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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Politik der Protestanten.
Hierauf brachte der Churfürst die Aufnahme desselben in den
schmalkaldischen Bund förmlich in Antrag: denn gewiß werde er
dem göttlichen Worte nun auch weiter Raum geben, und auf
keinen Fall dürfe man ihn dem Hasse der Papisten überlassen. 1

Hätte man es wohl den Protestanten verargen können,
wenn sie sich dieser natürlichen Verbündeten angenommen,
und, ohne darum auf entlegene Beziehungen einzugehn, die
Gunst der Umstände benutzt hätten, um den festen Frieden
den sie immer gefordert, ohne Rücksicht auf Kammergericht
oder Concil, sich endlich definitiv zu verschaffen? Hätte nicht
vielleicht ihr Interesse das wirklich erheischt?

Wenigstens im Jahre 1540 waren sie auf diesem Wege
gewesen. Zwischen Dänemark, Cleve und den protestanti-
schen Fürsten war über einen Bund verhandelt worden, der
sie alle vereinen sollte.

Indessen, es geschah nicht, und zwar aus folgenden
Gründen.

Vor allem: der Fürst, von dem bisher der Antrieb zu
jeder entschiedenen Thätigkeit ausgegangen, Landgraf Philipp,
ward durch seinen Vertrag von 1541 gefesselt. Er hatte
sich darin nur nicht verpflichten lassen, den Herzog von Cleve
selber anzugreifen, ausdrücklich aber hatte er versprochen, ihn
nicht zu unterstützen. Wohlmeinend und in aller Güte, aber
unbedingt wies er den Antrag des Churfürsten, Cleve in
den Bund aufzunehmen, zurück. Und auch das dänische Ver-
hältniß hatten die Kaiserlichen bei jenem Vertrage nicht über-
sehen. Der Landgraf hatte auf alle Bündnisse in zeitlichen
Sachen, in denen der Kaiser nicht namentlich ausgenommen

1 Schreiben des Churfürsten Dienstag nach Fabiani. W. A.
Ranke D. Gesch. IV. 19

Politik der Proteſtanten.
Hierauf brachte der Churfürſt die Aufnahme deſſelben in den
ſchmalkaldiſchen Bund förmlich in Antrag: denn gewiß werde er
dem göttlichen Worte nun auch weiter Raum geben, und auf
keinen Fall dürfe man ihn dem Haſſe der Papiſten überlaſſen. 1

Hätte man es wohl den Proteſtanten verargen können,
wenn ſie ſich dieſer natürlichen Verbündeten angenommen,
und, ohne darum auf entlegene Beziehungen einzugehn, die
Gunſt der Umſtände benutzt hätten, um den feſten Frieden
den ſie immer gefordert, ohne Rückſicht auf Kammergericht
oder Concil, ſich endlich definitiv zu verſchaffen? Hätte nicht
vielleicht ihr Intereſſe das wirklich erheiſcht?

Wenigſtens im Jahre 1540 waren ſie auf dieſem Wege
geweſen. Zwiſchen Dänemark, Cleve und den proteſtanti-
ſchen Fürſten war über einen Bund verhandelt worden, der
ſie alle vereinen ſollte.

Indeſſen, es geſchah nicht, und zwar aus folgenden
Gründen.

Vor allem: der Fürſt, von dem bisher der Antrieb zu
jeder entſchiedenen Thätigkeit ausgegangen, Landgraf Philipp,
ward durch ſeinen Vertrag von 1541 gefeſſelt. Er hatte
ſich darin nur nicht verpflichten laſſen, den Herzog von Cleve
ſelber anzugreifen, ausdrücklich aber hatte er verſprochen, ihn
nicht zu unterſtützen. Wohlmeinend und in aller Güte, aber
unbedingt wies er den Antrag des Churfürſten, Cleve in
den Bund aufzunehmen, zurück. Und auch das däniſche Ver-
hältniß hatten die Kaiſerlichen bei jenem Vertrage nicht über-
ſehen. Der Landgraf hatte auf alle Bündniſſe in zeitlichen
Sachen, in denen der Kaiſer nicht namentlich ausgenommen

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[289/0301] Politik der Proteſtanten. Hierauf brachte der Churfürſt die Aufnahme deſſelben in den ſchmalkaldiſchen Bund förmlich in Antrag: denn gewiß werde er dem göttlichen Worte nun auch weiter Raum geben, und auf keinen Fall dürfe man ihn dem Haſſe der Papiſten überlaſſen. 1 Hätte man es wohl den Proteſtanten verargen können, wenn ſie ſich dieſer natürlichen Verbündeten angenommen, und, ohne darum auf entlegene Beziehungen einzugehn, die Gunſt der Umſtände benutzt hätten, um den feſten Frieden den ſie immer gefordert, ohne Rückſicht auf Kammergericht oder Concil, ſich endlich definitiv zu verſchaffen? Hätte nicht vielleicht ihr Intereſſe das wirklich erheiſcht? Wenigſtens im Jahre 1540 waren ſie auf dieſem Wege geweſen. Zwiſchen Dänemark, Cleve und den proteſtanti- ſchen Fürſten war über einen Bund verhandelt worden, der ſie alle vereinen ſollte. Indeſſen, es geſchah nicht, und zwar aus folgenden Gründen. Vor allem: der Fürſt, von dem bisher der Antrieb zu jeder entſchiedenen Thätigkeit ausgegangen, Landgraf Philipp, ward durch ſeinen Vertrag von 1541 gefeſſelt. Er hatte ſich darin nur nicht verpflichten laſſen, den Herzog von Cleve ſelber anzugreifen, ausdrücklich aber hatte er verſprochen, ihn nicht zu unterſtützen. Wohlmeinend und in aller Güte, aber unbedingt wies er den Antrag des Churfürſten, Cleve in den Bund aufzunehmen, zurück. Und auch das däniſche Ver- hältniß hatten die Kaiſerlichen bei jenem Vertrage nicht über- ſehen. Der Landgraf hatte auf alle Bündniſſe in zeitlichen Sachen, in denen der Kaiſer nicht namentlich ausgenommen 1 Schreiben des Churfuͤrſten Dienſtag nach Fabiani. W. A. Ranke D. Geſch. IV. 19

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/301>, abgerufen am 22.11.2024.