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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Friede zu Crespy.
keit über burgundische Erbländer, die er wieder in Anspruch
nahm, zugleich für seine Erben Verzicht leistete. Die Stände
und der Dauphin sollten diese Verzichtleistungen ratificiren. 1

Der König von England hatte gewünscht, zum Schieds-
richter über die Streitigkeiten zwischen Frankreich und dem
Kaiser aufgestellt zu werden: in dem Frieden unterwarf sich
Frankreich dem Ausspruch des Kaisers über seine Streitig-
keiten mit England.

Dahin also förderten die Unterstützungen des Reiches
den Kaiser sehr bald, daß er unzweifelhafte Vortheile über
seinen alten Gegner davontrug; in welchem Sinne er nun
aber dieselben zu benutzen gedenke, war doch auf der Stelle
nicht ganz deutlich.

Im Tractat verpflichtete sich der König, den Kaiser nicht
allein wider die Türken, sondern auch zur Wiedervereinigung
des Glaubens zu unterstützen.

Eben was das letzte zu bedeuten habe, so unverfänglich
die Worte an sich auch lauten, war dunkel; nach allen Sei-
ten hin gab sich darüber Besorgniß und Aufregung kund.

Und wirklich finden sich Spuren, daß dem Tractat noch
ein geheimer Artikel oder ein zweiter Vertrag beigefügt ward,
der nie zum Vorschein gekommen ist, von dem wir aber wis-
sen, daß er diesen Punct näher erläuterte. 2


1 Sie trugen jedoch Bedenken dieß zu thun. Es existirt eine
geheime Protestation des Dauphin, besonders wider "la renoncia-
tion de la souverainete de Flandre, le droit des roiaumes de Na-
ples
, duche de Milan, conte d'Ast, restitution de terres etc."
Du
Mont
IV, ii, 288.
2 Die Engländer warfen 1546 dem Kaiser vor, daß er da-
mals zwei Tractate mit Frankreich gemacht und ihnen nur einen mit-
getheilt: having made two treaties, he made us prevye but of
oon.
Die Antwort des kaiserlichen Gesandten, daß des Kaisers Ver-

Friede zu Creſpy.
keit über burgundiſche Erbländer, die er wieder in Anſpruch
nahm, zugleich für ſeine Erben Verzicht leiſtete. Die Stände
und der Dauphin ſollten dieſe Verzichtleiſtungen ratificiren. 1

Der König von England hatte gewünſcht, zum Schieds-
richter über die Streitigkeiten zwiſchen Frankreich und dem
Kaiſer aufgeſtellt zu werden: in dem Frieden unterwarf ſich
Frankreich dem Ausſpruch des Kaiſers über ſeine Streitig-
keiten mit England.

Dahin alſo förderten die Unterſtützungen des Reiches
den Kaiſer ſehr bald, daß er unzweifelhafte Vortheile über
ſeinen alten Gegner davontrug; in welchem Sinne er nun
aber dieſelben zu benutzen gedenke, war doch auf der Stelle
nicht ganz deutlich.

Im Tractat verpflichtete ſich der König, den Kaiſer nicht
allein wider die Türken, ſondern auch zur Wiedervereinigung
des Glaubens zu unterſtützen.

Eben was das letzte zu bedeuten habe, ſo unverfänglich
die Worte an ſich auch lauten, war dunkel; nach allen Sei-
ten hin gab ſich darüber Beſorgniß und Aufregung kund.

Und wirklich finden ſich Spuren, daß dem Tractat noch
ein geheimer Artikel oder ein zweiter Vertrag beigefügt ward,
der nie zum Vorſchein gekommen iſt, von dem wir aber wiſ-
ſen, daß er dieſen Punct näher erläuterte. 2


1 Sie trugen jedoch Bedenken dieß zu thun. Es exiſtirt eine
geheime Proteſtation des Dauphin, beſonders wider „la renoncia-
tion de la souveraineté de Flandre, le droit des roiaumes de Na-
ples
, duché de Milan, conté d’Ast, restitution de terres etc.“
Du
Mont
IV, ii, 288.
2 Die Englaͤnder warfen 1546 dem Kaiſer vor, daß er da-
mals zwei Tractate mit Frankreich gemacht und ihnen nur einen mit-
getheilt: having made two treaties, he made us prevye but of
oon.
Die Antwort des kaiſerlichen Geſandten, daß des Kaiſers Ver-
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[317/0329] Friede zu Creſpy. keit über burgundiſche Erbländer, die er wieder in Anſpruch nahm, zugleich für ſeine Erben Verzicht leiſtete. Die Stände und der Dauphin ſollten dieſe Verzichtleiſtungen ratificiren. 1 Der König von England hatte gewünſcht, zum Schieds- richter über die Streitigkeiten zwiſchen Frankreich und dem Kaiſer aufgeſtellt zu werden: in dem Frieden unterwarf ſich Frankreich dem Ausſpruch des Kaiſers über ſeine Streitig- keiten mit England. Dahin alſo förderten die Unterſtützungen des Reiches den Kaiſer ſehr bald, daß er unzweifelhafte Vortheile über ſeinen alten Gegner davontrug; in welchem Sinne er nun aber dieſelben zu benutzen gedenke, war doch auf der Stelle nicht ganz deutlich. Im Tractat verpflichtete ſich der König, den Kaiſer nicht allein wider die Türken, ſondern auch zur Wiedervereinigung des Glaubens zu unterſtützen. Eben was das letzte zu bedeuten habe, ſo unverfänglich die Worte an ſich auch lauten, war dunkel; nach allen Sei- ten hin gab ſich darüber Beſorgniß und Aufregung kund. Und wirklich finden ſich Spuren, daß dem Tractat noch ein geheimer Artikel oder ein zweiter Vertrag beigefügt ward, der nie zum Vorſchein gekommen iſt, von dem wir aber wiſ- ſen, daß er dieſen Punct näher erläuterte. 2 1 Sie trugen jedoch Bedenken dieß zu thun. Es exiſtirt eine geheime Proteſtation des Dauphin, beſonders wider „la renoncia- tion de la souveraineté de Flandre, le droit des roiaumes de Na- ples, duché de Milan, conté d’Ast, restitution de terres etc.“ Du Mont IV, ii, 288. 2 Die Englaͤnder warfen 1546 dem Kaiſer vor, daß er da- mals zwei Tractate mit Frankreich gemacht und ihnen nur einen mit- getheilt: having made two treaties, he made us prevye but of oon. Die Antwort des kaiſerlichen Geſandten, daß des Kaiſers Ver-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/329>, abgerufen am 22.11.2024.