. A.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/282>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.