Wenden wir dann unsern Blick zuerst nach dem südli- chen Deutschland, den östreichisch-baierischen Gegenden, so erregt vor allem der Übertritt der Stadt Regensburg unser Interesse.
Längst waren auch hier evangelische Schullehrer ange- stellt, evangelische Predigten, namentlich an den Reichstagen, gehört worden; schon nahmen viele Bürger das Abendmahl unter beiderlei Gestalt: endlich begann "der beredte Pfaff", Erasmus Zollner, nachdem ihn der Rath für die Kirche zur schönen Maria zum Prediger angenommen, die evangelischen Lehren mit aller Ordnung und Nachhaltigkeit, unter unge- heurem Beifall, zu verkündigen.
Das hätte bei der Nähe, den alten Ansprüchen und dem Religionseifer der Herzoge von Baiern nun wohl sehr gefährliche Folgen haben können; aber es gieng wie einst mit Augsburg: Östreich gewährte der Stadt einen Rückhalt, auf den sie sich verlassen konnte.
Zwar mahnte König Ferdinand die Stadt von jeder Neuerung ab; als sie ihm aber hierauf eine ausführliche Erklärung über die Nothwendigkeit nicht allein der Predigt, sondern auch der andern Neuerungen an dem Reichstag zu- gehn ließ, vermied er es eine Antwort darauf zu geben; als er bald darnach auf der Rückreise in Regensburg über- nachtete, gab er wenigstens kein Zeichen seines Mißfallens. Dieß Schweigen nun sah der Rath als eine Art von Billi- gung an, so daß er jetzt erst recht entschlossen vorschritt. Am 27sten August 1542 war Ferdinand in Regensburg ge- wesen: am 3ten September räumte man dem Prediger die Kirche des Franciscanerklosters ein; auf eine erneuerte Bitte der Gemeine um Zulassung der Communion unter beiderlei
Siebentes Buch. Neuntes Capitel.
Wenden wir dann unſern Blick zuerſt nach dem ſüdli- chen Deutſchland, den öſtreichiſch-baieriſchen Gegenden, ſo erregt vor allem der Übertritt der Stadt Regensburg unſer Intereſſe.
Längſt waren auch hier evangeliſche Schullehrer ange- ſtellt, evangeliſche Predigten, namentlich an den Reichstagen, gehört worden; ſchon nahmen viele Bürger das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt: endlich begann „der beredte Pfaff“, Erasmus Zollner, nachdem ihn der Rath für die Kirche zur ſchönen Maria zum Prediger angenommen, die evangeliſchen Lehren mit aller Ordnung und Nachhaltigkeit, unter unge- heurem Beifall, zu verkündigen.
Das hätte bei der Nähe, den alten Anſprüchen und dem Religionseifer der Herzoge von Baiern nun wohl ſehr gefährliche Folgen haben können; aber es gieng wie einſt mit Augsburg: Öſtreich gewährte der Stadt einen Rückhalt, auf den ſie ſich verlaſſen konnte.
Zwar mahnte König Ferdinand die Stadt von jeder Neuerung ab; als ſie ihm aber hierauf eine ausführliche Erklärung über die Nothwendigkeit nicht allein der Predigt, ſondern auch der andern Neuerungen an dem Reichstag zu- gehn ließ, vermied er es eine Antwort darauf zu geben; als er bald darnach auf der Rückreiſe in Regensburg über- nachtete, gab er wenigſtens kein Zeichen ſeines Mißfallens. Dieß Schweigen nun ſah der Rath als eine Art von Billi- gung an, ſo daß er jetzt erſt recht entſchloſſen vorſchritt. Am 27ſten Auguſt 1542 war Ferdinand in Regensburg ge- weſen: am 3ten September räumte man dem Prediger die Kirche des Franciscanerkloſters ein; auf eine erneuerte Bitte der Gemeine um Zulaſſung der Communion unter beiderlei
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Siebentes Buch. Neuntes Capitel.
Wenden wir dann unſern Blick zuerſt nach dem ſüdli-
chen Deutſchland, den öſtreichiſch-baieriſchen Gegenden, ſo
erregt vor allem der Übertritt der Stadt Regensburg unſer
Intereſſe.
Längſt waren auch hier evangeliſche Schullehrer ange-
ſtellt, evangeliſche Predigten, namentlich an den Reichstagen,
gehört worden; ſchon nahmen viele Bürger das Abendmahl
unter beiderlei Geſtalt: endlich begann „der beredte Pfaff“,
Erasmus Zollner, nachdem ihn der Rath für die Kirche zur
ſchönen Maria zum Prediger angenommen, die evangeliſchen
Lehren mit aller Ordnung und Nachhaltigkeit, unter unge-
heurem Beifall, zu verkündigen.
Das hätte bei der Nähe, den alten Anſprüchen und
dem Religionseifer der Herzoge von Baiern nun wohl ſehr
gefährliche Folgen haben können; aber es gieng wie einſt
mit Augsburg: Öſtreich gewährte der Stadt einen Rückhalt,
auf den ſie ſich verlaſſen konnte.
Zwar mahnte König Ferdinand die Stadt von jeder
Neuerung ab; als ſie ihm aber hierauf eine ausführliche
Erklärung über die Nothwendigkeit nicht allein der Predigt,
ſondern auch der andern Neuerungen an dem Reichstag zu-
gehn ließ, vermied er es eine Antwort darauf zu geben;
als er bald darnach auf der Rückreiſe in Regensburg über-
nachtete, gab er wenigſtens kein Zeichen ſeines Mißfallens.
Dieß Schweigen nun ſah der Rath als eine Art von Billi-
gung an, ſo daß er jetzt erſt recht entſchloſſen vorſchritt.
Am 27ſten Auguſt 1542 war Ferdinand in Regensburg ge-
weſen: am 3ten September räumte man dem Prediger die
Kirche des Franciscanerkloſters ein; auf eine erneuerte Bitte
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/334>, abgerufen am 22.11.2024.
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