nicht verdient zu haben glaube. Der Kaiser versetzte, er sey ihm nicht ungnädig, er wünsche ihn nur abzuhalten sich ins Verderben zu stürzen, und gab ihm Bedenkzeit bis auf den andern Morgen. Der alte Fürst aber war nicht zu schrecken. Er wiederholte des andern Tages, er mache keine Neuerun- gen: würde er dasjenige wieder aufrichten was er gottselig abgethan, so würde er sich der göttlichen Gnade auf ewig berauben. Der ihm angedrohte Verlust seiner Würde ängstigte ihn nicht; er sagte wohl, im schlimmsten Fall könne er auch wieder als Graf von Wied leben.
Schon verliefen die Termine an der Curie: eine Ci- tation nach der andern ward an die Kirchthüren zu Cölln angeschlagen; die Verurtheilung konnte nicht lange mehr ausbleiben.
Auch bei dem Kaiser aber verklagten Capitel und Cle- rus den Erzbischof, als einen Übertreter des Wormsischen Edictes und des Augsburger Abschiedes; auch hier ward ein Proceß instruirt. Man zog den Fall an den Hof, weil er an dem Reichskammergericht, den einmal gegebenen In- hibitionen nach, nicht gut verhandelt werden konnte. Chur- fürst Hermann säumte nicht einen Anwalt nach Brüssel zu schicken, um zu erklären, daß er nicht in den Gerichtszwang des Kaisers willige, und zunächst die gesetzliche Frist zu for- dern, in der er seine Exception einbringen könne. Der Kai- ser würdigte ihn keiner Antwort.
So weit war es gekommen, und gewiß auf keiner Seite Schonung zu erwarten, -- als der Churfürst im Einver- ständniß mit seinen weltlichen Ständen, die auf dem Land- tage zu Bonn, 9 Dez. 1545, förmlich Beschluß hierüber
Urſprung des Krieges. Coͤllniſche Sache.
nicht verdient zu haben glaube. Der Kaiſer verſetzte, er ſey ihm nicht ungnädig, er wünſche ihn nur abzuhalten ſich ins Verderben zu ſtürzen, und gab ihm Bedenkzeit bis auf den andern Morgen. Der alte Fürſt aber war nicht zu ſchrecken. Er wiederholte des andern Tages, er mache keine Neuerun- gen: würde er dasjenige wieder aufrichten was er gottſelig abgethan, ſo würde er ſich der göttlichen Gnade auf ewig berauben. Der ihm angedrohte Verluſt ſeiner Würde ängſtigte ihn nicht; er ſagte wohl, im ſchlimmſten Fall könne er auch wieder als Graf von Wied leben.
Schon verliefen die Termine an der Curie: eine Ci- tation nach der andern ward an die Kirchthüren zu Cölln angeſchlagen; die Verurtheilung konnte nicht lange mehr ausbleiben.
Auch bei dem Kaiſer aber verklagten Capitel und Cle- rus den Erzbiſchof, als einen Übertreter des Wormſiſchen Edictes und des Augsburger Abſchiedes; auch hier ward ein Proceß inſtruirt. Man zog den Fall an den Hof, weil er an dem Reichskammergericht, den einmal gegebenen In- hibitionen nach, nicht gut verhandelt werden konnte. Chur- fürſt Hermann ſäumte nicht einen Anwalt nach Brüſſel zu ſchicken, um zu erklären, daß er nicht in den Gerichtszwang des Kaiſers willige, und zunächſt die geſetzliche Friſt zu for- dern, in der er ſeine Exception einbringen könne. Der Kai- ſer würdigte ihn keiner Antwort.
So weit war es gekommen, und gewiß auf keiner Seite Schonung zu erwarten, — als der Churfürſt im Einver- ſtändniß mit ſeinen weltlichen Ständen, die auf dem Land- tage zu Bonn, 9 Dez. 1545, förmlich Beſchluß hierüber
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Urſprung des Krieges. Coͤllniſche Sache.
nicht verdient zu haben glaube. Der Kaiſer verſetzte, er ſey
ihm nicht ungnädig, er wünſche ihn nur abzuhalten ſich ins
Verderben zu ſtürzen, und gab ihm Bedenkzeit bis auf den
andern Morgen. Der alte Fürſt aber war nicht zu ſchrecken.
Er wiederholte des andern Tages, er mache keine Neuerun-
gen: würde er dasjenige wieder aufrichten was er gottſelig
abgethan, ſo würde er ſich der göttlichen Gnade auf ewig
berauben. Der ihm angedrohte Verluſt ſeiner Würde ängſtigte
ihn nicht; er ſagte wohl, im ſchlimmſten Fall könne er auch
wieder als Graf von Wied leben.
Schon verliefen die Termine an der Curie: eine Ci-
tation nach der andern ward an die Kirchthüren zu Cölln
angeſchlagen; die Verurtheilung konnte nicht lange mehr
ausbleiben.
Auch bei dem Kaiſer aber verklagten Capitel und Cle-
rus den Erzbiſchof, als einen Übertreter des Wormſiſchen
Edictes und des Augsburger Abſchiedes; auch hier ward
ein Proceß inſtruirt. Man zog den Fall an den Hof, weil
er an dem Reichskammergericht, den einmal gegebenen In-
hibitionen nach, nicht gut verhandelt werden konnte. Chur-
fürſt Hermann ſäumte nicht einen Anwalt nach Brüſſel zu
ſchicken, um zu erklären, daß er nicht in den Gerichtszwang
des Kaiſers willige, und zunächſt die geſetzliche Friſt zu for-
dern, in der er ſeine Exception einbringen könne. Der Kai-
ſer würdigte ihn keiner Antwort.
So weit war es gekommen, und gewiß auf keiner Seite
Schonung zu erwarten, — als der Churfürſt im Einver-
ſtändniß mit ſeinen weltlichen Ständen, die auf dem Land-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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