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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Ursprung des Krieges. Concilium.
verpflichtet als sie dem Kaiser? Der Mangel liegt mir darin,
daß sie sich mit dem Worte an sich begnügt hatten, ohne
eine vollständigere Erklärung seiner Bedeutung. Daß der
Kaiser nicht ganz auf ihren Sinn eingieng, konnten sie sehr
gut wissen: das Wort "unparteiisch", welches sie ebenfalls
gefordert, ließ er sich nicht aufdringen. Und gestehn muß
man: daß in den Ansprüchen der Protestanten für den Kaiser
auf seinem Standpunct etwas Unpractisches und Unausführ-
bares lag. Es schien ihm genug, daß er den Papst zur
Berufung eines Conciliums vermocht hatte; er behielt sich
vor, dafür zu sorgen daß es nicht ganz und gar unter des-
sen Einfluß gerathe; aber eine Veränderung der Verfassung
im Voraus durchzusetzen, war bei dem Einfluß der Curie nicht
allein auf das romanische Europa sondern auch auf die Mehr-
heit der Stände in Deutschland, ein Ding der Unmöglichkeit.

So stellten sich die beiden Tendenzen, die eine Zeitlang
mit einander gegangen, in ihrem vollen natürlichen Wider-
spruch einander gegenüber.

Die Protestanten behaupteten, das angekündigte Concil
sey weder allgemein, noch frei, noch auch christlich; der Kai-
ser ließ sich diese Rede nicht anfechten. Jene wiederholten
auch ihm die Forderung, daß ihnen Recht und Friede ver-
sichert werden möge, ohne alle Rücksicht auf das Concil,
möge dessen Ausspruch nun ausfallen wie er wolle. Der
Kaiser antwortete: er könne ihnen eine solche Versicherung
der andern Nationen halber nicht geben: es würde ihm "zum

nigen nicht gehorsam seyn wollten, wie allgereit zu besorgen, dieweil
ßeithere man uf das Concilium gelendet und gesagt ßein wollen das
solich Concilium frei sein ßoll" -- --

Urſprung des Krieges. Concilium.
verpflichtet als ſie dem Kaiſer? Der Mangel liegt mir darin,
daß ſie ſich mit dem Worte an ſich begnügt hatten, ohne
eine vollſtändigere Erklärung ſeiner Bedeutung. Daß der
Kaiſer nicht ganz auf ihren Sinn eingieng, konnten ſie ſehr
gut wiſſen: das Wort „unparteiiſch“, welches ſie ebenfalls
gefordert, ließ er ſich nicht aufdringen. Und geſtehn muß
man: daß in den Anſprüchen der Proteſtanten für den Kaiſer
auf ſeinem Standpunct etwas Unpractiſches und Unausführ-
bares lag. Es ſchien ihm genug, daß er den Papſt zur
Berufung eines Conciliums vermocht hatte; er behielt ſich
vor, dafür zu ſorgen daß es nicht ganz und gar unter deſ-
ſen Einfluß gerathe; aber eine Veränderung der Verfaſſung
im Voraus durchzuſetzen, war bei dem Einfluß der Curie nicht
allein auf das romaniſche Europa ſondern auch auf die Mehr-
heit der Stände in Deutſchland, ein Ding der Unmöglichkeit.

So ſtellten ſich die beiden Tendenzen, die eine Zeitlang
mit einander gegangen, in ihrem vollen natürlichen Wider-
ſpruch einander gegenüber.

Die Proteſtanten behaupteten, das angekündigte Concil
ſey weder allgemein, noch frei, noch auch chriſtlich; der Kai-
ſer ließ ſich dieſe Rede nicht anfechten. Jene wiederholten
auch ihm die Forderung, daß ihnen Recht und Friede ver-
ſichert werden möge, ohne alle Rückſicht auf das Concil,
möge deſſen Ausſpruch nun ausfallen wie er wolle. Der
Kaiſer antwortete: er könne ihnen eine ſolche Verſicherung
der andern Nationen halber nicht geben: es würde ihm „zum

nigen nicht gehorſam ſeyn wollten, wie allgereit zu beſorgen, dieweil
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[357/0369] Urſprung des Krieges. Concilium. verpflichtet als ſie dem Kaiſer? Der Mangel liegt mir darin, daß ſie ſich mit dem Worte an ſich begnügt hatten, ohne eine vollſtändigere Erklärung ſeiner Bedeutung. Daß der Kaiſer nicht ganz auf ihren Sinn eingieng, konnten ſie ſehr gut wiſſen: das Wort „unparteiiſch“, welches ſie ebenfalls gefordert, ließ er ſich nicht aufdringen. Und geſtehn muß man: daß in den Anſprüchen der Proteſtanten für den Kaiſer auf ſeinem Standpunct etwas Unpractiſches und Unausführ- bares lag. Es ſchien ihm genug, daß er den Papſt zur Berufung eines Conciliums vermocht hatte; er behielt ſich vor, dafür zu ſorgen daß es nicht ganz und gar unter deſ- ſen Einfluß gerathe; aber eine Veränderung der Verfaſſung im Voraus durchzuſetzen, war bei dem Einfluß der Curie nicht allein auf das romaniſche Europa ſondern auch auf die Mehr- heit der Stände in Deutſchland, ein Ding der Unmöglichkeit. So ſtellten ſich die beiden Tendenzen, die eine Zeitlang mit einander gegangen, in ihrem vollen natürlichen Wider- ſpruch einander gegenüber. Die Proteſtanten behaupteten, das angekündigte Concil ſey weder allgemein, noch frei, noch auch chriſtlich; der Kai- ſer ließ ſich dieſe Rede nicht anfechten. Jene wiederholten auch ihm die Forderung, daß ihnen Recht und Friede ver- ſichert werden möge, ohne alle Rückſicht auf das Concil, möge deſſen Ausſpruch nun ausfallen wie er wolle. Der Kaiſer antwortete: er könne ihnen eine ſolche Verſicherung der andern Nationen halber nicht geben: es würde ihm „zum 2 2 nigen nicht gehorſam ſeyn wollten, wie allgereit zu beſorgen, dieweil ßeithere man uf das Concilium gelendet und geſagt ßein wollen das ſolich Concilium frei ſein ßoll“ — —

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/369>, abgerufen am 22.11.2024.