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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Erstes Capitel.

Hierauf gründete Landgraf Philipp den Gedanken, einen
allgemeinen Bund der Fürsten von beiderlei Bekenntniß zu
Stande zu bringen, unter der Bedingung, daß Keiner an der
Ausführung der in Trient zu erwartenden Beschlüsse Theil
nehmen solle. Der Sinn der Protestanten war, wie sie bis-
her die Unterstützung des Kaisers für sich gehabt, so jetzt
die Sympathien der Mehrheit der Reichsstände für sich zu
erwecken. Carln V ward zuweilen nicht wohl dabei. Er
konnte mit seinen conciliaren Ideen noch scheitern. Es war
sehr wohl möglich, daß ihn die Reichsstände nöthigten den
Erzbischof von Cöln zu dulden, und ihm dann überhaupt
eine compacte ständische Macht unter überwiegendem Einfluß
der Protestanten entgegentrat. Er ließ den Papst wissen,
die Zeit könne kommen, wo weder der eine noch der andre
von ihnen in Deutschland etwas mehr zu sagen habe. 1

Nicht, als ob die natürliche Entwickelung des Prote-
stantismus dahin hätte führen müssen: allein es konnte die
Folge der zuletzt eingeschlagenen Politik werden, wofern er
nicht eben diese mit aller Anstrengung, um jeden Preis, auf
jede Gefahr durchführte.

Dazu setzte ihn nun die Lage der allgemeinen Angele-
genheiten von Europa mehr in Stand als jemals.

Nach dem Frieden von Crespy hätte man nichts an-
ders als eine allgemeine Unternehmung gegen die Osmanen
erwarten sollen: wenigstens in Deutschland und in Ungarn
ward Jedermann darauf vorbereitet: man beklagte sich in
Constantinopel, daß König Franz nicht allein einseitig Friede
gemacht, sondern sogar feindselige Verpflichtungen gegen den

1 Stumpf Baierns politische Geschichte § 84, p. 268.
Achtes Buch. Erſtes Capitel.

Hierauf gründete Landgraf Philipp den Gedanken, einen
allgemeinen Bund der Fürſten von beiderlei Bekenntniß zu
Stande zu bringen, unter der Bedingung, daß Keiner an der
Ausführung der in Trient zu erwartenden Beſchlüſſe Theil
nehmen ſolle. Der Sinn der Proteſtanten war, wie ſie bis-
her die Unterſtützung des Kaiſers für ſich gehabt, ſo jetzt
die Sympathien der Mehrheit der Reichsſtände für ſich zu
erwecken. Carln V ward zuweilen nicht wohl dabei. Er
konnte mit ſeinen conciliaren Ideen noch ſcheitern. Es war
ſehr wohl möglich, daß ihn die Reichsſtände nöthigten den
Erzbiſchof von Cöln zu dulden, und ihm dann überhaupt
eine compacte ſtändiſche Macht unter überwiegendem Einfluß
der Proteſtanten entgegentrat. Er ließ den Papſt wiſſen,
die Zeit könne kommen, wo weder der eine noch der andre
von ihnen in Deutſchland etwas mehr zu ſagen habe. 1

Nicht, als ob die natürliche Entwickelung des Prote-
ſtantismus dahin hätte führen müſſen: allein es konnte die
Folge der zuletzt eingeſchlagenen Politik werden, wofern er
nicht eben dieſe mit aller Anſtrengung, um jeden Preis, auf
jede Gefahr durchführte.

Dazu ſetzte ihn nun die Lage der allgemeinen Angele-
genheiten von Europa mehr in Stand als jemals.

Nach dem Frieden von Creſpy hätte man nichts an-
ders als eine allgemeine Unternehmung gegen die Osmanen
erwarten ſollen: wenigſtens in Deutſchland und in Ungarn
ward Jedermann darauf vorbereitet: man beklagte ſich in
Conſtantinopel, daß König Franz nicht allein einſeitig Friede
gemacht, ſondern ſogar feindſelige Verpflichtungen gegen den

1 Stumpf Baierns politiſche Geſchichte § 84, p. 268.
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[370/0382] Achtes Buch. Erſtes Capitel. Hierauf gründete Landgraf Philipp den Gedanken, einen allgemeinen Bund der Fürſten von beiderlei Bekenntniß zu Stande zu bringen, unter der Bedingung, daß Keiner an der Ausführung der in Trient zu erwartenden Beſchlüſſe Theil nehmen ſolle. Der Sinn der Proteſtanten war, wie ſie bis- her die Unterſtützung des Kaiſers für ſich gehabt, ſo jetzt die Sympathien der Mehrheit der Reichsſtände für ſich zu erwecken. Carln V ward zuweilen nicht wohl dabei. Er konnte mit ſeinen conciliaren Ideen noch ſcheitern. Es war ſehr wohl möglich, daß ihn die Reichsſtände nöthigten den Erzbiſchof von Cöln zu dulden, und ihm dann überhaupt eine compacte ſtändiſche Macht unter überwiegendem Einfluß der Proteſtanten entgegentrat. Er ließ den Papſt wiſſen, die Zeit könne kommen, wo weder der eine noch der andre von ihnen in Deutſchland etwas mehr zu ſagen habe. 1 Nicht, als ob die natürliche Entwickelung des Prote- ſtantismus dahin hätte führen müſſen: allein es konnte die Folge der zuletzt eingeſchlagenen Politik werden, wofern er nicht eben dieſe mit aller Anſtrengung, um jeden Preis, auf jede Gefahr durchführte. Dazu ſetzte ihn nun die Lage der allgemeinen Angele- genheiten von Europa mehr in Stand als jemals. Nach dem Frieden von Creſpy hätte man nichts an- ders als eine allgemeine Unternehmung gegen die Osmanen erwarten ſollen: wenigſtens in Deutſchland und in Ungarn ward Jedermann darauf vorbereitet: man beklagte ſich in Conſtantinopel, daß König Franz nicht allein einſeitig Friede gemacht, ſondern ſogar feindſelige Verpflichtungen gegen den 1 Stumpf Baierns politiſche Geſchichte § 84, p. 268.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/382>, abgerufen am 22.11.2024.