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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Ursprung des Krieges. Cöllnische Sache.

Wir werden bald sehen, wie sehr er sich darin täuschte:
welche Vorbereitungen dieser, ganz ins Geheim, eben damals
traf. Er wußte wie viel ihm an der Unterwerfung der Pro-
testanten unter das Concil gelegen sey, und war entschlossen
sie zu erzwingen.

Zunächst betrachten wir noch ein anderes Verhältniß,
das ihm eine Richtung eben dahin gab.

Bekannt ist, welche Bedeutung für die ganze Staats-
verwaltung Carls V, namentlich in finanzieller Hinsicht, die
Niederlande hatten. Es bildete eine der vornehmsten Rücksich-
ten seiner Politik, hier materiellen Wohlstand, und zu dem Ende
Frieden im Innern, gute Verhältnisse nach Außen, vor allem
den gewohnten geistlich-weltlichen Gehorsam zu erhalten.

Nun waren aber die Niederlande so gut wie jedes an-
dre deutsche Land von Sympathien für die religiöse Neue-
rung erfüllt; der Übertritt des Erzbischofs von Cölln machte
daselbst den größten Eindruck. Der florentinische Gesandte
versichert, nicht allein in Aachen, sondern auch in Löwen rege
sich der Wunsch, der cöllnischen Metropole nachzufolgen. Er
findet die Stimmung in den Niederlanden so zweifelhaft, daß
er meint, die Bewegung könne daselbst vielleicht noch gefähr-
licher werden als in irgend einer andern deutschen Landschaft.

Im Lande selbst versäumte der Kaiser nichts, um diese
Regungen zu ersticken. Die alten Bücherverbote wurden er-
neuert; die strengste Censur, namentlich über fliegende Blät-
ter in Versen oder in Prosa, angeordnet; alle Verdächti-
gen verjagt oder verfolgt: Königin Maria konnte ihren eig-
nen Hofprediger, der sich noch keineswegs entschieden aus-
gesprochen, nicht behaupten.


Urſprung des Krieges. Coͤllniſche Sache.

Wir werden bald ſehen, wie ſehr er ſich darin täuſchte:
welche Vorbereitungen dieſer, ganz ins Geheim, eben damals
traf. Er wußte wie viel ihm an der Unterwerfung der Pro-
teſtanten unter das Concil gelegen ſey, und war entſchloſſen
ſie zu erzwingen.

Zunächſt betrachten wir noch ein anderes Verhältniß,
das ihm eine Richtung eben dahin gab.

Bekannt iſt, welche Bedeutung für die ganze Staats-
verwaltung Carls V, namentlich in finanzieller Hinſicht, die
Niederlande hatten. Es bildete eine der vornehmſten Rückſich-
ten ſeiner Politik, hier materiellen Wohlſtand, und zu dem Ende
Frieden im Innern, gute Verhältniſſe nach Außen, vor allem
den gewohnten geiſtlich-weltlichen Gehorſam zu erhalten.

Nun waren aber die Niederlande ſo gut wie jedes an-
dre deutſche Land von Sympathien für die religiöſe Neue-
rung erfüllt; der Übertritt des Erzbiſchofs von Cölln machte
daſelbſt den größten Eindruck. Der florentiniſche Geſandte
verſichert, nicht allein in Aachen, ſondern auch in Löwen rege
ſich der Wunſch, der cöllniſchen Metropole nachzufolgen. Er
findet die Stimmung in den Niederlanden ſo zweifelhaft, daß
er meint, die Bewegung könne daſelbſt vielleicht noch gefähr-
licher werden als in irgend einer andern deutſchen Landſchaft.

Im Lande ſelbſt verſäumte der Kaiſer nichts, um dieſe
Regungen zu erſticken. Die alten Bücherverbote wurden er-
neuert; die ſtrengſte Cenſur, namentlich über fliegende Blät-
ter in Verſen oder in Proſa, angeordnet; alle Verdächti-
gen verjagt oder verfolgt: Königin Maria konnte ihren eig-
nen Hofprediger, der ſich noch keineswegs entſchieden aus-
geſprochen, nicht behaupten.


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[359/0371] Urſprung des Krieges. Coͤllniſche Sache. Wir werden bald ſehen, wie ſehr er ſich darin täuſchte: welche Vorbereitungen dieſer, ganz ins Geheim, eben damals traf. Er wußte wie viel ihm an der Unterwerfung der Pro- teſtanten unter das Concil gelegen ſey, und war entſchloſſen ſie zu erzwingen. Zunächſt betrachten wir noch ein anderes Verhältniß, das ihm eine Richtung eben dahin gab. Bekannt iſt, welche Bedeutung für die ganze Staats- verwaltung Carls V, namentlich in finanzieller Hinſicht, die Niederlande hatten. Es bildete eine der vornehmſten Rückſich- ten ſeiner Politik, hier materiellen Wohlſtand, und zu dem Ende Frieden im Innern, gute Verhältniſſe nach Außen, vor allem den gewohnten geiſtlich-weltlichen Gehorſam zu erhalten. Nun waren aber die Niederlande ſo gut wie jedes an- dre deutſche Land von Sympathien für die religiöſe Neue- rung erfüllt; der Übertritt des Erzbiſchofs von Cölln machte daſelbſt den größten Eindruck. Der florentiniſche Geſandte verſichert, nicht allein in Aachen, ſondern auch in Löwen rege ſich der Wunſch, der cöllniſchen Metropole nachzufolgen. Er findet die Stimmung in den Niederlanden ſo zweifelhaft, daß er meint, die Bewegung könne daſelbſt vielleicht noch gefähr- licher werden als in irgend einer andern deutſchen Landſchaft. Im Lande ſelbſt verſäumte der Kaiſer nichts, um dieſe Regungen zu erſticken. Die alten Bücherverbote wurden er- neuert; die ſtrengſte Cenſur, namentlich über fliegende Blät- ter in Verſen oder in Proſa, angeordnet; alle Verdächti- gen verjagt oder verfolgt: Königin Maria konnte ihren eig- nen Hofprediger, der ſich noch keineswegs entſchieden aus- geſprochen, nicht behaupten.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/371>, abgerufen am 22.11.2024.